Wahlkreise im Zusammenfassung: Scholz gegen Baerbock, Lindner gegen Bosbach – das sind die spannendsten Duelle | ABC-Z

Kanzler, Parteichefs und weitere Spitzenpolitiker bewerben sich nicht nur für eine neue Regierung, sondern auch für ein Direktmandat. Teilweise treten sie auch gegeneinander an. Zwölf Wahlkreise, in denen der Wahlkampf um das Direktmandat besonders spannend ist.
In 299 Wahlkreisen entscheidet sich am Sonntag, welche Abgeordneten die Bürger im neu gewählten Bundestag direkt vertreten. In einigen Wahlkreisen treten auch Spitzenpolitiker an, darunter die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD).
Auch weitere Parteichefs wie Christian Lindner (FDP), ehemalige Ministerpräsidenten wie Bodo Ramelow (Linke) oder prominente Namen wie Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Caroline Bosbach (CDU) stehen auf dem Wahlzettel.
Ob alle Gewinner eines Direktmandates auch in das Parlament einziehen, ist allerdings offen. Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Mandate als ihr gemäß Zweitstimmen zustehen, ziehen dort die Wahlkreisgewinner mit den geringsten Erststimmenergebnissen nicht in den Bundestag ein – die Wahlkreise bleiben „leer“. Das könnte – je nach Wahlausgang – in 45 Wahlkreisen der Fall sein.
WELT gibt einen Überblick über die spannendsten Konstellationen in den 299 Wahlkreisen bei der Bundestagswahl 2025.
WK 61: Potsdam: Olaf Scholz (SPD) gegen Annalena Baerbock (Grüne)
Das Duell zwischen Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock ist eine Neuauflage von 2021. Damals war Baerbock auch Kanzlerkandidatin ihrer Partei. Scholz sicherte sich das Mandat mit 34,0 Prozent, Baerbock kam auf 18,8 Prozent.
Diesmal könnte es knapp werden für Scholz: Eine Schätzung des Meinungsforschungsinstituts YouGov hält das Rennen im Wahlkreis für offen. Am Ende könnte sogar die CDU mit ihrer Kandidatin Tabea Gutschmidt knapp vorn liegen. Scholz und Baerbock sind beide über Platz eins der Landeslisten von SPD und Grünen abgesichert.
WK 1: Flensburg – Schleswig: Robert Habeck (Grüne) gegen Petra Nicolaisen (CDU)
Schnappt diese CDU-Abgeordnete Robert Habeck das Direktmandat weg? Petra Nicolaisen tritt im nördlichsten Wahlkreis Flensburg – Schleswig gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an. Bei der Bundestagswahl 2021 lag Habeck mit 28,1 Prozent noch komfortabel vor Nicolaisen mit 23,4 Prozent. Die 59-Jährige gewann 2017 das Direktmandat, 2021 zog sie über die Landesliste ein.
YouGov hält die Wahl für völlig offen. Doch selbst wenn Nicolaisen gewinnen würde, könnte sie nicht in den Bundestag einziehen. Grund ist das neue Wahlrecht: Wenn in einem Land die Zahl der gewonnenen Direktmandate einer Partei nicht durch ihr Zweitstimmenergebnis gedeckt ist, gehen die Bewerber mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Das könnte Nicolaisen treffen. Habeck könnte noch über die Landesliste ins Parlament einziehen.
WK 146: Hochsauerlandkreis: Friedrich Merz (CDU) gegen Dirk Wiese (SPD)
Friedrich Merz bewirbt sich nicht nur als Kanzlerkandidat, sondern auch als Abgeordneter für den Hochsauerlandkreis. Der CDU-Chef lebt in Arnsberg, von 1994 bis 2009 vertrat Merz den Wahlkreis bereits im Bundestag, zuerst noch in Bonn. Das Sauerland ist CDU-Stammland in NRW, die SPD hat trotz eines prominenten Kandidaten nur Außenseiterchancen: Dirk Wiese, stellvertretender Fraktionschef der SPD im Bundestag und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises. Er ist über die Landesliste abgesichert. Er könnte in möglichen Verhandlungen über eine schwarz-rote Koalition eine wichtige Rolle spielen, da er für eine striktere Migrationspolitik eintritt.
WK 99 Rheinisch-Bergischer Kreis: Christian Lindner (FDP) gegen Caroline Bosbach (CDU)
Das letzte Direktmandat errang die FDP zuletzt 1990. Auch in diesem Jahr sind die Chancen gering. Parteichef Christian Lindner erhielt bei der Wahl 2021 im Rheinisch-Bergischen Kreis 16,8 Prozent. Wie gut Lindner am Sonntag abschneidet, zeigt also eher, wie zufrieden oder unzufrieden die Bürger in seinem Wahlkreis mit ihm waren.
Zudem erhält Lindner in diesem Jahr prominente Konkurrenz in Form von Caroline Bosbach. Die CDU-Kandidatin aus Bergisch Gladbach arbeitet in der Energiebranche und ist Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrates der CDU. Wie ihr Vater Wolfgang Bosbach vertritt auch Caroline Bosbach konservativ-bürgerliche Positionen in der Union. Ihre Chancen stehen gut: Bis auf 1972 holte die CDU immer das Direktmandat im Rheinisch Bergischen Kreis.
WK 192 Erfurt – Weimar: Katrin Göring-Eckardt (Grüne) gegen Bodo Ramelow
Als Bodo Ramelow im Wahlkreis Erfurt – Weimar – Weimarer Land II kandidierte, war er noch geschäftsführender Thüringer Ministerpräsident. Ein Länderchef, der sich für ein Bundestagsmandat bewirbt – bis dato ein Novum in der deutschen Geschichte. Gemeinsam mit Gregor Gysi (Berlin-Treptow Köpenick) und Dietmar Bartsch (Rostock) versucht Ramelow in der „Operation Silberlocke“ drei Direktmandate für die Linke zu gewinnen, um ihr den Einzug in den Bundestag über die Grundmandatsklausel zu sichern.
2021 gewann der SPD-Politiker Carsten Schneider das Direktmandat in Erfurt. Er ist Ostbeauftragter der Bundesregierung. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt ist seit 1998 im Bundestag vertreten und stets über die Landesliste der Thüringer Grünen eingezogen. Vor vier Jahren erhielt sie im Wahlkreis 11,8 Prozent. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov sieht Ramelow vorn. Sein stärkster Konkurrent ist der AfD-Kandidat Alexander Claus. Der arbeitet bisher als Referent für Thüringens AfD-Chef Björn Höcke.
WK 75 Berlin-Pankow: Julia Schneider statt Stefan Gelbhaar (beide Grüne)
Eigentlich wollte der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar wieder in Pankow antreten und sein Direktmandat verteidigen. Doch nach Vorwürfen, Gelbhaar habe Frauen belästigt, ließen die Delegierten des Kreisverbandes Gelbhaar durchfallen und nominierten Julia Schneider, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Gelbhaar verlor auch bei der Aufstellung der Berliner Landesliste gegen Andreas Audretsch, Wahlkampfmanager von Robert Habeck.
Dann die Wende: Eine RBB-Recherche über Gelbhaar beruhte auf Falschaussagen, eine Grünen-Kommunalpolitikerin trat aus der Partei aus. Während die Grünen mit der Aufarbeitung der möglichen Intrige beschäftigt sind, ist unklar, wie sehr der Fall Gelbhaar dem Wahlkampf schadet. 2021 gewann Gelbhaar den Wahlkreis mit 26,8 Prozent mit deutlichem Vorsprung vor CDU, SPD, Linken und AfD, die um 15 Prozent erhielten. Für die CDU kandidiert die Volkswirtin Franziska Dezember, für die SPD die Juristin Alexandra Wend und für die AfD Ronald Gläser, ebenfalls Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. YouGov hält den Wahlkreis für offen mit Tendenz zur AfD.
WK 79 Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf: Michael Müller (SPD) gegen Lisa Paus (Grüne)
In Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf kommt es tatsächlich auf jede Stimme an: Bereits 2021 sicherte sich Berlins Ex-Bürgermeister Michael Müller das Direktmandat mit 25,6 Prozent nur knapp vor Lisa Paus und dem CDU-Amtsinhaber mit je 25,1 Prozent. Paus wurde unter Olaf Scholz Familienministerin. Am Sonntag könnte es ähnlich eng werden.
Für Müller geht es um seine politische Zukunft: Er verlor in der Berliner SPD eine Kampfabstimmung um Listenplatz drei und ging anschließend ohne Absicherung in die Wahl. Lachender Dritte könnte am Ende der CDU-Kandidat Lukas Krieger sein. Dem Rechtsanwalt rechnet YouGov aktuell die besten Chancen aus, den Wahlkreis zu gewinnen.
WK 94 Köln III: Rolf Mützenich (SPD) gegen Katharina Dröge (Grüne)
Es ist das Duell der Fraktionschefs: Im Wahlkreis Köln III lieferten sich Rolf Mützenich und Katharina Dröge bereits 2021 einen Wettkampf, den Mützenich mit 29,9 zu 28,3 Prozent knapp für sich entschied. Mützenich vertritt den Wahlkreis seit 2002 im Bundestag – damals siegte der Sozialdemokrat noch mit 50,3 Prozent. Seitdem sind die Grünen immer stärker geworden. YouGov geht von einem offenen Rennen mit einer Tendenz zu Dröge aus.
WK 101 Wuppertal I: Helge Lindh (SPD) gegen Thomas Haldenwang (CDU)
Im Wahlkreis Wuppertal I versucht der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, für die CDU in den Bundestag einzuziehen. Sein stärkster Kontrahent ist der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh. Er gewann den Wahlkreis 2021 direkt mit 37,3 Prozent und deutlichem Vorsprung vor der CDU. YouGov sieht die beiden Parteien diesmal auf Augenhöhe mit einem Vorteil für Lindh.
WK 47 Hannover-Land II: Matthias Miersch (SPD) gegen Tilmann Kuban (CDU)
Niedersachsen war 2021 eine SPD-Hochburg: Mit Verteidigungsminister Boris Pistorius, Parteichef Lars Klingbeil, Arbeitsminister Hubertus Heil und Generalsekretär Matthias Miersch bewerben sich am Sonntag vier prominente Sozialdemokraten um ein Direktmandat dort. Besonders eng dürfte das Rennen im Wahlkreis Hannover Land II werden. Miersch trifft dort auf Tilman Kuban, von 2019 bis 2022 Vorsitzender der Jungen Union. YouGov sieht ein offenes Rennen mit Tendenz zu Miersch.
WK 293 Bodensee: Volker Fred Mayer-Lay (CDU) gegen Alice Weidel (AfD)
AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel tritt im Bodenseewahlkreis als Direktkandidatin an. Dort liegt auch Überlingen, wo Weidel wohnt. Vor vier Jahren kam Weidel auf 9,2 Prozent, das Mandat sicherte sich der CDU-Kandidat Volker Fred Mayer-Lay mit 30,4 Prozent. Er tritt erneut an und dürfte ausweislich der YouGov-Schätzung das Mandat erneut holen. Weidel dürfte als Spitzenkandidatin der AfD Baden-Württemberg wieder einziehen.
WK 299 Rottall-Inn: Hubert Aiwanger (FW) gegen Günter Baumgartner (CSU)
Die Freien Wähler versuchen wie die Linke mit dem Gewinn von drei Direktmandaten den erstmaligen Einzug in den Bundestag zu schaffen. Doch die Mission läuft bisher unter dem Radar der Öffentlichkeit, obwohl Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger als stellvertretender bayerischer Ministerpräsident den Wechsel nach Berlin anstrebt.
Niederbayern ist Freie-Wähler-Hochburg, Aiwanger kandidiert im Wahlkreis Rottall-Inn. Sein Gegenkandidat ist Günter Baumgartner, Bürgermeister einer Gemeinde mit 2000 Einwohnern. Neben Aiwanger wollen die Landräte Peter Dreier (Landshut) und Indra Baier-Müller (Oberallgäu) den Einzug in den Bundestag schaffen. Die Meinungsforscher von YouGov sehen in allen Wahlkreisen allerdings die CSU vorn.
Bonus: Schauen Sie auch auf diese Wahlkreise
2021 war Armin Laschet CDU-Kanzlerkandidat, trat aber nicht in einem der beiden Aachener Wahlkreise an. Nun muss er den Wiedereinzug über das Direktmandat schaffen. Die Konkurrenz ist stark, in Aachen I holten die Grünen 2021 das Direktmandat. Da die CDU in NRW möglicherweise mehr Mandate gewinnt als ihr zustehen, ist Laschets Einzug auch bei einem Sieg nicht sicher.
Noch im Juni war Maximilian Krah Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl, jetzt will er mit einem Mandat im Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II in den Bundestag. Wegen möglicher Verbindungen nach Russland und China nahm die AfD-Delegation im Europaparlament Krah nicht auf, in den vergangenen Monaten gehörte Krah keiner Fraktion an. Den Wahlkreis gewann die AfD bereits 2021, auch am Sonntag stehen Krahs Chancen für einen Sieg gut.
Und schließlich der Wahlkreis Pinneberg, bisher vertreten vom SPD-Politiker Ralf Stegner, der erneut antritt: Seit 1953 gewann in dem Wahlkreis stets die Partei das Direktmandat, die auch den Kanzler stellte.