Kultur

Abu Dhabis neues Zayed National Museum | ABC-Z

Eines wolle er gleich vorausschicken, sagt Mohamed Khalifa Al Mubarak, Leiter der Tourismus- und Kulturbehörde von Abu Dhabi, kurz vor Eröffnung des neuen Nationalmuseums. Seine Exzellenz, gekleidet in die traditionelle weiße Kandura, hat die versammelte Presse in einen der kühlen Innenräume des Norman-Foster-Baus gebeten, der nun 123 Meter hoch aufragend die Museumsinsel in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate mit dem fast bescheiden sich daneben duckenden Louvre Abu Dhabi krönt. Draußen in der Hitze polieren Arbeiter aus der Fremde noch rasch den Betonboden des Platzes mit den Wasserfontänen vor dem Eingang. Siebzehn Jahre sind seit Baubeginn des jüngsten kulturellen Prestigeprojekts in dem Emirat vergangen, in dem sich die Kräne unentwegt drehen, um mit dem Reichtum aus dem Öl eine Kultur-, Wissens- und Innovationsnation aus dem Wüstensand zu stampfen. Jetzt öffnet das Zayed National Museum seine Tore.

Das Museum als identitätsstiftender Ort

Ob es also vor allem als Attraktion für Touristen gedacht sei? „Nein, absolut nicht“, hält Khalifa Al Mubarak fest und stellt das Museum als identitätsstiftenden Ort für die Emiratis vor, an dem ihnen ihre Geschichte und Kultur vermittelt werden solle, um sie auf dem Weg in die Zukunft zu inspirieren und mit Stolz zu erfüllen. Als Forschungsstätte solle das Haus Nachwuchswissenschaftler fördern – was sich mit Ambitionen deckt, für die vor Ort schon Dependancen der Pariser Sorbonne und der New York University neben einer eigenen Universität stehen. Gastfreundschaft und Offenheit solle das Museum gegenüber Besuchern und den Landesbewohnern, welche nicht Staatsbürger sind, ausdrücken – in der absolutistisch beherrschten Monarchie Abu Dhabi stellen Letztere mehr als achtzig Prozent.

Durch einen Garten zu erreichen: das neue NationalmuseumAFP

So treffen sich Selbstvergewisserung nach innen und Selbstdarstellung nach außen in dem staatlichen Museum, das die ersten Besucher am Morgen mit der Nationalhymne begrüßt und nicht nur mit seiner Namensgebung dem als „Vater der Nation“ verehrten Scheich Zayed bin Sultan Al Nahyan huldigt. Er, Emir des größten und reichsten Emirats am Golf, hat von der Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate im Jahr 1971 bis zu seinem Tod 2004 der Föderation von sieben Scheichtümern als Präsident vorgestanden wie heute sein Sohn.

Im Inneren: Rekonstruktion eines bronzezeitlichen Schiffs
Im Inneren: Rekonstruktion eines bronzezeitlichen SchiffsZayed National Museum

Den herrschaftlichen Anspruch sowie die kühnen Ambitionen Abu Dhabis und der Emirate insgesamt zeichnet die Schöpfung des inzwischen neunzig Jahre alten britischen Stararchitekten Foster, dem Berlin seine Reichstagskuppel verdankt, weithin sichtbar in den Himmel. Fünf monumentale Flügel aus Stahl ragen diagonal aus dem breit darunter lagernden dreigeschossigen Museumsgebäude. Inspiriert ist die Form der Aufbauten, die Assoziationen an das Jørn-Utzon-Opernhaus in Sydney wecken können, von den Schwingen eines Falken im Flug: Als Wappentier und traditioneller Jagdgefährte steht er für Mut, Freiheit und Stärke. Der Raubvogel symbolisiert das kulturelle Erbe ebenso wie den atemberaubenden Aufschwung der Golfregion, in der noch vor wenigen Generationen Beduinen vom Handel (und Raub) lebten und die Menschen an der Küste fischten und nach Perlen tauchten.

Nachhaltigkeit als Statussymbol

Die mit speziellen Glaspaneelen ausgestatteten weißen Flügel des Museums sind mehr als bloßes Dekorum. Zum einen spenden sie Schatten, zum anderen steigt die Temperatur in ihnen so stark an, dass sie als Hitzekamine wirken und Luft aus dem Inneren des Gebäudes saugen. In das wiederum fließt ein kühler Luftstrom durch einen unterirdischen Kanal. Als atmendes Gebilde soll das Bauwerk den Energieaufwand für die Klimatisierung gering halten.

Hitzekamine: die wie Flügel geformten Türme des Museums
Hitzekamine: die wie Flügel geformten Türme des MuseumsZayed National Museum

Groß inszenierte Nachhaltigkeit gehört zu den Statussymbolen am Golf, und Grün ist der ultimative Luxus. Zwischen dem Nationalmuseum und dem Louvre Abu Dhabi erstreckt sich nun ein aufwendig gestalteter Garten, durch den man, wenn denn alles fertig ist, zu Fuß oder im Elek­tromobil von einem Haus zum anderen gelangen soll, statt auf Taxis oder Shuttle-Busse angewiesen zu sein. Ein Ghaf-Baum aus einer Residenz Zayed bin Sultan Al Nah­yans wurde dafür eigens hergeschafft und wieder eingegraben. Am Leben erhalten wird die Vegetation in der Anlage, so heißt es, von Kondens- und gering verschmutztem Abwasser.

Kantig gibt sich das Zayed National Museum auf Augenhöhe von außen. Wie aus Felsplatten zu einem flachen Hügel aufgeschichtet wirkt der Grundbau, in dessen Inneren man trotz des hell sandfarbenen Sichtbetons Höhlenatmosphäre vermuten könnte. Stattdessen hellt sich alles in weichen Rundungen auf: Tageslicht fällt von den Flügeltürmen gefiltert in das Atrium, aus dem, organisch geformt, die tragenden Pfeiler aufsteigen. Von oben wiederum ragen als kugelige Hülsen („pods“) gebaute Galerien in den Raum wie landende Ufos, in die man über eine schneckenförmig geschwungene Treppe gelangt.

Ein Mann, seine Vision und sein Auto: Chrysler-Limousine in der Galerie zu Zayed bin Sultan Al Nahyan
Ein Mann, seine Vision und sein Auto: Chrysler-Limousine in der Galerie zu Zayed bin Sultan Al NahyanZayed National Museum

Sehr viel freier, nicht bespielter und nicht einfach kuratorisch nutzbarer Raum öffnet sich da, umhüllt von kolossalen gebogenen Wandflächen. An zentraler Position ankert ein achtzehn Meter langes, rekonstruiertes Magan-Schiff in der Halle, das voriges Jahr erfolgreich auf seine Seetauglichkeit getestet wurde. In solchen mit Bitumen abgedichteten Gefährten aus Schilfgras wurde in der Bronzezeit Fernhandel vom Golf bis nach Mesopotamien oder Südasien betrieben.

Funde aus Grabungen und Rekonstruktion eines Grabmals: Blick in die Galerie mit archäologischem Schwerpunkt
Funde aus Grabungen und Rekonstruktion eines Grabmals: Blick in die Galerie mit archäologischem SchwerpunktZayed National Museum

Die erste Galerie unter dem Titel „Our Beginning“, unser Ursprung, führt jedoch nicht in die Frühgeschichte, sondern in die unmittelbare Vergangenheit in Gestalt einer Ausstellung gewordenen Eloge an den Staatsgründer Zayed bin Sultan Al Nahyan. Sein Stab und sein Koran, lebensgroße Nachformungen zweier seiner Pferde, Schwerter, seine Chrysler-Limousine und fast versteckt ein Bohrkopf aus der Ölförderung der Sechzigerjahre gehören zu den Exponaten. Multimedial ins Großformat gebracht werden alte Fotografien, die Blicke zurück auf archaisch anmutende Verhältnisse Mitte des vorigen Jahrhunderts eröffnen. Die Schau feiert Errungenschaften des Herrschers: Bewässerungssysteme, ein Oasenhospital, Schulgründungen, die Emiratsföderation – Stationen eines sagenhaften Aufstiegs.

Eine winzige, aber bedeutsame Perle

Von den sechs permanenten Ausstellungen widmet sich eine antiker Nautik, eine andere den jahrtausendealten Handelsbeziehungen, eine dritte archäologischen Funden. Darunter ist eine winzige, auf etwa 6000 vor Christus datierte Naturperle von der Insel Marawah. Sie ist das älteste Zeugnis der Perlentaucherei in der Gegend, welche ein wichtiger Wirtschaftszweig bleiben sollte, bis das Aufkommen der Zuchtperlenindustrie ihr den Garaus machte – ein mahnendes Beispiel für Disruption auch im zu Ende gehenden fossilen Zeitalter. Dem bedeutsamen Perlchen die Schau stiehlt in der Galerie jedoch die Rekonstruktion einer Begräbnisstätte, in deren Inneres vorgeschichtliche Alltagsszenen projiziert werden.

Ufo-Ästhetik im Erdgeschoss des Zayed-Nationalmuseums
Ufo-Ästhetik im Erdgeschoss des Zayed-NationalmuseumsZayed National Museum

Nachbauten, Videoinstallationen, Touchscreens oder Figuren, die beim Nähertreten Tonaufnahmen abspielen: Das museumspädagogische, Staunen provozierende Erleben läuft den historischen Artefakten den Rang ab, obwohl von letzteren im Haus immerhin 1500 ausgestellt sein sollen. Es geht um nomadisches Leben, die Zähmung des Kamels, die Falknerei, ohne je stark zu vertiefen. Ausgleich dafür, dass die Geschichte von Frauen fast kaum repräsentiert ist, schaffen die Konservatorinnen, die durch die Galerien führen. Und das Öl? Ist eher geologisch von Interesse.

Ziel des Museums ist erkennbar, Abu Dhabi und die Emirate als erwachsen aus einer tief in der Vergangenheit wurzelnden Kultur vorzustellen, nicht als Nou­veaux riches des schwarzen Goldes. Man stellt sich in die Tradition der Karawanen, die zwischen den Großmächten in Ost und West, Nord und Süd vermittelten und dabei doch immer eigene Wege gingen.

Groß und eindrucksvoll: Saurierskelette im neuen Naturkundemuseum von Abu Dhabi
Groß und eindrucksvoll: Saurierskelette im neuen Naturkundemuseum von Abu DhabiAFP

Auf denen ziehen heute westliche Top-Kulturmarken ins Emirat. Der Bau des Guggenheim-Museums auf der Museumsinsel, welche Immobilienkäufer mit Luxus-Apartmentblocks und Privatstrand lockt, nähert sich der Vollendung. Das Auktionshaus Sotheby’s gehört inzwischen zu einem bedeutenden Teil einem Staatsfonds des Emirats, und bald kommt die Frieze-Kunstmesse – während die Art Basel nach Qatar geht. Die Kunst folgt dem Kapital und das Kapital wieder der Kunst; die Golfregion gehört, wie diverse Rankings von Fachpublikationen untermauern, längst zu den mächtigsten Playern im globalen Kulturbetrieb.

Voraussetzung dafür ist wohlkalibrierte Offenheit. Eine Moschee, eine Kirche und eine Synagoge, die in einander ähnelnden Kuben unter dem Titel „Abrahamic Family House“ untergebracht sind, stehen dafür auf der Museumsinsel. Universalismus predigt auch der Louvre Abu Dhabi, der kuratorisch durchaus mutwillig Verschiedenstes aus unterschiedlichen Kulturkreisen als vermeintlich Ähnliches präsentiert, nackte Götter der griechisch-römischen Antike aber meidet. Weniger heikel dürfte die Auswahl für das ebenfalls erst kürzlich eröffnete Naturkundemuseum gewesen sein. In dem aus Quadern konstruierten Komplex des niederländischen Architekturbüros Mecanoo dominieren neben spektakulären Biosphären-Dioramen und Multimedia-Installationen Skelette gewaltiger Saurier – und dienen demselben Ziel wie alle Museen des Komplexes: Sie sollen Eindruck machen, und das gelingt ihnen.

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