Alles Walzer an der Isar: Bekommt München jetzt einen Opernball? | ABC-Z

Die Hälfte der Logen soll leer gewesen sein, berichtete eine Zeitung 1877 über den ersten Wiener Opernball. Und auf die Frage nach dem Unterhaltungswert des Abends hätten die meisten Besucher mit den Worten „Ich habe mich grenzenlos gelangweilt“ geantwortet.
Den langfristigen Erfolg der Veranstaltung behinderte das nicht. Mittlerweile ist der Opernball am „Unsinnigen Donnerstag“ zum Höhepunkt nicht nur des österreichischen, sondern auch des weltweiten Faschings geworden – auch dank der Fernsehübertragung. Und das provoziert regelmäßig die Frage, wieso wir in München nicht auch so etwas Schönes haben.
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Wer soll Münchens „Mörtel“ werden?
Womöglich, weil die Ballsaison in München traditionell im Deutschen Theater stattfindet. Aber das ist kein ehernes Gesetz. Und vielleicht gelingt es unserem kreativsten Österreicher ja, eine neue Tradition zu stiften. Der in Bruck an der Leitha und mithin 40 Kilometer vom Wiener Opernball entfernt geborene Gärtnerplatz-Intendant Josef E. Köpplinger hat über dieses Thema mit Bayerns Kunstminister gesprochen. Und weil Markus Blume als ehemaliger Eistänzer auf dem Parkett gewiss gute Figur machen dürfte, begeisterte ihn diese Idee ebenfalls. Und so verkündeten beide Herren die Idee eines Münchner Opernballs am Montag beim Presse-Neujahrsempfang des Kunstministeriums im Gärtnerplatztheater.

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Das löste bei den anwesenden Journalisten Raunen aus: Wer soll der hiesige „Mörtel“ werden? Haben wir einen vergleichbaren Society-Löwen, der wie der verstorbene Richard Lugner jedes Jahr auf eigene Kosten einen B-Weltstar in seine Loge einlädt und für Glamour sorgt?

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Ein Maskenball nach Pariser Vorbild
Köpplinger kann allerdings einen Opernball-Experten in seinem Kompetenzteam vorweisen: Christoph Wagner-Trenkwitz, der seit 2001 für den ORF den Opernball kommentiert, ist einer der vier Dramaturgen seines Hauses.
Der Intendant des Gärtnerplatztheaters wollte auf Nachfrage die Gemeinsamkeiten seiner Pläne mit dem Wiener Opernball nicht betonen: Geplant sei ein Maskenball nach dem historischen Vorbild der Pariser Oper. Und der wiederum war für seine unmoralischen Exzesse so berüchtigt, dass der österreichische Kaiser Franz Josef I. dem ersten Wiener Operball ein Tanzverbot verordnete.

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Der Münchner Fasching war lange berühmt für seine Bälle und Künstlerfeste. Davon berichtet unter anderem die von Köpplinger vor einigen Jahren in der Alten Kongresshalle inszenierte Operette „Die Faschingsfee“ von Emmerich Kálmán.
München hatte schon mal einen Opernball
Das moderne Bayern ist für Opernbälle ein eher schwieriges Pflaster: Der sehr erfolgreiche Nürnberger Opernball wurde von Corona sturmreif geschossen und 2022 von Baumängeln am Staatstheater final zur Strecke gebracht. Auch das Augsburger Theater verwandelte sich vor Beginn der Sanierung regelmäßig in einen Ballsaal, heuer ist der Opernball dort Teil des Brechtfests.
Der anrüchigste Opernball findet in einem benachbarten Freistaat statt: Für die Dresdner Semperoper erwies sich die Verleihung eines Faschingsordens an Despoten wie Wladimir Putin oder Abdel Fatah El-Sisi durch einen größenwahnsinnigen Organisator als eher rufschädigend.

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Auch München hatte 2007 und 2008 einen Opernball: den von Kent Nagano und Chris Dercon angeregten „Ball der Künste“ im Haus der Kunst. Der blieb trotz Stargästen wie Bryan Ferry und allerlei von Sponsoren herbeigekarrten Prominenten ungefähr so interessant wie der Wiener Opernball von 1877.
Aus der Staatsoper ist ein gepflegtes Desinteresse am Wiederaufleben dieser Tradition zu vernehmen. Köpplinger, auf den nachbarlichen Flop hingewiesen, sieht eine Chance in der besonderen Aura seines Hauses: Sein Opernball soll ein echter Theaterball werden, mit einer Tanzfläche auf dem überbauten Parkett und Logen auf der Bühne wie in der Wiener Staatsoper – ein ziemlicher Aufwand, über den dort gerne geklagt wird.
Als Zeitpunkt ist der Frühsommer angedacht. Ballmuffel wie der hier Unterzeichnende müssen ja nicht hingehen. Und vor dem Theater wäre am Gärtnerplatz auch genügend Raum für die in Wien traditionelle Gegendemonstration.