Aktion gegen den plötzlichen Herztod bei Jugendlichen – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Es passiert an einem Freitag im Februar, beim Training der B-Jugend des TSV Ottobeuren. Acacio, 16, will sich nach einem 15-minütigen Lauf die Schuhe ausziehen. Da wird ihm schwindelig. Dann schwarz vor Augen. Danach hat er einen Filmriss, erinnert sich an nichts mehr. Der junge Fußballer bleibt mit Herzstillstand reglos auf dem Boden liegen. Mitspieler eilen herbei. Arcacios großes Glück: Sein Trainer ist ausgebildeter Arzt. Durch sein beherztes Eingreifen holt er den bewusstlosen Teenager wieder zurück ins Leben. Als Ursache stellt sich später eine „fehlangelegte“ Herzkranzarterie heraus, die im Münchner Klinikum Großhadern operiert wird. Niemand im Umfeld des Teenagers, weder Familie noch Kinderarzt, hatte etwas von dieser tickenden Zeitbombe geahnt. Denn bei den kostenlosen U-Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen fehlt ein Routine-Check des Herzens.
Der 27-jährige uruguayische Fußballprofi Juan Izquierdo hatte nicht so viel Glück. Er starb im vergangenen Sommer, nachdem er in der 84. Spielminute mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand bewusstlos zusammengesackt war. Schockierend und quasi live übertragen in alle Welt wurde der Zusammenbruch des damals 29-jährigen dänischen Nationalspielers Christian Eriksen bei der Fußball-Europameisterschaft 2021. Nach fünf Minuten konnten ihn die Notärzte wiederbeleben. Ursache war, wie sich herausstellte, eine erblich bedingte Verdickung des Herzmuskels.
Durch eine entsprechende Vorsorge könnten viel mehr Leben gerettet werden – von jungen wie auch älteren Menschen. Für die Notwendigkeit vorbeugender Untersuchungen sensibilisieren sollen die Herzwochen an Schulen in der Münchner Region. „Ich will anderen Eltern dieses Schicksal ersparen“, erklärt Manfred May, Gründer der Nicolas-May-Stiftung und Initiator des Präventionsprojekts. Im Januar 2022 war auch sein 14-jähriger Sohn Nicolas plötzlich an einer unerkannten Herzmuskel-Erkrankung gestorben. Zusammen mit Nikolaus Haas, dem Leiter der Kinderkardiologie an der Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität in Großhadern, der Acacio erfolgreich operiert hat, kämpft er für schlagende Kinderherzen. „Noch ist es ein langer Weg bis zu einer kostenlosen U-Untersuchung“, so Manfred May.
Ursache für den plötzlichen Herzstillstand sind in jungen Jahren vor allem angeborene Herzfehler, Erkrankungen des Herzmuskels, der Herzklappen, der Herzkranzgefäße oder der Hauptschlagader. Auch eine Herzrhythmusstörung als Folge einer akuten oder übergangenen Herzmuskelentzündung kann Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand sein. Bei Über-40-Jährigen sind es hingegen häufiger unerkannte Herzgefäßerkrankungen. So verstopfen etwa Blutgerinnsel die Herzarterie. Die Folge kann ein Herzinfarkt und im schlimmsten Fall ein plötzlicher Herztod sein.
Auch wenn der „Sekundenherztod“ plötzlich und nicht selten im Schlaf eintritt, kann es laut Deutscher Herzstiftung Alarmsignale geben. Ein Großteil der Überlebenden eines plötzlichen Herztods berichtet nach erfolgreicher Wiederbelebung von Herzrasen, Atemnot, Brustschmerz, Schwindelattacken und kurzer Bewusstlosigkeit oder Schwarzwerden vor den Augen.
Im April vor einem Jahr begann die wissenschaftliche Studie „Hand aufs Herz“ an der Orlando-di-Lasso-Realschule in Maisach, die Nicolas May selbst besucht hatte. Anmelden konnten sich dafür Personen im Alter zwischen acht und 25 Jahren. Aktuell sind mehr als tausend Teilnehmer in Maisach anonymisiert registriert. Mittlerweile hat das Team der LMU auch Schulen in Oberhaching und Fürstenfeldbruck besucht und insgesamt fast 2000 Kinder untersucht. Bei etwa zwölf Prozent wurden Auffälligkeiten entdeckt, bei drei Kindern sogar gravierende Probleme. Ziel ist es, bis 2029 mindestens 10 000 Kinder und Jugendliche zu untersuchen. Bereits eingeplant sind das Olchinger Gymnasium und das Graf-Rasso-Gymnasium in Fürstenfeldbruck.
Ein bis zwei Jugendliche sterben Tag für Tag in Deutschland am plötzlichen Herztod
Ein bis zwei Jugendliche unter 18 Jahren sterben in Deutschland am plötzlichen Herztod – pro Tag! „Wenn wir auch nur ein Kind durch eine Vorsorgeuntersuchung retten können, dann wäre Nics Tod nicht ganz umsonst gewesen“, sagt Manfred May. Etwa 400 Euro kostet eine genauere Untersuchung des Kindes auf Erkrankungen des Herzens. Auf die Anamnese folgt die körperliche Begutachtung. Dabei wird der Oberkörper abgeklopft, mit dem Stethoskop werden Herz und Lunge abgehört. Die Kinder werden gemessen, gewogen, der Anteil der Muskelmasse vom Körpergewicht wird berechnet, die Lungenfunktion getestet, ein EKG und ein Herzultraschall gemacht sowie Blut entnommen. Zudem wird die Körperkraft geprüft und die Kinder und Jugendlichen müssen innerhalb einer gewissen Zeit Treppen steigen. Ein Check, der Leben retten kann.
Ein Förderer der Stiftung ist die Aktion Sternstunden des Bayerischen Rundfunks. Bei einer Feier in der Turnhalle des Olchinger Gymnasiums wird Schirmherr und Schauspieler Max von Thun am Mittwoch, 25. Juni, für die Stiftung einen Scheck über 300.000 Euro entgegennehmen. Begleitet wird er von weiteren Förderern der Stiftung: Schauspieler Sepp Schauer und seiner Frau Corinna Binzer, die von der Serie „Dahoam is Dahoam“ bekannten Gitti Walbrun, Anita Eichorn, Christiane Reimer und Bernhard Ulrich. Ganz besonders freuen sich Stiftungsgründer Manfred May und Professor Nikolaus Haas, dass Acacio, der mittlerweile schon wieder Fußball spielt, berichten will. Von seiner erfolgreichen Reanimation. Von der Operation. Und von seinem großen Glück, normal und ohne bleibende Folgeschäden weiterleben zu können.