Alles auf Anfang: So sieht die Mode der neuen Chefdesigner aus | ABC-Z

2. November 2025 · In vielen Modehäusern haben neue Chefdesigner begonnen. Zeit für eine Bilanz nach der Saison des Jahrzehnts in Paris und Mailand.
Balenciaga – Mit Grüßen an die Vergangenheit
Formstark: Pierpaolo Piccioli beendet die kastigen Zeiten bei Balenciaga.Fotos: Balenciaga
Auch Meghan war da, die Herzogin von Sussex. Das bemerkte man erst gar nicht, denn es saßen ja auch schon Lauren Sánchez-Bezos und Georgina Rodríguez, Anne Hathaway und Isabelle Huppert in der ersten Reihe. Die Super-Promis kommen dann aber erst ganz zum Schluss, wenn das Licht ausgeht, alle auf ihren Plätzen sitzen und die Fotografen in ihrem umzäunten Bereich stehen. Jedenfalls stürmte Meghan nach dieser brillianten Schau backstage und herzte den neuen Balenciaga-Designer Pierpaolo Piccioli. Immerhin darin kann man der Frau von Prinz Harry zustimmen: Balenciaga, ein Jahrzehnt lang den teils rauen Experimenten des genialischen georgischstämmigen Designers Demna ausgesetzt, wird nun durch die ästhetisch anspruchsvolle Schneiderkunst eines Römers veredelt. Ein Italiener also bei der von einem Spanier gegründeten französischen Marke. Das paneuropäische Projekt wuchs sich mit vielen weiteren Referenzen aus. Denn Piccioli, der von 2008 bis 2024 Chefdesigner von Valentino war, zunächst gemeinsam mit Maria Grazia Chiuri, nach ihrem Abgang zu Dior dann alleine, würdigte in seiner Kollektion für Frühjahr und Sommer 2026 auch seine Vorgänger. An erster Stelle natürlich mit einer ungeheuer sicheren Formensprache Cristóbal Balenciaga selbst, der 1972 gestorben war. Aber auch auf Nicolas Ghesquière spielte er an, der 15 Jahre lang, bis 2012, hier Chefdesigner war, zum Beispiel mit den Zigarettenhosen. Auch Demna sah man manchmal gespiegelt. Aber eher in dem Sinne, dass jetzt wirklich eine neue Zeit anbricht. (kai.)
Carven – Schlicht, tragbar, pariserisch
Schön unspektakulär: Mark Thomas geht es bei Carven ruhig an.Fotos: Carven
Zu den Folgen dieser spektakulären Saison gehört, dass kleinere Premieren zwischen den großen schnell untergehen. Also zeigen wir das kleinere Carven hier groß. Die neue Bottega-Veneta-Designerin Louise Trotter und Mark Thomas waren jahrelang ein Team, erst bei Joseph, dann bei Lacoste, zuletzt bei Carven. Wahrscheinlich hätte Thomas seiner Chefin auch nach Mailand folgen können, zu Bottega Veneta. Aber vielleicht war diese Stelle auch attraktiver: Auf Marie-Louise Carven, die das Haus von der Gründung 1945 bis 1993 verantwortete, folgten Maguy Muzy, Guillaume Henry, Alexis Martial und Adrien Caillaudaud, Serge Ruffieux, Louise Trotter. Und auf sie folgt jetzt: Mark Thomas. Auch stilistisch lässt sich feststellen: Es gibt spektakulärere Debüts. Schon die Farben halten sich im Hintergrund – weiß, grau, butterblumengelb, zartes Blau. Mark Thomas arbeitet mit dem in der Mode beliebten Prinzip: innerwear as outerwear. Die Lingeriespitze landet auf dem Kleid, das Schößchen auf dem Anorak. Um bei Carven anzukommen, stülpt Thomas also das Innerste nach außen. Ein Kleid mutet an wie ein um den Körper geschlungenes weißes Tischtuch. Will dieser Designer reinen Tisch machen, bevor es so richtig losgeht? Gut verkäuflich, weil schlicht, tragbar und pariserisch, ist diese Kollektion allemal. Thomas hat dafür passenderweise den Laden leergeräumt und die Straße sperren lassen. So kommen die Models in der Kollektion für das kommende Frühjahr auch am Publikum vorbei, das ohne Ticket draußen zuschaut. Vielleicht sind ein paar Kundinnen unter ihnen. (jwi.)
Loewe – Muss man sehen
Kontrastiert: Jack McCollough und Lazaro Hernandez leben sich ein.Fotos: Picture Alliance, Xinhua/Eyevine/Laif
Immer wieder faszinierend, was für einen Unterschied ein Live-Erlebnis im Vergleich zu einem Livestream-Erlebnis machen kann. Wer die Kollektion am Freitag, dem 3. Oktober, um 11.30 Uhr am Bildschirm verfolgt, sieht harte Farbkontraste, unter anderem schwarz, rot, gelbgold, und Looks, die aus Hosen, nackten Oberkörpern und darüber geknoteten Pullovern bestehen, Kleider, die um den Körper geschlungene Handtücher nach dem Duschen sein könnten. Und High-Heels, die an Schuhüberzieher aus Gummi erinnern, mit Sneaker-Socken darunter. Dass die Schuhdesignerin von Loewe mit Jonathan Anderson zu Dior gewechselt ist, sieht man. Wer aber zur Schau am 3. Oktober um 11.30 Uhr auf dem Gelände der Pariser Universität Sorbonne physisch anwesend ist, sieht glockenförmig geschnittene Lederjacken, mondrianeske Farben, und diese besondere Haptik der Bomberjacken. Die Schuhe? Fallen vielen in den Reihen weiter hinten gar nicht auf. Die Meinungen gehen also auseinander. Über Erfolg und Misserfolg entscheiden am Ende aber ohnehin die Kundinnen im Verkauf. Zu wünschen ist Jack McCollough und Lazaro Hernandez nur das Beste. Für den Job bei Loewe sind sie von der kreativen Verantwortung bei der eigenen New Yorker Marke Proenza Schouler zurückgetreten. Es wäre auch an der Zeit, dass New Yorker in Paris einmal länger bleiben. Alexander Wang und Gabriela Hearst hielten sich bei Balenciaga und Chloé jeweils nicht ganz drei Jahre. Da bleibt zu hoffen, dass McCollough und Hernandez sich hier einleben. (jwi.)
Jil Sander – Puristisch, nicht minimalistisch
Klar: Simone Bellotti macht bei Jil Sander keine Kompromisse.Foto: Helmut Fricke
Es weht ein frischer Wind an der Via Luca Beltrami in Mailand, dem Hauptsitz von Jil Sander, der Marke. Und das hat zu tun mit Jil Sander, der Gründerin. Simone Bellotti, seit März Kreativdirektor, war noch nicht geboren, als Jil Sander 1967 in Hamburg ihre Boutique eröffnete, aus der eine internationale Marke werden sollte. Um zu begreifen, was die Anfänge der Marke ausmachen, ist Bellotti hoch in den Norden nach Hamburg gereist und hat die Gegensätze der Stadt erlebt: Strenge und Leichtigkeit, zurückhaltende Eleganz und pulsierendes Leben, Prachtvillen und Industriekultur. Die Kollektion des gebürtigen Mailänders, der zuvor als Kreativdirektor die Schweizer Marke Bally vorantrieb, ist daher ein Spiel mit Kontrasten. Einerseits gibt es Entwürfe, die Bellotti als eine Art Rüstung versteht, wie die Bluse, die einer Motorhaube nachempfunden und so geschnitten ist, dass sie vom Körper absteht. Gleichzeitig sind die Stoffe leicht und feminin, wie das violette Lederkleid ohne Futter. Dazu präsentiert Bellotti die klassische Jil-Sander-Farbe Navyblue, das sich – wie bei der Gründerin – auch in den Schuhsohlen wiederfindet. Mit präzisen Schnitten und klaren Linien zeigt Bellotti wieder mehr Jil Sander, nachdem seine Vorgänger Lucie und Luke Meier zuletzt fast schon dekorativ geworden waren. Inspiriert haben Bellotti auch alte Jil-Sander-Magazine, die er im Archiv fand und die sich in einem Kragen wiederfinden, der an übereinanderliegende Papierseiten erinnert. Seine Kollektion für Jil Sander sei nicht minimalistisch, sagt der Designer nach der Schau, sondern puristisch. Das war auch ein Lieblingswort von Jil Sander, der Gründerin. (ipp.)
Chanel – Besser geht es kaum
Federleicht: Matthieu Blazy eröffnet ein neues Chanel-Zeitalter.Fotos: Reuters
Wie ist eine Kollektion? Manchmal muss man gar nicht hinschauen, um es zu ermessen. Manchmal merkt man es, wenn der Nebenmann einem auf den Oberschenkel haut, wenn sich die Hälse recken wie selten, wenn die Gäste nach der letzten Runde der Models aufspringen und laut jubeln. Nach der ersten Chanel-Schau von Matthieu Blazy war es so weit. Unter den 2200 Gästen im Grand Palais war keiner, der am Ende sagte: „Ging so.“ Oder: „Das Kleid am Schluss hat mir gefallen.“ All die gelangweilten Kritiker waren seit Jahren nicht mehr so begeistert, ja, seit wann eigentlich? Seit der letzten Chanel-Kollektion von Karl Lagerfeld nach seinem Tod? Da vor allem aus Rührung. Seit der ersten Kollektion von Raf Simons für Dior? Könnte sein. Das war immerhin 2012, lange her. Vielleicht rührt die Begeisterung auch daher, dass Blazy in Paris gar nicht so bekannt ist, weil er zuvor für Bottega Veneta in Mailand und Calvin Klein in New York gearbeitet hat. So war man womöglich überrascht, wie souverän der Einundvierzigjährige, der erst am 1. April an der Rue Cambon begonnen hatte, die Codes des Hauses beherrscht. Vielleicht war man auch erlöst, weil seine Chanel-Vorgängerin Virginie Viard in ihren mehr als fünf Jahren doch recht blass blieb. Jedenfalls war hier vom Bicolor-Schuh bis zum leichten Tweed-Kostüm ein neues Chanel zu entdecken, von der Jeans bis zur Braut mit dem wunderbaren Federrock ein neuer Großdesigner. Und wir können sagen wie Goethe, der es leider nur bis Valmy geschafft hat und nie nach Paris: Wir sind dabei gewesen. (kai.)
Gaultier – Des Kaisers alte Kleider
Gewagt: Duran Lantink sieht Gaultier mit neuen Augen.Fotos: Laif, Yannis Vlamos
Nicht, dass wir uns missverstehen: Was hier links zu sehen ist, gehört zu den schönen Entwürfen von Duran Lantink für Jean Paul Gaultier. Mit seinen geschwungenen körpernahen Formen, den schrägen Schnitten und überhaupt dem subkulturellen Vibe schließt der niederländische Designer schon an das an, was der legendäre Gründervater Jean Paul Gaultier immer wollte – daher sprang der Dreiundsiebzigjährige, der brav in der ersten Reihe saß, auch nach der Schau auf und umarmte den neuen Interpreten seiner Markenwelt, der 1987 in Den Haag geboren wurde und in Amsterdam studierte. Aber der Erfinder der „Vagina“-Hose, die Janelle Monáe in ihrem Musikvideo „Pynk“ trug, trieb es dann teils doch zu weit. Durch seine Arbeit mit Popsängerinnen wie Beyoncé, Billie Eilish und Doja Cat schätzt er den freien künstlerischen Bühnenausdruck. Aber was, wenn sich die Mode auch verkaufen soll? Klar, das ist bei Gaultier nicht so wichtig wie bei Marken, die zum LVMH-Konzern gehören. Aber irgendwie dann doch, das Haus muss ja laufen. Jedenfalls war in einer Saison, die über viele Schauen hinweg schlicht die Schönheit feierte, so oberflächlich das alles sein mag, diese Kollektion fehl am Platz. Macht aber nichts, denn es geht bestimmt weiter mit den beiden. (kai.)
Celine – Mit starkem Akzent
Poliert: Michael Rider gibt Celine lockere Leichtigkeit mit.Fotos: Celine
Ein Amerikaner bei einer französischen Traditionsmarke? Das muss nicht die schlechteste Lösung sein, siehe Loewe. Und auch bei Celine weiß man, dass der polierte Chic des Ostküsten-Geldadels nicht der schlechteste Ratgeber ist – schließlich war Michael Kors hier bis 2003 Kreativdirektor, bevor er seine eigene Marke in New York zum Milliardenunternehmen ausbaute. Zuletzt bestimmte Hedi Slimane, wohin es ging mit Celine, sieben Jahre lang, bis auch der letzte merkte, dass diese aufgesetzte Coolness nervt. Schon die Abschaffung des Accent aigu zeigte eine unermessliche Arroganz gegenüber der im Jahr 1997 verstorbenen Gründerin Céline Vipiana. Egal, jetzt ist ja Michael Rider da, der von 2004 bis 2008 bei Balenciaga arbeitete, dann zehn Jahre lang unter Phoebe Philo bei Céline und zuletzt sechs Jahre lang als Kreativdirektor bei Polo Ralph Lauren. Schon im Juli hat er seine erste Zwischenkollektion in der Zentrale an der Rue Vivienne präsentiert. Nun geht es fürs Prêt-à-Porter raus an die Domaine de Saint-Cloud, eine ziemliche Zumutung für die paar Zeitgenossen unter den Modefans, die keine Limousine haben. Aber das Naturschutzgebiet ist die beste Kulisse für all die wunderbaren Proportionen und starken Farben. Fast zu hübsch, könnte man sagen: diese wippenden Babydollkleider und coolen Mäntel zu schmalen Hosen, diese zweireihigen weißen Jacken und eleganten Foulards und superflachen Lederslipper. Eine echte Weiterentwicklung von Phoebe Philo und Hedi Slimane! Und eine kleine Hommage an die Gründerin, wenn plötzlich dieses alte Logo mit dem Sulky, der einachsigen Rennkutsche, dick auf einem Pullover prangt. (kai.)
Dior – Ein Staatsakt
Mehr Staatsakt ist in der Mode kaum möglich: Die französische Präsidentenfrau Brigitte Macron ist da (auch wenn sie nicht alle geladenen Influencerinnen auf Anhieb erkennen). Die ehemalige Präsidentenfrau Carla Bruni ist da. Johnny Depp, Jennifer Lawrence. Natürlich auch: Jimin und Jisoo. (Sollten Sie die beiden nicht kennen, es sind K-Pop-Stars, die in Asien wahrscheinlich bekannter sind als Brigitte Macron bei uns.) Das Staraufgebot bei Dior, Meghan bei Balenciaga oder Nicole Kidman bei Chanel sind auch Lehrstücke des Luxusmarketings. Für die Aufmerksamkeit brauchen die spannendsten Debüts der Saison die berühmtesten Menschen der Welt in der ersten Reihe. Jonathan Anderson taucht dabei tief ein in die Geschichte der Marke. Widmet sich im Speziellen den Hüten und dem Volumenspiel, also der Ära John Galliano bei Dior (1997 bis 2011). Behält aber gleichzeitig die Ära Christian Dior (1947 bis 1957) im Blick. Die Bar-Jacke, mit der Dior 1947 seinen New Look begründete, ist jetzt weit ausgestellt und verkürzt. Vor allem aber bleibt Jonathan Anderson ganz bei sich. Seine Themen nimmt er mit zu Dior, also Handwerkskunst, Geschichte und das Infragestellen von Geschlechterstereotypen. Den festen Tweed überträgt er aus der Männerkollektion von Ende Juni in die Damenmode. Die Reifröcke und Unterröcke setzt er selbst unter simpel zu tragende Blümchenminiröcke. Die Karoschluppenhemden hätten auch unter seinem Label JW Anderson laufen können. Mit Dior ist Jonathan Anderson also schon verwoben. (jwi.)
Versace – Tief ausgeschnitten
Knallig: Dario Vitale erkennt in Versace den Appeal der Achtziger.Fotos: Versace/Instagram
Es war eine historische Schau, nicht nur, weil sie in der Pinacoteca Ambrosiana stattfand, in der Werke von Da Vinci, Caravaggio und Tizian ausgestellt sind. Vielmehr war es die erste Kollektion von Versace ohne Versace. Im März war Donatella Versace als Kreativdirektorin der Marke zurückgetreten, die ihr Bruder Gianni Versace gegründet und bis zu seinem Tod 1997 geführt hatte. Nun also Dario Vitale, der zuvor bei Miu Miu unter Vertrag war. Das ist bemerkenswert, weil Miu Miu zum Luxuskonzern Prada gehört, der Versace gerade übernommen hat. Damit vereinen sich zwei große Namen der italienischen Luxusmode unter einem Dach. Prada kündigte an, Versaces Ästhetik bewahren zu wollen. Und tatsächlich erinnert Vitales Debüt bei der Mailänder Modewoche, zu der Donatella Versace nicht gekommen war, an die Achtzigerjahre, die so stark von Gianni Versace geprägt wurden: Karottenjeans, knallige Farben, dazu Mustermix, Fotoprints, seitlich ausgeschnittene Muscle-Shirts und Gürtel mit auffälligen Schnallen an High-Waist-Jeans. Der gebürtige Neapolitaner trifft den Sexappeal, der die Marke ausmacht, ohne ins Ordinäre abzurutschen, was früher schon öfters der Fall war. Gut möglich, dass die simplen Jerseykleider ein Erfolg werden. Das alles geht in die richtige Richtung. Denn auch Gianni Versace war als Sohn einer Schneiderin ein Meister des Tailoring. Dass er das Metier beherrscht, bewies Vitale schon vor der Modewoche, als er Julia Roberts, keine klassische Versace-Kundin, zu den Filmfestspielen in Venedig in ein lässiges Ensemble aus dunkelblauem Blazer, gestreiftem Hemd in Gelb- und Brauntönen und Straight Jeans in Dark Denim steckte. So cool, dass Amanda Seyfried es sich auslieh und 48 Stunden später im selben Outfit über den Laufsteg schritt – mehr Marketing geht nicht. (ipp.)
Gucci – Glamour kommt
Floral: Im Hintergrund lässt Demna bei Gucci „La Snob“ zuschauen.Fotos: Helmut Fricke
Das gab es in der Mode noch nie: Statt eines klassischen Debüts mit Defilee präsentierte Demna, der Neue bei Gucci, am ersten Abend der Mailänder Modewoche den Film „The Tiger“. Zu sehen ist Demi Moore als überspannte Gucci-Erbin, die in ihrer kalifornischen Villa ein Geburtstagsdinner abhält, das im Chaos endet. Zur Filmpremiere lief die amerikanische Schauspielerin im goldenen Kleid über den roten Teppich, das sie schon im Film trug und das schon am nächsten Morgen in sieben ausgewählten Gucci-Läden weltweit zu kaufen war. Denn parallel zu dem Film präsentierte Demna, der bei Balenciaga für aufsehenerregende Defilees bekannt war, in einem digitalen Lookbook eine erste kleine See-now-buy-now-Kollektion mit dem Titel „La Famiglia” – 37 italienische Archetypen, darunter die „Sciura“ im himmelblauen Lammfell-Mantel, der „Figo“ in offener Lederjacke, „Miss Aperitivo“ im Paillettenkleid, der „Bastardo“ im Slip und die „Diva“, die in blauem Pelz strahlt. Jede dieser Figuren erzählt eine Geschichte – deutlicher kann der neue Kreativdirektor nicht demonstrieren, dass er zum Storytelling seines Vorvorgängers Alessandro Michele zurückkehrt, der es mit persönlichen und skurrilen Elementen verstand, Gucci emotional aufzuladen und so den Umsatz hochzutreiben, der wiederum einbrach, als Sabato de Sarno zwei Jahre lang solide, aber eher blasse Kollektionen ablieferte. Mit Demna, der aus Georgien stammt, kurze Zeit in Düsseldorf lebte und 2021 seinen Nachnamen ablegte, ist der „italian glamour“ bei Italiens größter Luxusmarke wieder zurück. (ipp.)
Bottega Veneta – Meisterlich geflochten
In der italienischen Modewelt hat man lange auf diese Frau gewartet. Sämtliche vakante Spitzenpositionen in den vergangenen sieben Jahren von Gucci über Etro bis Ferragamo wurden mit männlichen Kreativdirektoren besetzt. Nun endlich bei Bottega Veneta: eine Frau, noch dazu eine Nicht-Italienerin. Nach ihrer ersten Schau für das Luxushaus steht die Engländerin Louise Trotter im weißen T-Shirt backstage, als wäre sie gerade aus dem Atelier gekommen. „Mir gefällt, dass Bottega eine Werkstatt ist“, sagt sie und spielt auf das berühmte Flechtmuster der Marke an, das Intrecciato. Trotter hat sich intensiv eingearbeitet in das, was die Marke ausmacht, die im nächsten Jahr Sechzigjähriges feiert. Wochenlang tauchte sie ab in den Archiven in Montebello Vicentino in der Provinz Venedig. Das wird sichtbar in ihrer ersten Kollektion, denn tatsächlich ist ziemlich viel geflochten: nicht nur die klassischen Taschen, sondern auch Ledermäntel, Sweater, Schuhe und Details wie die abnehmbaren Krägen der Wollmäntel. Ein Masterpiece ist das geflochtene Ledercape mit Fransen, das in 4000 Stunden Handarbeit in den Ateliers gefertigt wurde. Trotter, die zuvor bei Lacoste und Carven war, hat viel Wert auf Tailoring gelegt und sich mit der Anatomie der Schulter beschäftigt. Manche ihrer Entwürfe wirken dabei etwas zu schwer und maskulin für eine Sommerkollektion. Das machen die Sweater wett, deren lange, weiche Fiberglas-Fasern aus leuchtenden Orange-, Rot- und Silberblautönen beim Gehen hin- und hertanzen. Oder die gelben mit Leder umbundenen Pumps. Oder die Taschen in frischem Gelb, Grün und Rosé. In der ersten Reihe sitzt Lauren Hutton. Die Schauspielerin hatte 1980 in dem Film „American Gigolo“ in einer entscheidenden Szene eine Bottega-Clutch im Arm, die heute den Namen Lauren 1980 trägt. 45 Jahre später umarmt sie Louise Trotter backstage und beweist: Bottega lebt von jetzt an von starken Frauen. (ipp.)





















