Algen, Insekten oder vegan: Das sind die Food Trends auf der Grünen Woche | ABC-Z
Algen, Insekten oder vegan
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Das sind die Food Trends auf der Grünen Woche
So 19.01.25 | 10:51 Uhr | Von
Sie gleicht einem riesigen Wochenmarkt: Mit 800 Essensständen zählt die Grüne Woche in Berlin zur größten Ernährungsmesse der Welt. Lassen sich hier die Trends in der Ernährung ablesen? Von Sören Hinze
„Ich bin eine Person, die Lebensmittel liebt und genießt“, sagt Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverband: „aber die Vielfalt macht’s.“ Die Vielfalt ist das Kernangebot der Grüne Woche: 20 Hallen rund ums Essen und Trinken – aus Deutschland und dem Rest der Welt. Dazwischen immer wieder wilde Kreationen und unübliche Spezialitäten: Elch- und Rentiersalami aus Skandinavien, Mehlwürmchen im Schokoladenmantel oder Algenbrötchen aus Mecklenburg-Vorpommern.
Pluspunkte für vegane Alternativen
Nur wenn er nach Berlin kommt, isst er eine Currywurst. Auf der Grünen Woche probiert er zum ersten Mal die vegane Alternative. „Könnte ein bisschen fester sein. Ne, die schmeckt echt ganz gut. Allein schon, um bei meine vegetarischen Tochter Pluspunkte zu sammeln“, urteilt der Messebesucher aus Süddeutschland. Und fügt lobend hinzu: „Die kann man essen.“
Neben den „mit Darm“ grillen die „ohne Darm“ und separat vom Fleisch brutzeln vegane Currywürste: Auch der Berliner Kultimbiss Curry36 hat einen Stand auf der Grünen Messe. „Einige sind Vegetarier oder Veganer. Die essen das Fleisch nicht. Und für die ist es eine Alternative – und kein Konkurrenzprodukt“, sagt der Chef des Curry36-Stands. Er und sein Team haben alle Hände voll zu tun. Selbst auf der Grünen Woche ist die Currywurst ein Evergreen.
Skurrilitäten aus Skandinavien
Am anderen Ende der Messe gibt es Eiscreme. Der schwedische Bio-Bauernhof Mossagarden hat an seinem Stand eine kleine Eistruhe aufgebaut. Es gibt die Sorten Preiselbeere, Karotte und Rhabarber. „We make the ice cream, that schmeckts lecker lecker lecker“, sagt die schwedische Standbetreiberin. Es sei eine Eiskreation für alle, weil sie vegan ist. „Schmeckt sehr gut“, findet ein Messebesucher: „Was ist das?“ Es ist Eiscreme aus Hanfsamen. Produziert und angebaut auf der eigenen Farm in Südschweden. „Schmeckt nicht wie herkömmliches Eis. Eher etwas grobkörnig, aber sehr gut“, sagt der interessierte Tester.
Außerdem vertreten in den internationalen Hallen der Messe: Würmer und Heuschrecken. An die trauen sich die Wenigsten ran. Das Unternehmen „Worm Up“ aus Tschechien macht Werbung für die Proteinquelle der etwas anderen Art: „Wir wissen sehr gut, wie schwierig es ist, den anfänglichen Widerstand zu überwinden, den Insekten in uns hervorrufen. Aber fast niemand bereut es, sie probiert zu haben.“ Zwei Euro kosten ein Shotbecher gefüllt mit frittierten Würmern: mit Schoko- oder Knoblauchgeschmack.
Nicht ganz so gnadenlos werden die Insekten an einem anderen Stand angeboten. Sie sehen aus wie Mini-Schok-Flips. Es sind aber Mehlwürmer im Schokoladenmantel. Das Auge isst mit. Zwischen vielen skeptischen blicken, greift eine Besucherin doch zu und probiert zum ersten Mal Würmer: „Lecker! Man kann das essen. Ist wie eine kleine Süßigkeit. Also von einem Insekt schmecke ich da nichts.
Essbare Insekten seien eine exzellente Quelle von Omega-3-Fettsäuren, B-Vitaminen und wichtigen Mineralstoffen, heißt es von der Bundesregierung und der Verbraucherschutzzentrale. Insekten seien reich an einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Außerdem haben sie ähnlich viel Protein wie das Fleisch von Rind, Schwein oder Pute.
Wir erleben eine „Proteinwende“
Tierische Produkte werden mehr und mehr durch pflanzliche Produkte ergänzt. Diese Entwicklung nennen Experten „Proteinwende“. Unter diesen Begriff fallen auch Angebote wie vegetarisches Fleisch aus fermentierten Pilzprotein oder vegane Schokolade aus Milchalternative wie Kokosnussöl, Soja- oder Hafermilch. Und die gibt es zum Probieren im „Free-From-Bereich“ in der Streetfood-Halle 1.2a. Hier gibt es auch veganen Käse mit Trüffeln. Er wird aus Kokosfett hergestellt. „Schmeckt viel besser als sonstiger veganer Käse, den ich schon probiert habe“, findet eine Besucherin.
Einfallsloser oder fader Geschmack sind selten auf der Grünen Woche – auch wenn etwas Grundsätzliches fehlt. Das gilt auch für den alkoholfreien Secco von Sauerweins Weingut. Seit über 30 Jahren auf der Grünen Woche. „Ich merke auf vielen Veranstaltungen, dass immer mehr alkoholfreie Sachen getrunken werden“, sagt Christian du Toit-Schmidt, Weinexperte des Unternehmens. Schön trocken und nicht zu süß, dass da kein Alkohol drinnen ist, merke man nicht direkt, urteilen Besucher an seinem Stand. Es geht also auch ohne.
Besonders beliebt: Regionalität und Qualität
Kurze Lieferketten kommen bei Konsumenten gut an. Zwei von drei Kunden erwarten, dass sie im Einzelhandel regionale Produkte bekommen. Das geht aus dem Handelsreport 2024 vom Deutschen Handelsverband hervor. Dem folgt auch Fast-Food Gigant McDonalds. „Der Trend bei uns geht dahin, wo der gesellschaftliche Trend hingeht“, erklärt McDonalds Unternehmenssprecher Marcel Weiß auf der Grünen Woche dem rbb. Regionalität sei “ganz wichtig”. 100 Prozent des Rindfleisches stamme aus Deutschland.
Mitte 2024 ist McDonalds der Initiative Tierwohl beigetreten. Ein Bündnis der deutschen Fleischindustrie. Mittlerweile serviert der Konzern in Deutschland nur noch Schweinefleisch aus Haltungstufe 2 (Stallhaltung Plus). Kühe und Hühner sollen Folge. „Plant-Based“ also fleischfreie Alternativen hat McDonalds schon länger im Sortiment. „Auch für diese zugegebenerweise eher kleinere Zielgruppe, versuchen wir was im Angebot zu haben“, sagt Weiß.
Grüne Woche: Hauptsache es schmeckt
Die Zukunft schmecke sehr vielfältig, so Manon Struck-Pacyna -Pressesprecherin vom Lebensmittelverband Deutschland. „Wir werden auch in Zukunft weiter Fleisch essen“ Zugleich müsse man aber auch – in Anbetracht der wachsenden Weltbevölkerung – in alle Richtungen denken. „Um auch in Zukunft die Lebensmittelversorgung zu sichern.“
Pflanzlichen Proteinquellen könnten bald durch Eiweiße aus Bioreaktoren ergänzt werden. Aber Fleisch und Käse aus dem Labor falle unter die Novel-Food-Verordnung und sei noch nicht zugelassen, so die Pressesprecherin.
Insgesamt dominieren traditionell und altbewährte Lebensmittel auf der Grünen Woche. Dazwischen aber immer wieder: Pilzvariationen, alternative Proteine, fermentiertes, zuckerfreies oder veganes Essen. Ob die sich durchsetzen, können am Ende die persönlichen Vorlieben entscheiden. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten – oder aber einfach verschiedenes akzeptieren und durchprobieren.