Abwendungsvereinbarung unterzeichnet: Mieter in Neuköllner Wohnhaus vor Verdrängung geschützt | ABC-Z

Abwendungsvereinbarung unterzeichnet
–
Mieter in Neuköllner Wohnhaus vor Verdrängung geschützt
Die Mieter des Wohnhauses “RichiBrauni” in Neukölln können bleiben. Der Bezirk hat eine entsprechende Vereinbarung mit dem Käufer des Hauses unterzeichnet – ein Präzendenzfall im Rahmen des Vorkaufsrechts. Dieses könnte bald reformiert werden.
In Rixdorf in Neukölln geht ein Vorkaufsrechtsverfahren zu Ende – mit positivem Ausgang für die Mieterinnen und Mieter.
Für das Wohnhaus an der Ecke Braunschweiger Straße / Richardstraße – von den Bewohnern “RichiBrauni” genannt – wurde am Mittwoch eine Abwendungsvereinbarung zwischen dem Bezirk Neukölln und dem Käufer unterzeichnet. Damit ist der Bezirk von seinem Vorkaufsrecht zurückgetreten. Der Käufer wiederum hat sich dazu verpflichtet, etwa auf Umwandlung in Eigentumswohnungen und auf befristete möblierte Vermietung zu verzichten.
Das Vorkaufsrechtsverfahren wurde nicht nur wegen Mängeln und Missständen am Haus durchgeführt, sondern erstmals auch wegen illegal durchgeführter Wohnungssanierungen, wie das Bezirksamt Neukölln mitteilte. Das soll dem Bezirk den rechtlichen Spielraum gegeben haben, ein Vorkaufsverfahren einzuleiten.
Gerichtsurteil hatte Vorkaufsrecht stark eingeschränkt
Das Haus liegt im Milieuschutzgebiet Rixdorf. In solchen Gebieten kann der Bezirk eingreifen, wenn ein Haus verkauft wird – er hat das sogenannte Vorkaufsrecht. Damit kann er die Immobilie anstelle des Käufers erwerben, meist durch eine Genossenschaft oder eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft.
Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2021 hatte die Anwendung dieses Instruments aber stark eingeschränkt. Das Gericht entschied, dass das Vorkaufsrecht nicht auf der Grundlage von reinen Vermutungen über zukünftige Absichten des Käufers ausgeübt werden darf. Nur konkrete Planungen oder tatsächliche Missstände, die die Mieter gefährden würden, zählen – also etwa ein Bauantrag für Umwandlung in Eigentum oder dokumentierte bauliche Verstöße.
Seit diesem Urteil ist das Vorkaufsrecht praktisch kaum noch einsetzbar. In Berlin wurde es seither nur in zwei weiteren Fällen angewendet.
Druck der Bewohner hat gewirkt
Eine Alternative zum kommunalen Vorkauf ist die nun unterschriebene Abwendungsvereinbarung. Sie ist eine Art Kompromiss zwischen Bezirk und Käufer – mit ihr kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufs durch den Bezirk abwenden.
Der Käufer verpflichtet sich darin, den bezahlbaren Wohnraum für die angestammten Mieter zu sichern. Dazu gehören etwa verringerte Mieten auf Basis der Mietpreisbremse und der Verzicht auf Umwandlung in Eigentumswohnungen. Neben vorhandenen baulichen Mängeln waren vor allem ungenehmigte Baumaßnahmen im Haus entscheidend für die Einleitung des Verfahrens.
Denn “mit den illegal, ohne Genehmigung durchgeführten baulichen Veränderungen wurde die Mietpreisbremse umgangen und die Wohnungen überteuert vermietet”, schreibt das Bezirksamt. Auch vorhandene Mängel müssten demnach beseitigt werden.
Der Neuköllner Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr Jochen Biedermann (Grüne) zeigt sich zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens: “Die Abwendungsvereinbarung ist ein gutes Signal für die Mieter:innen. Sie zeigt zudem, wie wichtig das Instrument Vorkaufsrecht ist. Mein herzlicher Dank gilt allen, die dazu in den letzten Wochen beigetragen haben.”
Damit dürfte Biedermann nicht zuletzt die Mieterinnen und Mieter selbst meinen. Die hatten in den letzten Wochen öffentlich Druck gemacht und zu Kundgebungen aufgerufen. Bis zuletzt schmückten zahlreiche Banner und Plakate die Fassade des Hauses in Rixdorf.
Reform auf Bundesebene gefordert
Auch der Neuköllner Bezirksbürgermeister ist zufrieden, verweist aber gleichzeitig auf nötige Reformen auf Bundesebene.
“Für Neukölln ist das heute ein gutes Zeichen”, sagt Martin Hikel (SPD). “Allerdings muss der Gesetzgeber den Kommunen die Ausübung des Vorkaufsrechts erleichtern. Die Hürden hierfür sind sehr hoch, wie auch dieses sehr aufwändige und zum Glück erfolgreich abgeschlossene Verfahren zeigt.”
Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist eine Reform des Baugesetzbuchs vorgesehen, um das kommunale Vorkaufsrecht wieder zu stärken. Konkret heißt es darin: “Um eine nachteilige Ausstrahlungswirkung auf die Umgebung zu vermeiden, wird das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten und bei Schrottimmobilien entsprechend gestärkt, der preislimitierte Vorkauf für solche Immobilien vereinfacht und die Umgehung von kommunalen Vorkaufsrechten bei Share Deals verhindert.”
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.05.2025, 08:30