Alice im Elon-Land: Weidel und Musk finden einander sehr, sehr großartig | ABC-Z
Der mächtigste Unternehmer der westlichen Welt und die AfD-Chefin reden mehr als eine Stunde lang auf Elon Musks Plattform X. Das Gespräch führt AfD-Kanzlerkandidatin Weidel erstaunlich souverän. Auch weil Musk ihr erkennbar vor allem eines bieten will: eine Bühne frei von Widerspruch.
Zehn Minuten brauchen der US-Supermilliardär und die erste rechtsradikale Kanzlerkandidatin der bundesrepublikanischen Geschichte, um miteinander warmzuwerden. “Verrückt!”, sei die deutsche Energiepolitik versichern die AfD-Chefin Alice Weidel und Tesla-Boss Elon Musk einander und lachen dabei immer wieder laut. Über eine Stunde sprechen die zwei auf der von Musk kontrollierten Plattform X. Nach Angaben von X hören im Schnitt mindestens 200.000 Nutzer zu. Das ist für ein Live-Gespräch von Musk nicht besonders viel, für Weidel aber ein kaum zu überschätzender Erfolg.
Nicht nur hat sie eine Audienz beim Technik-Papst und neuerdings bestem Trump-Kumpel Musk gewährt bekommen – denn so sind inzwischen die Machtverhältnisse zwischen Politikern und dem reichsten Mann der Welt. Das Gespräch läuft auch richtig gut für Weidel. Ihr Englisch ist für hiesige Spitzenpolitiker hervorragend, stellenweise kommt sie mit Musk richtiggehend ins Plaudern. Zugleich lernen viele deutsche Zuhörer Weidel von einer eher ungewohnten Seite kennen. Wer das immer wieder auch nervös-angespannte Lachen von Weidel nicht irgendwie sympathisch findet, hat entweder selbst noch nie vor einer größeren Gruppe in einer Fremdsprache reden müssen oder aber ein sehr ungesundes Selbstbewusstsein.
“Nur die AfD kann Deutschland retten”
Ferner erhält Weidel noch einmal vor großem Publikum die Wahlempfehlung von Musk, die er schon zuvor auf X und in seinem umstrittenen Gastbeitrag in der “Welt am Sonntag” verbreitet hatte: “Only AfD can save Germany”, sagt Musk nach nicht einmal einer halben Stunde und dann gleich mehrmals – “Nur die AfD kann Deutschland retten”. In dieser Ansicht sehe er sich durch das Gespräch bestätigt. Weidel erscheine als “sehr vernünftige” Person und sie habe “nichts Empörendes vorgeschlagen”. Tatsächlich hat Weidel zu dem Zeitpunkt noch gar nichts vorgetragen, was die AfD mit Deutschland vorhat und tut es auch nicht im weiteren Verlauf.
Sie nutzt die erste Gesprächshälfte lediglich dafür, Musk zu erklären, wie schrecklich die deutsche Energie- und Einwanderungspolitik der vergangenen Jahrzehnte gewesen sei. Es ist dabei auffällig, wie sehr Weidel daran gelegen ist, nicht nur auf SPD und Grüne, sondern insbesondere auch auf die CDU zu schimpfen. Merkel sei Deutschlands erste grüne Regierungschefin gewesen, behauptet Weidel. Später nennt sie die CDU “links-grün” und erklärt ihrem Gesprächspartner, dass es in Deutschland nur die AfD einerseits und die “Kartellparteien” andererseits gebe. Geneigten amerikanischen Zuhörern ohne tiefere Deutschland-Kenntnisse zeichnet Weidel ein Schreckensbild vom Zustand der Bundesrepublik. Ihr Englisch genügt dann aber doch nicht, um derart apokalyptisch zu sprechen wie in vielen ihrer Bundestagsreden.
Widersprüche geschickt umschifft
Vielleicht aber will Weidel das auch gar nicht an diesem Abend. Denn das Terrain ist politisch gar nicht so einfach. In vielen Fragen liegen Musk und Weidels AfD dann doch weit auseinander, umschiffen mögliche Dissense aber geschickt. Als Musk sich als “Fan von Solarenergie” bezeichnet, widerspricht Weidel nicht. Stattdessen loben beide das Potenzial von Kernkraftwerken. Sie lehnen unisono unkontrollierte Einwanderung ab, Musk ist aber sehr wohl für geregelte Einwanderung. Wer schon einmal in der Regionalbahn zwischen Berlin und der Tesla-Fabrik in Grünheide saß, weiß, wie sehr das Werk auch auf Neu-Deutsche setzt – die etwa für Fließband-Jobs eben nicht immer hochqualifiziert sein müssen. Die AfD hatte die Ansiedlung der E-Auto-Fabrik übrigens stets abgelehnt und dagegen mobilisiert.
Auch bei der Frage des Ukraine-Kriegs klingt Weidel ganz anders als so oft: keine Relativierung der russischen Schuld, keine Schuldzuweisungen an den Westen oder die Regierung in Kiew, nur die mitleidige Frage, wann das Sterben dort aufhöre. Musk, der den ukrainischen Streitkräften weiter die überlebenswichtige Nutzung seines Satelliten-Internets Starlink gewährt, kann oder will aber auch auf Weidels Nachfrage hin nicht sagen, wie Donald Trump als US-Präsident den “Konflikt” – der in Wahrheit ein einseitiger Angriffskrieg ist – zeitnah beenden werde.
Die Frau mit der “Maga”-Kappe
Mitgefühl äußert Weidel auch für Trump. Es habe ihr körperlich wehgetan, wie deutsche Politiker und Medien mit dem Republikaner umgegangen seien und was dieser mitsamt seiner Familie habe erleiden müssen. In Weidels Büro liegt eine der roten “Make America Great Again”-Kappen, die zur Grundausstattung eines jeden Trump-Anhängers gehört. Vielleicht erklärt diese Nähe am ehesten das jäh erwachte Interesse von Musk an der AfD. Sie ist die einzige politische Kraft in Deutschland, die sich Trump als Bündnispartner anbietet.
Doch auch das gilt nur bedingt: In einem Interview mit einem rechtskonservativen US-Medium hatte Weidel jüngst ausgeführt, dass die Deutschen “Sklaven” der USA seien. Die von der AfD stets angezweifelte Souveränität Deutschlands wird nicht Thema des Gesprächs zwischen Musk und Weidel. Dafür aber bekommt sie viel Zeit zu erklären, warum die AfD mit dem geistigen Erbe der Nationalsozialisten so gar nichts zu tun habe: Die Nazis seien “Sozialisten” gewesen, sagt Weidel, und: “Er (Adolf Hitler) war Kommunist.” Ihr Beleg: Die Nazis hätten schließlich Unternehmen verstaatlicht und ihr Antisemitismus sei selber Natur wie der Josef Stalins gewesen. Weidel bezeichnet den Antisemitismus als “eine sozialistische Maßnahme”. Als Weidel nach dem Musk-Gespräch zum Interview mit RTL kommt, bekräftigt sie: “Adolf Hitler war ein Linker mit den gleichen Methoden wie heute. Mit Gleichschaltung von Medien, Einschränkung der Meinungsbildung und sonstigen Verboten und Ausgrenzung von anderen Meinungen.”
Eine Stunde ohne Widerspruch
Ebenso krude wie dieses Geschichtsbild ist wohl Weidels Behauptung, die AfD sei die einzige Partei, die Juden in Deutschland schütze. Der Zentralrat der Juden sieht das seit Jahren komplett anders, aber davon weiß Musk naturgemäß nichts – oder will es eben auch gar nicht wissen. Das ist dann auch der entscheidende Unterschied zu anderen Medienauftritten, die Weidel gewohnt ist: “Es ist eine neue Situation für mich, dass ich frei reden kann, ohne dass ich unterbrochen oder in einem negativen Rahmen dargestellt werde”, freut sich Weidel schon nach wenigen Minuten des Gesprächs.
Widerspruch durch Musk gibt es tatsächlich nicht. Wie sollte er auch wissen, dass in Deutschland nicht – wie von Weidel behauptet – mindestens sieben Millionen Menschen eingewandert sind seit 2015? Wie sollte Musk widersprechen, wenn Weidel sagt, Merkel habe Deutschland vollständig auf Wind- und Solarkraft umstellen wollen? Warum soll er sich nicht beeindruckt zeigen, wenn Weidel sagt, an Deutschlands Schulen würden nur noch ausschließlich “Gender-Sachen” gelehrt und Deutschland gesamtes Steuergeld für Sozialleistungen an Flüchtlinge ausgegeben? (Es ist dabei nicht ganz unpraktisch, dass Weidel Falschbehauptungen im Nachhinein als Übersetzungsfehler relativieren kann.)
Und warum sollte Musk überhaupt Behauptungen anzweifeln, die Weidel im Gespräch streut? Das hat er auch nicht getan, als er im Sommer mit Verve den US-Präsidentschaftskandidaten Trump zu unterstützen begann und diesem im selben Gesprächsformat auf X zu immenser Reichweite verhalf. Wohlgemerkt, nachdem Trump wegen Kapitol-Sturms dort lange verbannt war. Gegen Ende befragt Weidel noch Musk zu dessen Mars-Besiedlungsplänen und seinem Glauben an Gott. Kurz: In zwei Jahren sollen die ersten unbemannten SpaceX-Raketen auf dem Mars landen und Musk sei “absolut offen für die Idee eines Gottes”. Weidel zeigt sich beeindruckt und gibt sich selbst als Agnostikerin zu erkennen. Nach etwas mehr als einer Stunde beendet sie das Gespräch, ihr falle kein Thema mehr ein. “Es war wunderbar, mit dir zu sprechen”, verabschiedet Weidel ihren Gastgeber Musk. Kein Zweifel, dass dieser Termin der AfD-Kanzlerkandidatin viel Freude bereitet hat.