Alles, was neu ist und was weiter fehlt: Der AZ-Check zum neuen Bahn-Fahrplan | ABC-Z
München – Bei der Deutschen Bahn gibt man sich ganz euphorisch. “Der internationale Fernverkehr boomt”, sagt Michael Peterson aus dem Vorstand des Unternehmens. “Die Menschen wollen mehr Bahn in Europa.”
Ob die begeisterten Bahnfahrer aber wirklich so zufrieden sind mit dem, was die Bahn so anbietet, steht wohl auf einem anderen Blatt. Die AZ zeigt, was es Neues gibt ab Sonntag, wenn der Winter-Fahrplan gilt. Und erklärt, wo die Nachteile liegen.
Amsterdam, Zürich, Innsbruck: Das müssen DB-Fahrgäste in München wissen
- Ohne Umsteigen nach Amsterdam: Die Münchner können nicht mehr nur über Nacht umsteigefrei in die niederländische Metropole fahren. Künftig gibt es einen ICE, der um 16.28 Uhr in München startet und um 23.29 Uhr in Amsterdam ankommt. Auch in die Gegenrichtung verkehrt ein Zug. Er startet in Amsterdam um 8.30 Uhr in der Früh und erreicht München laut neuem Fahrplan um 15.27 Uhr.
- AZ-Urteil: Bei der Hinfahrt erreicht der Zug ‒ schon ohne Verspätung ‒ Amsterdam sehr spät. Das dürfte vielen Münchner Städte-Reisenden nicht mehr attraktiv vorkommen.
- Ein Zug mehr nach Zürich: Laut Deutscher Bahn sind die schweizerischen ECE-Züge München-Memmingen-Bregenz-Zürich “stark nachgefragt”. Nun wird das Angebot erweitert ‒ zumindest ein kleines bisserl. Künftig fährt ein achter Zug (pro Richtung und Tag). Und zwar montags bis samstags von München (20.55 Uhr) nach Zürich (0.27 Uhr) und in die Gegenrichtung von Zürich (5.35 Uhr) nach München (9.05 Uhr).
- AZ-Urteil: Auch auf dieser Verbindung werden die Tagrandzeiten Münchner abschrecken. Während die Frühverbindung nach München für schweizerische Geschäftsreisende attraktiv sein könnte, die morgens einen Termin in München haben, dürften Heimreisende vom Schweiz-Urlaub eher nicht mitten in der Nacht aufstehen wollen. In die Gegenrichtung stellt sich das Problem wie beim Amsterdam-Zug: Nicht jeder mag sehr spät abends in einer fremden Stadt ankommen. Dazu kommt: Die Strecke gilt als notorisch störanfällig, sehr viele Verspätungen führen dazu, dass Reisende keine Lust mehr haben, zwischen München und Zürich die Bahn zu nehmen.
- Ein ICE mehr nach Innsbruck: Künftig gibt es einen ICE, der von München (19.34 Uhr) über Rosenheim (20.13 Uhr) nach Innsbruck (21.18 Uhr) fährt. Die letzte Abendverbindung gibt es bereits um 20.22 Uhr ab München (Innsbruck: 22.14 Uhr).
- AZ-Urteil: Ein zusätzlicher ICE ändert wenig. Absurd bleibt, dass man nach einem Abendessen von München nicht mehr ohne Umsteigen in Tirols Hauptstadt kommt.
Mehr Angebot Richtung Italien und Stuttgart
- Mehr Direktverbindungen nach Italien: Die Verbindungen über den Brenner werden ‒ ein bisserl ‒ erweitert. So geht es künftig das ganze Jahr zweimal täglich direkt nach Venedig. Vom 17. April bis 5. Oktober wird es dann laut Bahn einen zusätzlichen dritten (österreichischen) Railjet ohne Umsteigen bis Bologna geben. In diesem Zeitraum wird einer dieser Railjets auch wieder über Bologna hinaus bis nach Rimini verlängert (17.30 Uhr), künftig soll er sogar noch bis Ancona (19.10 Uhr) weiterfahren. Der Zug in die Gegenrichtung startet um 11.30 Uhr in Ancona und endet um 20.26 Uhr in München.
- AZ-Urteil: Jeder zusätzliche Zug nach Italien ist natürlich erfreulich. Die Verbesserungen sind aber weiter kosmetisch und auf sehr niedrigem Niveau. Von den Zeiten, als man selbstverständlich von München umsteigefrei nach Mailand oder Neapel fuhr, ist man weit entfernt ‒ und von zeitgemäßen Reisezeiten zwischen München und Verona leider auch.
- Wie berichtet, verlängert die österreichische Privatbahn Westbahn künftig einige ihrer Züge über München hinaus nach Stuttgart. Fahrten dorthin werden damit für Münchner teils deutlich günstiger als bisher möglich. Die Züge verlassen den Ostbahnhof um 12.02 Uhr und 20.02 Uhr, den Hauptbahnhof um 12.22 Uhr und 20.32 Uhr und sind um 14.37 Uhr beziehungsweise 22.39 Uhr in Stuttgart. In die Gegenrichtung verlassen die Züge den Stuttgarter Bahnhof (der weiter eine fiese Baustelle ist) um 7.12 Uhr und 15.12 Uhr und sind um 9.38 Uhr und 17.38 Uhr am Hauptbahnhof in München, beziehungsweise um 9.56 Uhr und 17.57 Uhr am Ostbahnhof.
- AZ-Urteil: Eine interessante Ergänzung des Angebots. Ein ernsthafter Konkurrent zur Deutschen Bahn wird die Westbahn auf dieser Strecke aber erst, wenn sie deutlich mehr Verbindungen anbietet.
Verständnis für die Bahn, aber auch Kritik: Das sagt der Experte
Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn will gar nicht so sehr kritisieren, dass es nicht noch viel mehr neue Angebote gibt. “Neue Verbindungen sehen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge.”
Warum, erklärt er im Gespräch mit der AZ. “Das Schienennetz in Deutschland ist ausgequetscht, am Rande seiner Kapazität”, sagt er.
Heißt: Mit jeder neuen Verbindung steigt wieder das Risiko von “Staus” auf den Schienen, von Verspätungen, die sich summieren, von Zugausfällen, weil Personal oder Züge fehlen. Daran liege es auch, dass die Bahn, wenn überhaupt, spätabends oder frühmorgens neue Angebote mache ‒ dann, wenn auf den Schienen noch weniger los ist.
Also macht die Bahn noch das Beste aus den miesen Rahmenbedingungen? Ganz so weit würde Barth dann doch nicht gehen. Andreas Barth vom Fahrgastverband findet zum Beispiel, dass es viel zu wenige Verbindungen in die Urlaubsregionen gibt. “Schauen Sie, wie viele Flüge es nach Kroatien gibt!”, ruft er ins Telefon. “Oder überlegen Sie mal, dass man früher von München direkt nach Thessaloniki oder nach Spanien fahren konnte. Da müssen wir wieder hin!”