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„Ach, hör‘ mir auf“: FC-Bayern-Legende Sepp Maier findet bei der Neuer-Diskussion deutliche Worte | ABC-Z

AZ: Herr Maier, nach seinem Patzer im letzten EM-Test beim 2:1 gegen Griechenland wurde Nationaltorhüter Manuel Neuer von Experten, Medien und Fans scharf kritisiert. DFB-Sportdirektor Rudi Völler verteidigte den 38-Jährigen vehement. Wenige Tage vor dem EM-Eröffnungsspiel am Freitag gegen Schottland beschäftigt eine Torhüter-Diskussion die Schlagzeilen. Soll oder muss Neuer für Marc-André ter Stegen Platz machen?
SEPP MAIER: Das kommt meiner Meinung nach zur absoluten Unzeit. Manuel ist die Nummer eins, er gehört ins Tor. Man darf seine Klasse nicht plötzlich infrage stellen. Fehler wurden und werden immer gemacht – was nach einer so langwierigen Verletzungspause auch ganz normal ist. Er hat so viel Qualität und Erfahrung. Man kann doch einen Torhüter wie Manuel, der beinahe zwei Jahrzehnte Weltklasse gehalten hat, jetzt nicht verteufeln.

Sie kennen Manuel gut, sind befreundet, haben sich erst im Februar zu einem längeren Interview samt Videodreh beim FC Bayern getroffen. Wie sehr nagen Fehler an Neuers Selbstvertrauen?
Er bleibt locker und cool, macht sich da nicht verrückt. Ich bin mir sicher: Er spielt ein gutes, nein: ein sehr gutes Turnier. Er soll sich bloß nicht durcheinanderbringen lassen.

Feierte im Februar seinen 80. Geburtstag: Bayern-Legende Sepp Maier.
Feierte im Februar seinen 80. Geburtstag: Bayern-Legende Sepp Maier.
© IMAGO/Frank Hoermann
Feierte im Februar seinen 80. Geburtstag: Bayern-Legende Sepp Maier.

von IMAGO/Frank Hoermann

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Sepp Maier: „Manuel weiß selbst, dass er Fehler gemacht hat“

Etwa von ehemaligen Torhütern? Uli Stein schreibt in einer Kolumne für den „kicker“: „Er rechtfertigt es sportlich nicht mehr. Man hätte ihn schweren Herzens, jedoch mit Vernunft zu Hause lassen müssen – nach dieser wackeligen Vorbereitung!“
Ach, hör‘ mir auf mit dem Uli Stein! Der wurde während der WM 1986 vom Franz (Teamchef Franz Beckenbauer, d.Red.) nach Hause geschickt, weil er als Ersatztorwart hinter Toni Schumacher gemosert hat. Ich mag‘ den Uli sehr gerne, wir haben ein gutes Verhältnis, aber ich habe eine andere Meinung. Gott sei Dank lässt sich Bundestrainer Nagelsmann nicht beeinflussen und hält zu Manuel. Was mich richtig stört, sind diese Umfragen und Abstimmungen, die es dieser Tage überall gab. Wer ist der bessere Torhüter: Neuer oder ter Stegen?

Warum? Das ist doch legitim.
Ja, schon. Doch wem hilft es, wenn sich eine Mehrheit für ter Stegen ausspricht? Fangen dann die Fans im Stadion an zu pfeifen, wenn Manuel bei der EM patzen sollte, weil sie zur Mehrheit gehören wollen und das gerade „in“ ist? Manuel weiß selbst, dass er Fehler gemacht hat. Man sollte ihn besser unterstützen, indem man ihm Vertrauen und Zuspruch schenkt. Es geht doch um die deutsche Nationalmannschaft bei einer Heim-EM.

Maier: „Als Torwart bist du das letzte, schwächste Glied in der Kette“

Doch Neuer hat nicht nur letzten Freitag gepatzt, sondern auch im Bayern-Trikot gegen Real Madrid im Halbfinal-Rückspiel der Champions League sowie am letzten Spieltag beim 2:4 in Hoffenheim.
Das stimmt, aber der FC Bayern hat in der abgelaufenen Saison als Mannschaft nicht so gut gespielt und als Torwart bist du das letzte, schwächste Glied in der Kette. Dann heißt es immer: Der Torwart ist schuld. Das kenne ich nur zu gut aus meiner Zeit. Wenn eine Mannschaft, insbesondere die Abwehr, nicht gefestigt ist, passieren eben Fehler.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Leistungsstand der Nationalelf vor der EM? Auf das 0:0 gegen die Ukraine folgte das zunächst zähe, aber dann doch noch siegreiche Spiel gegen Nicht-EM-Teilnehmer Griechenland.
Auch zu meiner Zeit haben wir in den letzten Testspielen vor einem Turnier meist einen rechten Schmarrn zusammengespielt. Da war nie ein richtig gutes Spiel dabei. Keiner bringt vollen Einsatz, man will sich nicht verletzen. Wenn du denkst ,Hoffentlich passiert mir nichts‘ bist du nicht zu hundert Prozent bei der Sache. Am Freitag geht’s richtig los, dann muss es rund gehen, mit 120 Prozent Einsatz!

Sepp Maier über die DFB-Chancen: Heimvorteil „beflügelt dich als Spieler“

Mit einem Auftakt-Erfolg gegen Schottland?
Auf jeden Fall! Der frühere Bundestrainer Helmut Schön hätte eine Mannschaft wie die Schotten als „Laufkundschaft“ bezeichnet (lacht). Nein, im Ernst: Heutzutage gibt es keine leichten Gegner mehr wie zu unseren Zeiten. Diese Teams können alle gut verteidigen und pressen, die Schotten haben sich souverän qualifiziert. Wie bei den Österreichern oder Schweizern spielen auch zahlreiche schottische Spieler in den großen Ligen der Welt, zum Beispiel in England. Also Vorsicht!

Wie weit kommt die DFB-Nationalelf?
Die letzten drei Turniere haben sie ja richtig vergurgt, aber diesmal haben sie den Heimvorteil. Im eigenen Land zu spielen, wie wir bei der WM 1974, das beflügelt dich als Spieler. Mit der Unterstützung der Fans, und die werden hoffentlich richtig mitgehen, ist schon einiges gewonnen. Das wäre die perfekte Grundlage, die Tore müssen sie allerdings selbst schießen.

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