Longevity: Die Gesundheitsindustrie hat das Ewige Leben für sich entdeckt – Kolumne – Bayern | ABC-Z

Inzwischen kann man keine Kundenzeitung mehr aufschlagen, ohne dass man von einer längeren Strecke über das „Megathema Longevity“ belästigt wird. Kurz gesagt bedeutet Longevity, dass man am besten mit hundert beim Fallschirmspringen stirbt, aber auch nur deshalb, weil der Schirm nicht aufgeht. Alternativ kommt allenfalls noch ein plötzlicher Herztod mit 105 beim Halbmarathon infrage. Wer früher stirbt oder gar das Pflegesystem beansprucht, der hat was falsch gemacht und ist letztlich selber schuld an seinem ruinösen Zustand.
Zugegeben, wenn man die Sechzig überquert hat, studiert man Anleitungen für ewiges Glück und Gesundheit mit neuem Interesse. Schließlich ist am Horizont des Lebens eine dünne Küstenlinie in Sicht gekommen, und wenn man ganz genau hinschaut, glaubt man bereits die eine oder andere Düne zu erkennen. Ein nicht unbedingt attraktiver Ausblick. Es ist halt doch schon 300 Jahre her, das Johann Sebastian Bach die Verse vertont hat: „Komm, süßer Tod, komm, selge Ruh! Komm, führe mich in Friede, weil ich der Welt bin müde.“
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Zum Glück gibt es jetzt aber die Longevity-Industrie. Sie verspricht, dass man bei korrekter Lebensführung den Tod so weit aufschieben kann, dass man sich mit ihm fortan nicht mehr beschäftigten muss. Wenn er irgendwann mal überhaupt kommt, dann plötzlich und lautlos. „Altern wird heilbar“, heißt ein Besteller der Fernsehfrau Nina Ruge, die Sterblichen gefühlt auf allen Covern ewig jugendlich zulächelt. Sie trinkt sehr viel grünen Tee, auch schon mal Olivenpresswasser, isst Weizenkeime als Spermidinlieferant, Leinöl sowieso, misst Puls, Herzfrequenzvariabilität, Tiefschlaflänge. Hanteltraining ist ohnehin obligatorisch zur Vermeidung der Sarkopenie.
Ganz wichtig ist übrigens das Mikrobiom. Man kann es gar nicht oft genug wiederholen: Mikrobiom, Mikrobiom, Mikrobiom. Ein Geheimtipp noch: Die Kryosauna mit bis zu minus 160 Grad stoppt praktisch alle negativen Prozesse in Körper und Geist. Aber Vorsicht: nicht übertreiben!
Was die Vorbereitung aufs eigene Ableben betrifft, bleibt der Mensch dann doch auf sich selbst gestellt. Anleitungen zum richtigen Sterben schaffen es eher nicht in die Bestsellerlisten. Allenfalls das traditionelle Liedgut hat dafür ein paar Zeilen parat: „Mitm Schreiner hab i aa scho gsprocha, er soit ma mei Truha macha. Er soit ma’s macha, und an Deckl drauf aa, und oben drauf trallali, trallala!“





















