Wirtschaft

Ablehnen, ohne Trump zu verprellen | ABC-Z

Das offizielle Moskau schwieg zunächst zum ukrainischen Angebot einer Feuerpause von 30 Tagen. Der amerikanische Präsident Donald Trump ist involviert, und der ist in Russland Chefsache. Erst am Vormittag äußerte sich Dmitrij Peskow, der Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Man werde die Erklärungen nach dem amerikanisch-ukrainischen Treffen von Dschidda „aufmerksam studieren“, sagte er. Auch hob Peskow hervor, dass man davon ausgehe, dass die amerikanische Seite Moskau „dieser Tage“ über Details der Verhandlungen informieren werde, und zwar „in Gänze“. Erforderlichenfalls könne ein Telefonat zwischen Putin und Trump rasch organisiert werden. Es war eine diplomatisch-abgewogene Reaktion, die dem Kreml Zeit verschafft, auf die neue, alte Lage zu antworten: dass sich Kiew und Washington wieder aneinander angenähert haben.

Bisherige Aussagen Putins weisen allesamt auf eine Fortsetzung des Krieges, so lange die russischen Maximalziele nicht erreicht sind. Erinnert wird in Moskau nun insbesondere an Putins Bedingungen vom 14. Juni 2024 dafür, „den Krieg in der Ukraine real zu beenden“: Das Land müsse einen „neutralen, blockfreien, nuklearwaffenfreien Status“ erhalten und zudem „demilitarisiert und entnazifiziert“ werden, sagte Putin damals und bekräftigte damit Kriegsziele, die er anlässlich des Überfalls von Ende Februar 2022 ausgegeben hatte, wobei unter „Entnazifizierung“ ein kremlfreundliches Regime in Kiew verstanden wird.

Putin forderte seinerzeit auch, seine Annexionen ukrainischer Gebiete von 2014 und 2022 vertraglich anzuerkennen und einen Abzug der ukrainischen Truppen aus den Teilen dieser Gebiete, welche die Invasoren noch nicht erobern konnten, also insbesondere aus großen Teilen des ostukrainischen Donezker Gebiets sowie der südukrainischen Gebiete von Cherson und Saporischschja. Zudem müssten „alle westlichen Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden“.

Putin sprach sich mehrmals gegen Feuerpause aus

Von alldem steht nichts im Vorschlag von Dschidda. Gegen eine schlichte Feuerpause, wie sie nun Kiew und Washington vorschwebt, hatte sich Putin wiederholt ausgesprochen. Es dürfe bei der Konfliktlösung nicht um eine „kurze Waffenruhe“ gehen, sagte er etwa am 20. Januar in einer Sitzung seines Nationalen Sicherheitsrats, die angeblich eigens vorgezogen wurde, damit Putin Trump zum Amtsantritt gratulieren konnte. Denn eine solche wäre bloß „eine Atempause“ für die Ukraine, um Kräfte zu verlegen und neu zu bewaffnen, sagte Putin.

Für ihn dürfte es aber jetzt auch darum gehen, Trump nicht zu verprellen. Seine Ziele reichen über die Ukraine hinaus; als der amerikanisch-russische Annäherungsprozess im Februar begann, gab Putin das Ziel aus, es müsse darum gehen, die „Grundursachen des Konflikts“ zu beseitigen, was sich als Hinweis auf seine Forderungen aus dem Dezember 2021 nach einem Rückzug der NATO und der Vereinigten Staaten aus Osteuropa verstehen lässt. So etwas ließe sich, wenn überhaupt, nur mit Trump erreichen.

In den vergangenen Wochen, die von russisch-amerikanischen Attacken gegen Kiew, insbesondere Präsident Wolodymyr Selenskyj, und „die Europäer“ geprägt waren, wirkte die Euphorie in Putins Macht- und Medienapparat bisweilen groß, besonders nach den Gesprächen von Riad und dem Eklat bei Selenskyjs Besuch in Washington: Putin persönlich bot Trump russische Rohstoffe an. Sein Sprecher pries die amerikanische Aussetzung der Militärhilfe an die Ukraine als „besten Beitrag zum Frieden“.

„So ablehnen, dass Selenskyj als Hindernis wirkt“

Doch wirkte Peskow immer wieder bemüht, die Euphorie um Trump zu dämpfen. Am Dienstagmorgen, also kurz vor der amerikanisch-ukrainischen Erklärung, warnte Peskow vor „rosaroten Brillen“ und beteuerte, „Russland gewinnt unbedingt und unabhängig von Handlungen der USA“, seine Truppen würden weiter vorrücken. „Dank an alle und auf Wiedersehen“, kommentierte die Staatsnachrichtenagentur RIA dann die Wiederannäherung Kiews und Washingtons am Mittwochmorgen: „Es wird kein Geschäft Russlands und der USA geben“.

Trumps Social-Media-Äußerungen könnten „auf Selenskyj oder Online-Experten wirken, aber die Realität und die realen Bedingungen für Verhandlungen schaffen jetzt unsere heldenhaften Jungs auf der ganzen Linie der Front“. Nur zwischen Putin und Trump sei eine Abmachung möglich, und deren Bedingungen habe Putin am 14. Juni 2024 dargelegt. Ein anderer RIA-Kommentar vom Mittwochmorgen bezeichnete die Ergebnisse des Treffens von Dschidda als für Russland „nicht allzu gut“, da die Ukraine wieder Militärhilfe und Geheimdienstinformationen erhalte.

Trump sei bereit, seinen Zorn gegen Gnade einzutauschen und Selenskyj wieder in Washington zu empfangen. Die Situation sei für Russland nicht schlecht, aber auch nicht länger „ideal“; man sei zurückgekommen zu der Ausgangslage, in der Selenskyj noch nicht „die Szene im Weißen Haus angezettelt hatte“. Jetzt gelte es für Moskau, gleichsam den Ball ins Feld der Ukraine zurückzuspielen und den Waffenruhe-Vorschlag von Dschidda auf eine Weise abzulehnen, „damit wieder Selenskyj als Hindernis zum Nobelpreis für Trump“ erscheine. Dass Russland den Vorschlag in seiner derzeitigen Form nicht annehme, stehe außer Frage.

Auch die sogenannten Z-Kanäle der russischen Kriegsenthusiasten auf Telegram lehnen die Waffenruhe einhellig ab. Sie sehen den Vorstoß als Versuch, die Ukrainer zu entlasten, die gerade ihre letzten Stellungen im westrussischen Kursker Grenzgebiet räumen müssten. Russland hätte gar nichts von einer Feuerpause, ist der Tenor, hätte nur Nachteile, weil sich die Gegner stärken könnten. Einer der Blogger, Roman Saponjukow, unkte gar, dass sich Trump noch so zeigen werde, dass dessen Vorgänger Joe Biden „wie ein guter Großvater erscheint“.

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