Aigner stellt Studie vor: So ticken die Bayern in Sachen Demokratie – Bayern | ABC-Z

Mehr als ein Drittel der Bevölkerung in Bayern legt großen Wert darauf, dass die Menschen in ihrem privaten und beruflichen Umfeld politisch ähnlich denken wie sie selbst. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap hervor, die Teil des neuen Demokratie-Reports im Auftrag des bayerischen Landtags ist. Darin sagten 36 Prozent der Befragten, dass ihnen diese Homogenität im Umfeld „außerordentlich wichtig“ ist. Noch höher liegt der Wert bei jungen Menschen unter 34 Jahren und bei den befragten Frauen (jeweils 41 Prozent). Einen Schritt weiter gehen und politisch Andersdenkende aus ihrem Umfeld aktiv ausschließen – das befürworten aber nur 17 Prozent aller Befragten.
Ist dies ein statistischer Nachweis der zunehmenden Spaltung im Land, einer Polarisierung der Gesellschaft? Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die am Mittwoch den umfangreichen Report mit dem Studienmacher Roberto Heinrich vorstellte, strich die positive Erkenntnis heraus: Eine deutliche Mehrheit wolle nach wie vor mit politisch Andersdenkenden ins Gespräch kommen. Das sei auch eine „Absage an die Filterblase“ und als „Bekenntnis zum Pluralismus“ zu verstehen; passend zum bayerischen Leitmotto „Leben und leben lassen“. Es sei wichtig, so Aigner, sich gegenseitig zuzuhören, mit der Grundhaltung, dass man auch mal danebenliegen könne. Eine klare Grenze sei allerdings bei Verachtung und Herabwürdigung zu ziehen.
Der Demokratie-Report mit Fragen zur politischen Kultur im Freistaat erscheint zum zweiten Mal, nach der Premiere im Jahr 2024. Es sei „eine echte Bestandsaufnahme“, wie es um Demokratie und Zusammenhalt bestellt sei, wie die Menschen in Bayern „ticken“ sagte Aigner. Und es sei eben keine Abfrage von Präferenzen für Parteien oder von Zufriedenheit mit Politikern wie in klassischen Umfragen. Heinrich ergänzte: Während derlei Erhebungen im Osten der Republik etabliert seien, um seit dem Ende der DDR deren Folgen zu vermessen, gebe es in den alten Bundesländern nur wenige Studien zur politischen Kultur.
Für den Report befragt wurde in der zweiten Septemberhälfte eine nach soziodemografischen Merkmalen gewichtete Gruppe von 1011 Menschen, telefonisch und in Online-Interviews.
Das Gesamtfazit in den Worten von Roberto Heinrich: Es gebe „keine Belege, dass sich größere Bevölkerungsgruppen wegbewegen von der Demokratie als Ordnungssystem“. Ilse Aigner sagte: In Zeiten, in denen vieles ins Wanken zu geraten scheint, bleiben die Menschen in Bayern „ihrem Wertekompass treu“ – trotz Krisen und Kriegen, trotz Sorgen wegen der wirtschaftlichen Lage oder der Sicherheit. Es gebe in Sachen Demokratie „keinen Grund, schwarzzusehen“.
Gut acht von zehn Bayern (83 Prozent) ist es sehr wichtig, demokratisch regiert zu werden, weiteren 15 Prozent ist es wichtig. Nur ein minimaler Anteil von zwei Prozent stuft den politischen Herrschaftsrahmen als für sich persönlich unbedeutend ein.
Mit dem konkreten Funktionieren der Demokratie in Bayern sind 71 Prozent der Befragten zufrieden; auf den Bund bezogen sind es 61 Prozent. Nach dem Regierungswechsel in Berlin bewerten die bayerischen Wahlberechtigten die Praxis im Bund dabei etwas besser als im Vorjahr, in Bayern fällt die Bewertung leicht schlechter aus.
Allerdings erhält die Bundespolitik in einer anderen Frage ein mediokres Urteil. Dass sich die politischen Debatten im Bundestag mit Themen beschäftigen, die der Bevölkerung wichtig sind, findet von den Befragten im Freistaat nur etwa jeder Zweite (49 Prozent). Die bayerische Landespolitik kommt bei der Frage auf 62 Prozent. Auch „kritische Demokraten“ – eine Kategorie in der Studie – seien „nicht automatisch Systemgegner“, sagte Aigner. Sondern sie seien empfänglich für Gespräche abseits der Filterblasen, für eine offene Debatte und Argumente. Darin liege „eine gigantische Chance“.
Angekratzt ist das Vertrauen in bestimmte Institutionen; nicht nur bei dieser Umfrage, sondern etwa mit Blick auf die Parteien schon fast traditionell in der Meinungsforschung. Heinrich nennt sie die „Einzelbauteile der Demokratie“. 83 Prozent der Befragten haben sehr großes oder großes Vertrauen in die Polizei, 70 Prozent in Stadt- und Gemeindeverwaltungen, 65 Prozent in die Justiz. Bei den dezidiert politischen Instituten gilt der Landtag immerhin jedem Zweiten (52 Prozent) als vertrauenswürdig, büßte aber etwas an Zustimmung ein. Die Staatsregierung genießt das Vertrauen von 46 Prozent der Menschen, die politischen Parteien von 35 Prozent.
Echte Namen in sozialen Netzwerken? 64 Prozent sind dafür
Aigner zeigte sich unglücklich über den Wert für das von ihr geleitete Parlament. „Der Landtag muss noch stärker als Ort der Problemlösung wahrgenommen werden, nicht nur als Bühne“, sagte sie. Fraglich sei, ob die „Schnipsel“ aus Landtagsdebatten mit sehr viel „Empörung und Skandalisierung“, wie sie in den sozialen Netzwerken kursierten, dazu beitragen. Die Studie zeigte aber auch, dass viele Befragten zum Landtag keine Angaben machten, also wohl Informationen über die Legislative fehlen. Aigner möchte die Präsenz des Landtags in der Gesellschaft verstärken. Bisher geschieht dies schon durch Projekte und Veranstaltungen an vielen Orten in Bayern.
Weitere Ergebnisse der Studie: 67 Prozent der Befragten sagten, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland gewährleistet sei, 32 haben hier Zweifel oder finden das dezidiert nicht. 64 Prozent befürworten eine Pflicht zu Klarnamen in sozialen Netzwerken; hierbei wäre jeder Nutzer verpflichtet, seinen richtigen Namen sichtbar zu machen. Bei jungen Erwachsenen unter 34 Jahren findet diese Idee aber deutlich weniger Anklang – nur 48 Prozent in dieser Gruppe sind dafür.





















