Berlin

Absatzeinbruch bei Tesla: Als gäbe es gar keine Prombleme | ABC-Z

Grünheide taz | Bei Tesla in Grünheide wird wieder gebaut. Unmittelbar an der Bahnlinie RE1, nur wenige hundert Meter von der Werkshalle entfernt, rollen Radlader und Bagger umher. Von dem Kiefernwald, der hier bis vor Kurzem stand, sind nur noch ein paar vereinzelte Baumstumpen zu sehen. Doch der Schein trügt: Die Bauarbeiten haben nichts mit der viel diskutierten Werkserweiterung zu tun. Es ist die Deutsche Bahn, die dabei ist, den nächstgelegenen Bahnhof näher an die Fabrik zu verlegen.

Eigentlich plant der Elektrobauer, die Produktion am Standort in Grünheide in den kommenden Jahren zu vervierfachen. Über den Ausbau gab es in den vergangenen Jahren erbitterte Auseinandersetzungen. Doch die aktuellen Absatzeinbrüche bei Tesla machen die Erweiterung immer unwahrscheinlicher.

Eine Million Fahrzeuge sollten in naher Zukunft in Grünheide jährlich vom Band laufen – damit wäre Grünheide die größte Autofabrik Europas. Auch die Zahl der Ar­bei­te­r:in­nen soll von aktuell 12.500 auf bis zu 40.000 steigen. Dafür will Tesla auf dem Werksgelände zusätzliche Produktionsstätten und eine Batteriefabrik errichten.

Auf Widerstand von An­woh­ne­r:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen stieß aber vor allem das Vorhaben, das Werksgelände auch flächenmäßig zu erweitern. Das Unternehmen meldete Bedarf unter anderem für einen Güterbahnhof und Logistikflächen an. Trotz des gegenteiligen Votums der Grün­hei­de­r:in­nen stimmte die Gemeinde für den Bebauungsplan, der den Weg für die Vergrößerung frei machte. Dazu sollen weitere 100 Hektar landeseigener Wald an Tesla verkauft werden. Der Verkauf ist laut dem brandenburgischen Umweltministerium noch nicht abgeschlossen und befindet sich in Abstimmung.

Neuer Bahnhof, neue Straßen

Der Bebauungsplan beinhaltet auch einen umfassenden Ausbau der umliegenden Infrastruktur für das Werk. Der Bahnhof Fangschleuse wird 1,5 Kilometer vorverlegt, vergrößert und noch mit einem Anschluss an den von Tesla zu errichtenden Güterbahnhof versehen. Parallel will das Land eine neue Landesstraße samt Autobahnauffahrten errichten. Während sich der Autobahnanschluss und die Landesstraße noch in Planung befinden, hat der Bau am Bahnhof schon begonnen.

Die Steuerzahler wird das einiges kosten: Allein für den Bahnhofsneubau sind 60 Millionen Euro vorgesehen, für das Bahnhofsumfeld kommen noch einmal 15 Millionen hinzu. Die Landesstraße schlägt mit geschätzt 70 Millionen Euro zu Buche, die Autobahnanschlüsse zur A10 verschlingen ganze 260 Millionen Euro. Der Bund und das Land Brandenburg teilen sich die Kosten auf.

Grundlage für sämtliche Planungen sind die 40.000 Arbeiter:innen, die laut Tesla in Zukunft im Werk arbeiten sollen, bestätigt das Infrastrukturministerium auf taz-Anfrage. Doch ob es jemals dazu kommen wird, ist fraglich. Im Jahr 2023, dem letzten berichteten Geschäftsjahr, produzierte Grünheide gerade einmal 200.000 Fahrzeuge. Für das Jahr 2024 peilte Tesla eigentlich 287.000 Autos an, musste aber schon da mit Absatzproblemen kämpfen, sodass Lagerflächen für die produzierten Fahrzeuge knapp wurden.

Tesla machte für den Umsatzrückgang vor allem die schwächelnde Wirtschaft und den Wegfall von Kaufprämien verantwortlich. Im August vergangenen Jahres kündigte der Grünheider Werksleiter Andrè Thierig daher an, die Erweiterungspläne vorerst auf Eis zu legen, bis der Markt sich wieder erholt.

Das Ministerium weiß von nichts

Im vergangenen Oktober bewilligte Brandenburgs Umweltministerium die erste von drei Teilgenehmigungen. Dabei ging es aber vor allem um den Bau von Logistikflächen, die auch zum zwischenlagern unverkaufter Fahrzeuge genutzt werden können. Seitdem ist nicht mehr viel passiert. „Es liegen dem Landesamt für Umwelt noch keine weiteren Anträge zur Kapazitätserweiterung vor“, lässt ein Sprecher auf taz-Anfrage verlauten. Wann Tesla den Güterbahnhof errichten will, ist ebenso unbekannt. Das Ministerium weiß von nichts, und der Autobauer reagiert nicht auf Presseanfragen.

Mittlerweile steigt die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland wieder, nur Teslas will fast niemand kaufen. Im Januar brach der Absatz im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent ein, während markenübergreifend der Verkauf von Elektroautos um 30 Prozent zunahm, wie aus Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes hervorgeht.

Der Musk-Konzern hofft, mit der Produktion des neuen Models Y die Absätze wieder nach oben treiben zu können. Doch Branchen-Expert:innen sind skeptisch, ob die Neuauflage des in Grünheide gefertigten Mittelklasse-SUVs die Wende bringt. „Die Innovationsdynamik hat bei Tesla in den letzten Jahren deutlich abgenommen“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des privaten Forschungsinstituts Center of Automotive Management. Tesla habe jahrelang keine neuen Modelle auf den Markt gebracht, die Konkurrenz aus China, aber zunehmend auch aus Deutschland sei dabei immer stärker geworden, erklärt der Experte. 2019, als Musk den Bau der Fabrik verkündet hat, war Tesla de facto der einzige ernst zu nehmende Hersteller auf dem Markt, das habe sich grundlegend geändert.

Stefan Bratzel geht davon aus, dass Tesla mittelfristig seine Produktion wieder steigern können wird, wenn sich die E-Mobilität weiter ausbreitet. Die Fabrik in Grünheide ist die einzige Tesla-Fabrik in Europa und produziert Ys für ganz Europa, den Nahen Osten und Asien. Doch der Experte relativiert: „So ein Wachstum, wie Musk sich das vorgenommen hat, wird nicht zu realisieren sein.“

Das größte Problem für Tesla ist Musk

Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte

Neben der Konkurrenz aus China macht dem Unternehmen vor allem sein eigener Chef zu schaffen. „Das größte Problem für Tesla ist Elon Musk“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Musk fiel zuletzt durch seine offene Unterstützung der AfD, die Beteiligung an Trumps Regierung und durch unverkennbare Hitlergrüße bei vielen Tesla-Fans hierzulande in Ungnade. Dass Tesla in Zukunft weiteren Imageschaden durch Musks faschistische Ausfälle vermeiden kann, hält Dudenhöffer für unwahrscheinlich: „Tesla kommt nicht weg von Musk“, so der Autoexperte, „beide sind wie siamesische Zwillinge.“

Die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens sei bereits abzusehen gewesen, als die Gemeinde den Bebauungsplan im vergangenen März beschlossen hat, sagt Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide. Dass jetzt schon mit dem Bau des Bahnhofs begonnen wird, ohne dass die Zukunft Tesla klar ist, hält sie für einen Fehler und kritisiert: „Da wird im vorauseilenden Gehorsam alles platt gemacht.“

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