FC Bayern in der Frauen-Bundesliga: Weiter mit diesem besonderen Gefühl – Sport | ABC-Z
Diese Woche hat schon mal gut angefangen, glamouröser als sonst. Am Montagabend rollte der FC Bayern in seiner Arena einen roten Teppich aus. Dort, wo sich üblicherweise Journalisten tummeln, unterhielten sich nun die Fußballerinnen in schicken Blusen und Blazern, sie lächelten in Kameras vor einem großen Filmplakat, auf dem sie selbst zu sehen waren. Eine Tür weiter war eine Theke angerichtet mit Popcorn, Eis, Fruchtgummis und Nachos. Häppchen und Aperitifs wurden herumgereicht an die Gäste um die Stehtische, auch Klubpräsident Herbert Hainer war gekommen. Und dann gingen alle dorthin, wo sonst über Tore und Taktik gesprochen wird. Wie praktisch, wenn der Pressekonferenzraum ohnehin eingerichtet ist wie ein Kinosaal – für die Premiere der eigenen Doku-Serie.
Sechs Folgen über die vergangene Saison der Frauen sind produziert worden, seit Donnerstag ist „Mehr als 90 Minuten“ auf dem Youtube-Kanal des FC Bayern zu sehen. Eine Rückschau, und doch genauso eine Vorschau auf die nächsten Monate, zumindest, was das Porträt des Teams angeht. Denn was hängen bleibt bei dieser nahen Beobachtung des Innenlebens, ist die Betonung des Zusammenhalts, das Gefühl, in den Mitspielerinnen eine Familie gefunden zu haben, wie es nicht selbstverständlich ist im Profibetrieb. Eine nach der anderen spiegelt diesen Eindruck; Abwehrspielerin Tuva Hansen erzählt in Episode vier, sie kenne das Gegenteil aus eigener Erfahrung nur zu gut.
Und es ist keine gute Nachricht für die anderen Klubs, dass diese Fußballfamilie seit den Filmaufnahmen wohl noch enger zusammengerückt ist. Denn dieses Verständnis füreinander hat sich auch auf das Zusammenspiel übertragen und scheint auch jene rasch einzunehmen, die von anderen Vereinen in diesen Kreis aufgenommen werden. Das resultierte in der perfekten Bundesliga-Saison 2023/24 ohne Niederlage. Den ersten Titel in der neuen Saison hat es auch schon eingebracht.
„Das hier ist etwas besonders und auch ein großer Grund für unseren Erfolg“, sagt Lea Schüller
Den Supercup im August spielten die Münchnerinnen in seiner Bedeutung zwar vorher alle etwas herunter, viel wichtiger sei die Meisterschaft. Aber dieses Fußballjahr mit einem 1:0 gegen den Dauerrivalen VfL Wolfsburg zu eröffnen, das gefiel ihnen dann doch ziemlich gut. Ein bisschen dürfte das manch eine auch als Revanche für das verlorene Pokalfinale wenige Monate zuvor gesehen haben. Vor allem konnten sie eine Serie dadurch schon mal fortsetzen: Mit Alexander Straus als Trainer hat der FC Bayern nun in jedem der drei Jahre je einen Titel gewonnen. Der Norweger sprach auch am Premieren-Abend von dem „Prozess“, in dem sich das Team und der Verein befinde. Es ist seine Antwort auf viele Fragen, sein Dauerthema im Bestreben, bei den Frauen eine ähnliche Erfolgs-Ära wie jene der Männer zu begründen. Und wohl auch etwas Selbstschutz, wenn es mal nicht so läuft – wie beim Champions-League-Aus in der Vorrunde.
Zur frühen Saisonphase mit noch so vielen Möglichkeiten passte das natürlich gut. Die Frage ist jetzt, ob sich das Team in dieser Entwicklung auf die nächsten Stufen hieven kann, ob also zur Quasi-Pflichtaufgabe der Titelverteidigung noch der Pokalsieg und als Bonus der lang ersehnte Triumph in der Königsklasse dazukommen. Dass nicht viel neu ist, soll dabei helfen. Auf dem Papier mag sich die Transferbilanz mit sechs Weggängen und sechs Zugängen zwar etwas anders lesen. Aber von den prägenden Spielerinnen hat sich keine verabschiedet. „Wir sind quasi die gleiche Mannschaft. Und wir haben vor allem vergangene Saison richtig viel auch außerhalb des Fußballs unternommen, das schweißt zusammen“, sagte Stürmerin Lea Schüller, seit vier Jahren im Verein, nach der Doku-Vorstellung: „Das hier ist etwas besonders und auch ein großer Grund für unseren Erfolg.“
Bianca Rech, im Juli aufgestiegen von der Abteilungsleiterin zur Direktorin der Bayern-Frauen, wird vom Echo der Spielerinnen bestätigt in ihrer Personalauswahl im Rahmen der Professionalisierung. Erst stand auf dem Strategiepapier noch der Titel „Fünf-Jahres-Plan“, seit der Verpflichtung von Straus 2022 lässt sich nun wohl die Überschrift „Prozess“ drüberschreiben – ohne fixen Zeitrahmen, zumindest nicht öffentlich. Einfach weiter, immer weiter soll es gehen. Das hat, auch dank größeren finanziellen Spielraums, zum sicherlich stärksten Kader der Liga geführt. Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot – der sich vom Abschied nach dieser Saison zu einer Vertragsverlängerung bis 30. Juni 2027 umentschieden hat – konstatierte nach dem Supercup: „Für mich ist der FC Bayern der Favorit auf die Meisterschaft.“ Und das klang nicht nach dem üblichen, nonchalanten Abtreten der Favoritenrolle, um Druck vom eigenen Team zu nehmen.
Im ersten Heimspiel der Saison gegen Leipzig geht es darum, wieder die Souveränität aus dem Supercup zu zeigen
Dabei fehlt dem FC Bayern diejenige, die doch von diesem Sommer an den größten Unterschied machen sollte: Lena Oberdorf, gekommen vom VfL, fällt nach ihrem kurz vor den Olympischen Spielen erlittenen Kreuzbandriss lange aus. Darauf reagierte der FC Bayern mit der Verpflichtung der schwedischen Nationalspielerin Julia Zigiotti Olme, 26, vom englischen Erstligisten Brighton & Hove Albion. Aber auch Bianca Rech stellte fest: „Wenn sich eine Spielerin wie Lena Oberdorf verletzt, können Sie den Markt abgrasen, wo es noch eine Lena Oberdorf gibt. Sie ist nicht zu ersetzen.“
Wenn die Fußballerinnen des FC Bayern diesen Freitag gegen RB Leipzig (18.30 Uhr, DAZN) ihr erstes Heimspiel im Campus-Stadion bestreiten, geht es nun darum, wieder die Souveränität aus dem Supercup zu zeigen. Beim Ligaauftakt Ende August gegen Aufsteiger Turbine Potsdam brauchten die Münchnerinnen zwei Standardtore von Linda Sembrant für ihren 2:0-Sieg. Im DFB-Pokal folgte ein 6:0 gegen den SC Sand zum Achtelfinaleinzug, aber Sand spielt in der zweiten Liga. Immerhin lief es da wieder besser mit der Effizienz – dem zweiten Lieblingsthema von Alexander Straus. „Manchmal spielen wir Champagner-Fußball und alles ist perfekt“, sagte der 48-Jährige am Donnerstag. „Aber manchmal musst du dich halt ein bisschen abmühen.“
Und wie reagierte doch Sarah Zadrazil, als sie bei der Premiere zu den Saisonzielen gefragt wurde? Sie lachte, und statt direkt „Titel“ zu sagen, blickte sie herausfordernd zu ihrem Trainer. Dem war die Antwort fast schon unangenehm: „Es ist ein Prozess.“