Auf die Palme gebracht – Rund um Weihnachten herrscht Hochsaison auf den Farmen in Kalifornien | ABC-Z

Vom Highway aus wirken sie wie unscharfe grüne Inseln inmitten von Wüstensand und Bewässerungsgräben. Erst wenn man die Interstate 8 im Südosten von Kalifornien verlässt, nehmen die Dattelfarmen Formen an: schier endlose Reihen von Palmen mit schlanken Stämmen und fächerartigen Kronen, viele von ihnen zu Weihnachten und zum jüdischen Lichterfest Chanukka behängt mit Beuteln aus hellem Nesselstoff. Die Beutel, erklärt Monica, werden im Sommer über die halb reifen Rispen gezogen. „Leider haben auch Insekten und Vögel etwas für unsere Datteln übrig“, sagt die Vierzigjährige, die bei Imperial Date Gardens, einer der größten Farmen der Region, hinter dem Tresen steht.
Die langen, ovalen Früchte mit der braunen Haut, die das Unternehmen in dem schlichten Verkaufsraum neben der Plantage anbietet, sind nicht irgendwelche Datteln. Die Firma der Familie Nuñez baut die Sorte Medjool an, die „Königin der Datteln“. Die Früchte sind nicht nur größer und weicher als andere. Auch ihr leichter Karamellgeschmack macht sie zur begehrtesten der etwa 3000 Dattelsorten. Imperial Date Gardens und fast 20 weitere Dattelfarmen produzieren jedes Jahr zusammen fast 15 Millionen Kilogramm der Früchte, die an Weihnachten und Chanukka Hochsaison haben. Im christlichen Glauben stehen Datteln für Heiligkeit und Auferstehung. Bei Juden gehören sie neben Weizen, Gerste, Feige, Weintraube, Olive und Granatapfel zu den sieben Früchten Israels.
Die Reise begann vor fast 100 Jahren
Noch abenteuerlicher als die Ernte der Medjools per Hubwagen ist der Weg, den sie bis in Kaliforniens dünn besiedelten Südosten zurückgelegt haben. Ihre Reise begann vor fast 100 Jahren bei einem Besuch des amerikanischen Botanikers Walter Swingle in Marokko. Swingle, ein Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums in Washington, sollte helfen, die Bayoud-Krankheit einzudämmen. Durch den Schimmelpilz Fusarium oxysporum waren in Marokko und Algerien Millionen Dattelpalmen der Krankheit zum Opfer gefallen. Politiker und Züchter waren ratlos und baten in aller Welt um Hilfe.
Auf der Suche nach Pflanzen, die es im heißen Südwesten der Vereinigten Staaten aushielten, schickte das United States Department of Agriculture (USDA) damals immer wieder „landwirtschaftliche Entdecker“ in andere Erdteile. Aus Algerien, Ägypten und dem Irak verschifften sie Ende des 19. Jahrhunderts auch Dattelpalmen, mit denen an Forschungseinrichtungen in Kalifornien und Arizona experimentiert wurde.
Neun Pflanzen überlebten
Während seines Aufenthalts in Nordafrika besuchte der „agricultural explorer“ Swingle damals auch die Oase Boudnib, die Heimat der ersten Medjool-Palme. Wie Donald Hodel, ein Palmenforscher an der University of California, und seine Kollegen rekonstruierten, erwarb Swingle in der Oase im Süden von Marokko elf Ableger und schickte sie nach Hause. Als die Sprösslinge nach einer fünfwöchigen Schiffsreise in Washington ankamen, ließ das USDA sie säubern und verlangte, die Pflanzen einige Jahre isoliert in einer Gegend ohne Dattelpalmen wachsen zu lassen. Die Ausbreitung der Bayoud-Krankheit in Amerika sollte nach den Erfahrungen in Nordafrika vermieden werden.
Im Süden des Bundesstaats Nevada, in der Nähe des Colorado-Flusses, fanden die Scouts des USDA einen Indigenen, der die „Offshoots“ pflegen sollte. Am 4. Juli 1927, dem Unabhängigkeitstag, wurden die ersten „amerikanischen“ Medjools gesetzt. Von den elf Pflanzen der ersten Generation überlebten neun, die bis zum Jahr 1935 zudem 64 Ableger produzierten. Ein Jahr später, nach Aufheben der Quarantäne durch das USDA, wurden die Sprösslinge in die Forschungsstation für Datteln im kalifornischen Ort Indio verpflanzt, um sie Farmern der Wüstenregion anzubieten. Im Coachella Valley im Osten von Los Angeles gab es damals schon einige Dutzend Dattelhaine, die meist kleinere Sorten wie Barhi, Zahidi und Deglet Nour züchteten. Die Newcomer aus der Oase Boudnib fühlten sich aber in Kaliforniens Südosten am wohlsten. Das Bard Valley an der Grenze zu Arizona und Mexiko, geprägt durch Hitze, geringe Luftfeuchtigkeit und Bewässerung durch den Colorado River, gilt heute als Zentrum des amerikanischen Medjool-Anbaus.
Für die Feiertage werden in den Kühlregalen bei Imperial nun neben frischen Medjools auch Datteln angeboten, die mit Schokolade überzogen oder in Geschenkkörben arrangiert sind. „Während der Feiertage stehen Süßigkeiten hoch im Kurs. Bei Medjools braucht man nicht so ein schlechtes Gewissen zu haben wie bei Plätzchen und Schokolade“, sagt Monica und zählt die Nährstoffe der Datteln wie Kalium, Magnesium und Vitamin B auf.
Während die früher an Landstraßen in Südkalifornien verbreiteten Stände mit frischen Früchten und „Date Shakes“, gekühlten Milchgetränken mit Dattelmus, immer seltener werden, blüht das Onlinegeschäft mit gefüllten Medjools, Dattel-Kokosnuss-Pralinen und sogenannten Rainbow Delights, einer Mischung aus kalifornischen Medjools, australischen Aprikosen und britischen Walnüssen. Die üppigen Medjools, so verspricht der Branchenverband Bard Valley Natural Delights, sind dabei in diesem Jahr noch größer als 2024. Die „Königin der Datteln“ gilt, wie es sich für eine Majestät gehört, eben als unberechenbar.





















