A-capella-Band Bodies: Frauenmarsch am Vorabend der Französischen Revolution | ABC-Z
Mit sieben Vokalistinnen an ihrer Seite trat Frankie, durch zwei Jahrzehnte Musikschaffen im Berliner Singer-Songwriter-Underground bestens vernetzt, am Montagabend in ihrer Wahlheimat auf. Und zwar nicht auf irgendeiner Bühne, sondern ganz fett in der ausverkauften Philharmonie.
Der Abend erwies sich, jenseits ihres Lokalmatadorinnen-Status, als eindrückliche Demonstration, dass wir als Spezies offenbar darauf gepolt sind, Stimmen mit besonderer Aufmerksamkeit zu lauschen. Und dabei Herz und Ohren weit aufzusperren – schon gar, wenn diese Stimmen auf derart ungewöhnliche Weise in Szene gesetzt werden.
Was man über gut anderthalb Stunden erleben durfte, war doch ziemlich anders als das, was man sonst von A-cappella-Ensembles zu hören bekommt – etwa im klassischen Chorkontext. Anders als bei einem Chor steht bei „Bodies“ nämlich nicht die Gruppe im Vordergrund. Vielmehr kommen die individuellen Stärken der acht Performerinnen zur Geltung. So überrascht kaum, dass Frankie ihre Mitstreiterinnen als „Band“ vorstellte.
Bodies: „Bodies“ (Grönland/Rough Trade)
Acht Frauen – das sind nicht nur acht Stimmen, sondern auch acht Körper, die noch ganz andere Klänge erzeugen: klatschend, klopfend, schnaubend, trampelnd. Allesamt sind die Sängerinnen als Soloistinnen aktiv, in unterschiedlichsten Gefilden: Tara Nome Doyle, Kreuzbergerin mit irisch-norwegischen Wurzeln, etwa bringt in ihrer Musik Kammerpop mit erwartbarer Schwermut zusammen, erzeugt durch schräge Konzepte aber dennoch reichlich produktive Reibung. Auf ihrem letzten Album „Værmin“ widmetet sie sich zum Beispiel dem Thema Ungeziefer. Die deutsch-senegalesische Musikerin Fama M’Boup arbeitet derweil mit Loops an der Schnittstelle von Jazz und experimentellem Gesang.
Der Kunstwille ist arg ausgeprägt
25. 1., Theater Erfurt;
15. 2., Kulturpalast Dresden,
21. 2., Elbphilharmonie Hamburg, wird fortgesetzt
Trotz unterschiedlicher Stärken der Sängerinnen durchweht ein kollektivistischer Geist den Raum. Was hier auf dieser Bühne entsteht, ist mehr als die Summe der einzelnen Teile. Und auch mehr, als die unlängst auf Grönland Records erschienene EP „Bodies“ über dieses Projekt verrät. Mit gut 30 Minuten überzeugen die Songs zwar durch ihre Schnörkellosigkeit; bisweilen jedoch scheint auf dem Mini-Album der Kunstwille etwas arg ausgeprägt; manchmal ersehnt man eine Brechung.
Im Konzert stellt sich ein emotionalerer Zugang ein, es klingt viel ungefilterter. Was nicht zuletzt daran liegt, dass Kat Frankie ihr Programm mit warmherzigem Charme und trockenem Humor moderiert. Thematisch wird einiges geboten: Der Track „Versailles“ erzählt hymnisch von einem Frauenmarsch am Vorabend der Französischen Revolution. „A Body of Work“ widmet sich dagegen den Untiefen, die immer durchökonomisiertere Arbeitswelten den Menschen aufzwingen. Kat Frankie steht ganz alleine auf einer Seite der Bühne, gegenüber alle anderen, die ihr aber wenig Erbauliches entgegenrufen – die Situation erinnert an ein Vorstellungsgespräch. Eine Ode an den häufig diskreditierten, zumindest aber gerne übersehenen Ostberliner Stadtteil Marzahn ist ebenfalls Teil des Repertoires.
Dass die Musik nie ins allzu Gospelige kippt, dafür sorgt der latent spröde, wohldosierte Minimalismus der Arrangements. Und auch der vergnügte Spieltrieb, den die 46-Jährige auf die Bühne bringt: etwa wenn sie inbrünstig in Ventilatoren hineinsingt, was ihre Stimme knarzen und manchmal auch leiern lässt. Entgegen dem Klischee, so erläutert Frankie den Hintergrund, ist nämlich nicht jede:r Australier:in zum Surfen geboren. Sie selbst sei zwar nahe Sydney aufgewachsen, lebte aber trotzdem zwei Autostunden vom Meer entfernt – was ihre Freizeitoptionen in den Sommermonaten arg einschränkte. Sie konnte als Jugendliche entweder in der klimatisierten Mall abhängen, sich ins überfüllte Freibad quetschen – oder eben zu Hause in den stets rotierenden Ventilator hinein singen. Offenbar war das ein so großer Spaß, dass sie das nun hier auf der großen Bühne nachstellt.
Am Ende verschenkt sie dann einen weiteren Hauch von Sommer in dieser kalten Winternacht und bringt dem Publikum ein eher rares Fremdwort bei, mit dem sie einen Song betitelt hat: Petrichor. Der Begriff beschreibt den köstlichen Geruch, der entsteht, wenn sanfter Sommerregen auf eine von Hitze durchgekochte Straße fällt. Eingelullt in so viel auf ungezwungene Weise ersungene Wärme und gestählt durch Anekdoten aus anderen Klimazonen, fühlt sich der Heimweg durch die Frostnacht dann auch gar nicht mehr so schlimm an.