Abgeordnetenbestechung: CSU-Politiker in Aserbaidschan-Affäre verurteilt | ABC-Z

Der Ex-Bundestagsabgeordneter Lintner ist wegen Bestechung von Mandatsträgern verurteilt worden. Ein Gericht in München verhängte in der Aserbaidschan-Affäre eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn. Experten sprechen von einem “historischen Urteil”.
Schon vor Jahren ist der Skandal um Korruption für den Südkaukasusstaat Aserbaidschan bekannt geworden. Nun ist ein erstes Urteil gefallen.
Das Oberlandesgericht München verhängte gegen den CSU-Politiker Eduard Lintner eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, sie wird zur Bewährung ausgesetzt. Der 80-Jährige war 33 Jahre lang Bundestagsabgeordneter, mehrere Jahre parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium und bis 2010 Mitglied in der parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE).
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich Lintner der Bestechung von Mandatsträgern schuldig gemacht hat. Lintner soll laut Anklage dazu beigetragen haben, dass Aserbaidschan mit Geldzahlungen Entscheidungen in der PACE beeinflussen konnte. Er habe über Briefkastenfirmen zwischen 2008 und 2006 rund vier Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten.
So erhielt 2012 eine Resolution über politische Gefangene in Aserbaidschan keine Mehrheit im Europarat. Der seit 2003 amtierende Präsident Ilham Alijew nutzte dies über Jahre als Beleg dafür, dass er fälschlich beschuldigt werde, autokratisch zu regieren.
“Praktisch allgegenwärtiger” Lobbyismus
Die Verteidigung hatte auf Freispruch für Lintner plädiert. Er selbst hatte im Mai vor dem Gericht die Weiterleitung von Geldern eingeräumt, um Entscheidungen zugunsten Aserbaidschans zu beeinflussen, nachdem er aus dem Europarat ausgeschieden war. Die Ermittlungen bestätigten, dass verschleierte Zahlungen aus Aserbaidschan unter anderem über seine Firma geflossen sind.
Lintner bestritt aber, dass es sich dabei um Bestechung gehandelt habe. Er sei sich keiner Straftat bewusst. “Ich habe das Ganze für die Art von Lobbyismus gehalten, die bis heute praktisch allgegenwärtig ist”, sagte er der Nachrichtenagentur dpa zufolge.
Weiteres Verfahren im Herbst
Von den Geldern aus Aserbaidschan profitiert haben soll unter anderem der Ex-CDU-Abgeordnete Axel Fischer aus Baden-Württemberg. Nachdem er als Mitangeklagter mehrfach wegen Krankheit nicht zur Verhandlung erschienen war, wurde sein Verfahren abgetrennt. Es soll im Herbst neu beginnen, wird es nicht im nächsten Jahr abgeschlossen, droht Verjährung.
Fischer bestreitet alle Vorwürfe vehement. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, zwischen 2011 und 2016 mindestens 84.000 Euro in bar aus Aserbaidschan erhalten zu haben. Die Beeinflussung der Tätigkeit von Mitgliedern der parlamentarischen Versammlungen internationaler Organisationen wie PACE ist in Deutschland allerdings erst seit 2014 strafbar.
Die Verfahren gegen zwei weitere Mitbeschuldigte wurden gegen Geldzahlungen vorläufig eingestellt. Ermittlungen in Belgien waren eingestellt worden. Ein Gerichtsprozess in Italien endete wegen Verjährung mit einem Freispruch.
Gelder an CDU-Abgeordnete Strenz
Einen Teil der Gelder gab Lintner der Generalstaatsanwaltschaft München zufolge an die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern weiter. Gegen Strenz wurde ebenfalls ermittelt, bis sie 2021 im Alter von 53 Jahren plötzlich verstarb. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin zur Todesursache ergaben kein Fremdverschulden.
Hunderte Kurznachrichten, die Strenz gesendet und erhalten hatte, dienten den Ermittlern in der Aserbaidschan-Affäre als Beweismittel. Der Anklage zufolge verfasste Strenz im Jahr 2014 auch eine Bewerbung, in der sie “unermüdliche und uneingeschränkte Unterstützung” im Sinne Aserbaidschans zusagte. Lintner soll zwischen ihr und den Aserbaidschanern vermittelt haben und sich dafür eingesetzt haben, dass sie so viel bekommt wie Fischer, heißt es in der Anklage.
Strenz war 2019 vom Bundestag gerügt worden und erhielt wie Lintner ein lebenslanges Hausverbot im Europarat, dessen parlamentarischer Versammlung sie acht Jahre lang angehört hatte. Das Gericht will das Bestechungsgeld in Höhe von fast 150.000 Euro, das Strenz erhalten hatte, von ihrem Witwer einziehen.
Mehr als ein Jahrzehnt bis zum Verfahren
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International begrüßte das “historische Urteil”. Es sei ein “wichtiges Zeichen unserer demokratischen Institutionen und gegen strategische Korruption”, so die Vizevorsitzende Margarete Bause. “Die Käuflichkeit von Mandatsträgern durch autokratische Staaten bedroht unser demokratisches System.” Besorgniserregend sei, dass es länger als ein Jahrzehnt bis zu diesem Verfahren gedauert habe. Politik und Justiz müssten nun Konsequenzen ziehen.
Zunächst hatten Staatsanwaltschaften in Schwerin und in Frankfurt am Main ermittelt, bevor die Generalstaatsanwaltschaft in München übernahm. Diese gab wiederum an, dass sich die Ermittlungen wegen des konspirativen Vorgehens der Angeschuldigten sehr zeitaufwändig gestaltet hätten.
Die Organisation verweist darauf, dass der 2014 eingeführte Paragraf 108e des Strafgesetzbuchs erstmals zur Anwendung gegen strategische Korruption, die gezielt zur Einflussnahme eingesetzt wird, gekommen sei. Doch noch immer ermöglichten rechtliche Schlupflöcher und mangelnde Ressourcen eine solche Einflussnahme aus autoritären Staaten. Transparency International fordert mehr Personal bei den Ermittlungsbehörden und bessere internationale Zusammenarbeit sowie eine weitere Verschärfung des Paragrafen 108e.