Alkoholkonsum in Deutschland sinkt zu langsam | ABC-Z

Bis vor Kurzem waren zwölf Gramm Reinalkohol pro Tag für Frauen und 24 Gramm für Männer die Grenzwerte. Darauf beziehen sich auch die Zahlen aus unserem Jahrbuch. Inzwischen gelten es diese Grenzwerte allerdings nicht mehr: Das wissenschaftliche Kuratorium der DHS hat diese Werte sehr gründlich unter die Lupe genommen und die Empfehlung ausgesprochen, dass jeglicher Alkoholverzicht das Optimum für die Gesundheit ist.
Das heißt, es gibt nicht länger eine gesundheitlich unproblematische Menge an Alkohol, die man trinken kann?
Korrekt. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen einfach, dass es keinen risikolosen Konsum von Alkohol gibt. Und auch die gesundheitsfördernden Effekte, die immer wieder propagiert werden, sind sehr fragwürdig. Den Zahn müssen wir leider ziehen. Weniger ist immer besser. Ein Bier ist besser als zwei. Dann tut man seiner Gesundheit etwas Gutes. Man schläft besser, man verbessert sein Herz-Kreislauf-System, man verringert sein Krebsrisiko.
Wie kann man feststellen, ob man selbst oder Angehörige einen riskanten Alkoholkonsum haben?
Man kann sich auf jeden Fall selbst reflektieren. Was konsumiere ich wann? Zu welcher Gelegenheit hat mein Konsum eine bestimmte Funktion? Habe ich Probleme dadurch, dass ich Alkohol trinke? Habe ich Entzugserscheinungen? Oder muss ich mehr trinken, um auf die gleiche Wirkung zu kommen? Das sind ganz viele kleine Anzeichen für eine Alkoholproblematik, anhand derer man feststellen kann, ob man seinen Alkoholkonsum minimieren und Hilfe in Anspruch nehmen sollte.
In welchen Altersgruppen ist das riskante Trinkverhalten am häufigsten?
In diesem Kontext können wir einen Blick auf die Krankenhausstatistik werfen. Welche Personen wurden mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht? Da wird immer stark auf die unter 18-Jährigen geschaut. Vor zehn, zwölf Jahren gab es regelmäßig neue Rekordzahlen, mittlerweile ist dieser Wert zurückgegangen und hat sich ungefähr auf 9350 Fälle pro Jahr halbiert. Das ist sehr erfreulich. Was oft in Vergessenheit gerät, sind die vielen Erwachsenen, die jedes Jahr mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im mittleren Erwachsenenalter zwischen 30 und 60 Jahren waren das im Jahr 2023 knapp über 34.000 Personen. Das sind diejenigen, die den Jugendlichen das Trinken und die Normen, die wir haben, vorleben.
Gesamtgesellschaftlich wird weniger getrunken. Ist das vor allem der jungen Bevölkerung zu verdanken?
Jugendliche trinken weniger als noch vor zehn Jahren. Da haben wir die Hoffnung, dass ein Wandel passiert. Es gibt Sober-Bewegungen und Jugendliche, die gar nicht erst anfangen zu trinken. Auch das Einstiegsalter ist höher. Aber trotz des Rückgangs befinden wir uns immer noch auf einem hohen Niveau beim Alkoholkonsum mit 10,6 Litern pro Kopf und Jahr. Zwar sinkt der Alkoholkonsum, aber nicht schnell genug – gerade im Vergleich zu europäischen Nachbarländern. So wie es gerade aussieht, wird es in Deutschland noch lange dauern, bis wir auf einem Level mit Schweden sind, wo jährlich pro Kopf 7,5 Liter Alkohol getrunken werden.
Was muss sich ändern, damit der Alkoholkonsum auch in Deutschland schneller sinkt?
Wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre, würden wir uns wünschen, dass der Bereich der Verhältnisprävention gestärkt wird. Das findet im Bereich Alkohol gerade kaum bis gar nicht statt. Darunter verstehen wir: höhere Steuern, höhere Preise, weniger Verfügbarkeiten. Auch die Werbung für das gesundheitsgefährdende Produkt Alkohol ist nach wie vor sehr präsent in unserer Gesellschaft. Da braucht es Einschränkungen, so wie es im letzten Koalitionsvertrag auch mal angekündigt war. Bei unserer kommenden Bundesregierung ist das überhaupt kein Thema mehr. Die Forschung zeigt, dass all diese Maßnahmen wirken. Ohne stärkere Regulation von oben wird es nicht funktionieren.
Auf welchen Wert sollte die Verbrauchsteuer angehoben werden, um einen Effekt beim Verbraucher zu haben?
Schon fünf Prozent mehr würden eine Wirkung zeigen. Nehmen wir an, eine Flasche Bier kostet dann statt einem Euro einen Euro und fünf Cent. So könnte der Alkoholkonsum pro Kopf um 2,2 Prozent gesenkt werden. Außerdem ließen sich 1,4 Milliarden Euro Steuereinnahmen generieren. Das ist natürlich fiktiv. Aber es zeigt, welche Wirkungskraft allein so ein Preisanstieg hätte.
Was kann Deutschland von einem Land wie Schweden lernen?
Die Maßnahmen, die in Schweden durchgeführt werden, sind sehr strikt, konsequent und wirkungsvoll. Ich denke da an die lizensierten Fachgeschäfte. Ich denke daran, dass Alkohol dort nicht so preisgünstig ist wie bei uns und dass Alkohol nicht an jeder Supermarktkasse griffbereit ist. Alkohol ist dort kein normales Produkt. Davon können wir uns definitiv einiges abschauen.