„Ähnlich denkende Psychopathen“: Orban zeigt Trump, wie ein Staatsumbau gehen kann | ABC-Z
Orban und Trump sangen schon Lobeshymnen übereinander. Die gute Beziehung ist für den künftigen US-Präsidenten praktisch: Ungarns Regierungschef liefert ihm eine Blaupause dafür, wie er die USA komplett umkrempeln könnte.
Auf dem Anwesen von Viktor Orbans Vater steht ein Denkmal, das an das Golfspiel seines Sohns mit Donald Trump erinnert. In einer Glasvitrine, mit Kunstrasen ausgelegt, wird dort ein Golfschläger-Set ausgestellt, das Ungarns Ministerpräsidenten bei einem Besuch von Trumps Anlage in Florida benutzte. Eine weiße Aufschrift „Trump National Golf Club“ ziert die schwarze Tasche. Ein Foto an der Wand dahinter zeigt den künftigen US-Präsidenten dabei, wie er Orban das Set überreicht.
Die Vitrine mit den Schlägern steht im Restaurant eines anderen Golfclubs, in Ungarn. Ihn erbaute Orbans Vater Gyözö ab 2010, Orbans Schwiegersohn István Tiborcz mietet ihn. Der Club befindet sich 40 Kilometer westlich von Budapest auf dem früheren Anwesen Hatvanpuszta des Erzherzogs Joseph von Österreich. 1840 erbaut, diente es der Habsburger Monarchie einst als Mustergut für die Entwicklung der Landwirtschaft. In den vergangenen Jahren wurde es in ungarischen Medien zum Sinnbild für den Reichtum des Familien- und Freundeskreises um Ministerpräsident Orban.
Das skurril anmutende Denkmal fotografierte Ákos Hadházy, als er dem Golfclub von Orbans Familie in Hatvanpuszta einen Besuch abstattete. „Die Bewunderung von Trump und Orban füreinander könnte echt sein, denn sie sind beide Psychopathen, die ähnlich denken“, sagt er. Hadházy war bis 2013 Abgeordneter von Orbans Regierungspartei Fidesz. Inzwischen sitzt er als parteiloser Oppositionspolitiker im ungarischen Parlament, wo er Korruptionsskandale aufdeckt.
„Ungarn ist verloren“
Die Vitrine ist für Hadházy mehr als nur ein Symbol für die Freundschaft zweier Politiker. Orbans Umbau des ungarischen Staats in eine Autokratie könne Trump als Vorbild dienen, so Hadházys Überzeugung. Orban hat in den vergangenen Jahren die Justiz unter Kontrolle gebracht, die Medien größtenteils gleichgeschaltet und eine Oligarchie errichtet, die Vetternwirtschaft unter seinen Vertrauten fördert. Im EU-weiten Vergleich belegt Ungarn im Korruptionsindex der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) den letzten Platz. Wie Orban systematisch öffentliche Aufträge an Unternehmen seiner Vertrauten vergibt, ist in den Schwarzbüchern von TI ausführlich belegt. „Ungarn ist verloren“, lautet Hadházys Fazit.
Möglich wäre, dass Orbans Vorgehen zu einer Blaupause für Trump wird, um die Regierung nach seinen Wünschen umzubauen. Neben dem scheidenden Präsidenten Joe Biden warnen auch Experten vor dem Abrutschen der USA in eine Oligarchie; gesteuert von einer Handvoll Tech-Milliardären und einem Präsidenten, der sie gewähren lässt. So soll etwa Tesla-Chef Elon Musk als reichster Mann der Welt Trump als Berater für Regierungseffizienz dabei helfen, die Axt am Staat anzulegen.
„Ungarn hat einen Fahrplan für die Autokratie geliefert. Die Republikaner in den USA haben tatsächlich daraus gelernt und ihn an den amerikanischen Kontext angepasst“, schreiben Jeremy Shapiro und Zsusanna Vegh in einer Studie für den European Council on Foreign Relations (ECFR). Shapiro war von 2009 bis 2013 im US-Außenministerium als Berater tätig, heute ist er Forschungsdirektor des ECFR.
„Orbanisierung“ der USA befürchtet
Die beiden Autoren attestieren Trumps Umfeld eine stärkere Verbundenheit zu Orbans Vertrauten als zu anderen europäischen Rechtspopulisten in Österreich, Italien, Polen oder der Slowakei. Obwohl die Vereinigten Staaten eine viel längere demokratische Geschichte und etabliertere Institutionen hätten, verfüge die Trump-Regierung in ihrer nunmehr zweiten Amtszeit über die notwendigen Ideen und Hebel, um die USA institutionell komplett umzubauen. Falls sie es darauf anlegen sollte.
Trump und seine Vertrauten wüssten nun, wie sie eine nahezu allmächtige Präsidentschaft aufbauen, die den Kongress auf Linie bringen, die Medien und die Zivilgesellschaft beherrschen und die Justiz erheblich einschüchtern könnte, analysieren die Autoren weiter. Sie fürchten gar eine „Orbanisierung“ der USA: „Die Republikaner müssen vermutlich viele von Orbans Techniken an die US-amerikanischen Gegebenheiten anpassen, um der aus ihrer Sicht zu liberalen Kontrolle des ‚Verwaltungsstaats‘ und der Zivilgesellschaft ein Ende zu setzen.“
Falls Orban und Trump eng zusammenarbeiten, könnte das fatale Folgen haben; sowohl für die anderen EU-Mitgliedstaaten als auch für die Ukraine. Trump drängt auf ein schnelles Ende des russischen Angriffskriegs. Er kokettiert mit seinen angeblich guten Beziehungen zu Präsident Wladimir Putin. Die Ukraine könnte er unter Druck setzen, einem Diktatfrieden nach Putins Geschmack zuzustimmen, indem er die Militärhilfen zurückfährt. Trump sagte bereits, Kiew müsse „wahrscheinlich“ mit weniger Zahlungen aus Washington rechnen.
Trump nennt Orban „besten Anführer“
Orban wiederum kann auf der anderen Seite des Atlantiks in der Europäischen Union Unruhe stiften. In Brüssel agiert er nicht selten wie eine Marionette Putins. Im Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs blockiert Orban regelmäßig Beschlüsse zur Ukraine, womit er Putin hilft.
Künftig könnte Orban im Rat in Brüssel auch im Sinne Trumps handeln. Falls Trump etwa seine Drohungen wahr macht und Zölle gegen die EU erhebt, könnte Orban sich gegen jegliche Vergeltungsmaßnahmen aus Brüssel sperren. Nicht zuletzt verbindet Trump und Orban auch ein Wirtschaftsbild, das auf Abschottung setzt. Orban mobbt jetzt schon ausländische Unternehmen aus dem ungarischen Markt, um Geschäftszweige unter seinen Gefolgsleuten aufzuteilen. Auch Trump verfolgt unter seinem Motto „Make America Great Again“ das erklärte Ziel, nationale Interessen auf Kosten globaler Handelsbeziehungen durchzusetzen.
So ist es wohl kein Zufall, dass Orban als Motto für Ungarns sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft den Slogan „Make Europe Great Again“ wählte. Gleich zu Beginn im Juli begab sich Orban mit dem Slogan auf eine von ihm sogenannte „Friedensmission“ nach Kiew, Moskau und Peking – angeblich, um eine Lösung für den Krieg in der Ukraine zu finden. Die europäischen Amtskollegen brüskierte er, als er, in Moskau angekommen, Putin auf Fotos freudestrahlend die Hand schüttelte. Biden düpierte er, indem er nicht etwa ihn als amtierenden Präsidenten besuchte, sondern Trump in Mar-a-Lago. Anschließend ergingen sich beide in Lobeshymnen übereinander.
Es war nicht der erste Besuch Orbans im vergangenen Jahr. Bereits im März hatte er Trump auf dessen Anwesen in Florida getroffen. Damals bezeichnete Orban seinen Gastgeber als „Präsidenten des Friedens“, während der Amerikaner den Ungarn als „besten Anführer“ überhaupt rühmte. Sicherlich hatten die beiden auch die Gelegenheit, ihre gegenseitige Bewunderung in intimer Atmosphäre zum Ausdruck zu bringen. Bei einer Runde Golf in Mar-a-Lago.