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Advent und Weihnachten im KZ Dachau: Musikalische Lesung – Dachau | ABC-Z

Der dritte Adventssonntag heißt im kirchlichen Sprachgebrauch „Gaudete – Freuet euch“. Auch in der bescheidenen, schlichten Klosterkirche des Dachauer Karmel Heilig Blut ist die Stimmung an diesem Sonntagnachmittag voller Erwartung auf eine musikalische Lesung zu „Advent und Weihnachten im KZ Dachau“ mit Texten von Zeitzeugen. Doch bei der Nachricht vom schrecklichen antisemitischen Attentat in Sidney legt sich von einer Sekunde zur anderen eine düstere Schwere über das Geschehen. Ungläubiges Kopfschütteln, betroffene, hilflose Blicke überall. Man mag es einfach nicht glauben, dass in den geschützten Raum dieses sehr besonderen Gotteshauses die Gräuel des Terrors so rabiat einbrechen können.

Umso aufmerksamer, ja fast begierig lauscht das Publikum wenig später den kurzen biografischen Notizen von Pfarrer Björn Mensing und der einfühlsamen Lesung aus Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen gefangener Geistlicher von Sprecherin Conny Glogger. Die sich immer wieder ins Sphärische schwingenden Töne von Harfenistin Olivia Neuhauser und die empfindsame Liedauswahl des Klassik-Chors München unter der Leitung von Clayton Bowmann machen die von tiefer Gläubigkeit, von Gottvertrauen, aber auch von Not und Zweifel geprägten Texte zu einer unüberhörbaren Botschaft.

Texte aus Briefen, Tagebüchern und Aufzeichnungen trug Sprecherin Conny Glogger in der musikalischen Lesung „Advent und Weihnachten im KZ Dachau“ vor. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Pastoralreferentin Judith Einsiedel von der Katholischen Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte, Pfarrer Björn Mensing von der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte und nicht zuletzt die Ordensfrauen des unmittelbar an die Gedenkstätte angrenzenden Klosters der Unbeschuhten Karmelitinnen hatten diese stimmige Lesung mit Musik vorbereitet. Zu Wort kamen zahlreiche Geistliche, die teils jahrelang im sogenannten Priesterblock, den Baracken 26, 28 und 30, gefangen gehalten und gequält wurden. Wie sie Advent und Weihnachten mit spärlichsten Mitteln und unter den Schikanen der SS-Schergen feierten, lässt das Kopfkino anspringen und die Gedanken zu den unmenschlichen Bedingungen von Kriegen, Terror und bewaffneten Konflikten weltweit springen.

Da ist das fast verzweifelte „Was ist aus unserem Warten geworden … wir sind ratlos, ob das Leben überhaupt des Wartens wert ist“ aus der Silvesterpredigt 1944 des evangelischen Pfarrers Martin Niemöller. „Wie kann man das nur durchhalten?“, fragt ein älterer Mann leise. Ein jüngeres Paar ist sichtlich beeindruckt von den Hafterinnerungen des polnischen Jesuitenpaters Adam Kozłowiecki. Er berichtet vom Weihnachtsessen, bestehend aus drei Kartoffeln, einem Stück Brot und etwas Margarine, von einer heimlich aus Margarine hergestellten Kerze, die Licht ins Dunkel des Weihnachtsfestes 1941 bringt. „Und wir?“, fragt die junge Frau etwas ratlos und leicht verlegen.

Der Benediktinerpater Gregor Schwake komponierte auch während seiner Haft im KZ Dachau. Von ihm stammt die „Dachau-Messe“. Er spielte Harmonium, leitete den Priesterchor in Baracke 26 und gestaltete die heimliche Priesterweihe von Karl Leitner musikalisch. Alfred Berchtolds Erinnerungen an Weihnachten 1938 sind von den Quälereien der SS überschattet. 25 Hiebe und 42 Tage Bunker drohten, wenn streng verbotene Gespräche mit religiösem Inhalt entdeckt werden. Das ficht den jungen Kaplan aber nicht an. Er spricht seinen Weihnachtssegen: „Nicht Befreiung dürfen wir vom Friedenskönig der Weihnacht erwarten. Wir werden uns weiter dahinschleppen unter dem Kreuz des geschundenen, gequälten Häftlingslebens, vielleicht Jahre noch. Aber in unserer Brust will er ein stilles Flämmchen des Glücks entzünden.“ Ein im besten Sinne frommer Weihnachtswunsch.

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