Reisen

Skifahren und Strand in Andalusien | ABC-Z

„Es ist ein Habichtsadler“, sagt Pablo Galdo und lächelt, während er den Umriss eines Greifvogels am Himmel über der Sierra Nevada mit dem Fernglas verfolgt. „In letzter Zeit streiten sie sich mit den Steinadlern über die besten Nistplätze.“

Es ist ein stiller Wintermorgen in der Sierra Nevada und Galdo ist wie so oft im Schutzgebiet unterwegs, um Wildtiere zu beobachten. Kaum jemand kennt die Flora und Fauna des andalusischen Hochgebirges besser als der Umweltbeauftragte des Nationalparks. Als Galdo aus dem Tal auf einen Gebirgspfad um den 2079 Meter hohen Trevenque abzweigt, kann er eine Gruppe Andalusischer Steinböcke beobachten. „Im Winter und Frühjahr kann man sie häufig in der Gegend beobachten“, sagt er. Vom Gipfel des Dolomitbergs hat man eine magische Aussicht auf die Dreitausender der Sierra Nevada, die oft bis weit in den Mai hinein schneebedeckt sind. Hoch über dem Dílar-Tal will Galdo heute auch nach Bartgeiern Ausschau halten. „Er war in der Sierra Nevada bereits in den 1980er-Jahren komplett verschwunden“, erklärt er, „erst in den letzten Jahren können wir in Andalusien erste Erfolge bei der Wiederansiedlung von Bartgeiern verzeichnen.“

Der Winter sei eine besondere Jahreszeit, sagt Galdo, „dann sind die meisten Touristen entweder oben beim Skifahren oder unten am Meer. Zum Wandern kommt dann kaum jemand hierher.“ Für Paare und Familien, die sich gerade streiten, ob es im Winterurlaub lieber zum Skifahren oder ganz weit weg an einen sonnigen Strand gehen soll, hat Spaniens Süden die perfekte Lösung. In der Sierra Nevada, dem südlichsten Hochgebirge Europas, ragen die Berggipfel fast 3500 Meter auf. Von Ende November bis Anfang Mai bieten sie in der Regel ideale Bedingungen für Wintersportler. Nur eineinhalb bis zwei Stunden von den Skiliften entfernt liegen bereits die ersten Mittelmeerstrände der Costa Tropical und der Costa del Sol. Morgens zum Skifahren oder Snowboarden, nachmittags zum Sonnenbaden ans Meer – Andalusien macht’s möglich.

Keine Frage: Spaniens Süden ist immer und das ganze Jahr eine Reise wert. Im Sommer ist es hier nur oft unerträglich heiß und an der Küste überall notorisch überfüllt. Auch im Frühling und Herbst wird es an den Stränden kaum weniger voll. Durch Andalusiens berühmte Unesco-Welterbestätten drängen sich dann noch immer die Touristen. Sich durch die Alhambra oder die Altstädte von Córdoba und Sevilla als Teil einer endlosen Menschentraube zu zwängen, raubt diesen historischen Orten von Weltrang jedoch viel von ihrem magischen Glanz. Im Winter aber ist Andalusiens Zauber überall zurück.

Kaum ein Ort in Spanien beflügelt die Fantasie wie die Alhambra in Granada. Für Besucher aller Altersgruppen ist die prachtvolle Festungsanlage mit ihren kühnen Palästen, verschwiegenen Gärten, märchenhaften Spiegelungen in verwunschenen Wasserbecken und fantastischen Brunnen eine Welt der Wunder. Die maurische Burg aus dem 9. Jahrhundert wurde im 13. und 14. Jahrhundert unter der Nasriden-Dynastie zu einem der ruhmvollsten Herrschersitze Europas. Sie gehört bis heute neben der Mezquita, der Kathedralmoschee von Córdoba, und dem Alcazar-Königspalast von Sevilla zu den eindrucksvollsten Zeugen von Al-Andalus, der von 711 bis 1492 andauernden maurischen Herrschaft über die Iberische Halbinsel.

Granada, Córdoba und Sevilla sind indes längst nicht die einzigen andalusischen Städte, die sich gerade im Winter für eine Erkundung lohnen. Auch Úbeda und Baeza gehören zum Welterbe und begeistern mit ihren Renaissance-Palästen und Kirchen aus dem 16. Jahrhundert. Indes begeistern Andalusiens Naturschutzgebiete Winterurlauber, die sich vor allem für die einzigartige Fauna und Flora Spaniens interessieren. In den Sümpfen, Lagunen, Pinienwäldern und Dünenlandschaften des Doñana-Nationalparks kann man Flamingoschwärme und mit sehr viel Glück auch Iberische Luchse beobachten.

Nach dem Stadtrundgang oder der Wanderung lockt der Strand. Wenn schon nicht zum Baden, so begeistert ein Ausflug zum Sandburgenbauen und Muschelsuchen in jedem Fall auch im Winter die Kleinsten. Vor allem in der Region um Marbella an der Costa del Sol herrscht selbst von Dezember bis Februar meist ein angenehmes Mikroklima. Abgeschirmt von dem dahinter aufragenden Gebirge der Sierra Blanca, genießt der Küstenort etwa eine Autostunde südwestlich von der andalusischen Hauptstadt Málaga bis zu 320 Sonnentage im Jahr.

Marbella war Anfang des 20. Jahrhunderts ein unbedeutendes Fischerdorf, das in den 1930er-Jahren aufgrund seiner angenehmen Temperaturen im Winter zunächst vom spanischen Adel entdeckt wurde. Ihm folgte ab den 1950er-Jahren der internationale Jetset. Brigitte Bardot, Ava Gardner, Frank Sinatra und Sean Connery gehörten zu den zahlreichen illustren Gästen, die Marbella bald den Ruf eines Rückzugorts der Reichen und Schönen einbrachten. Heute nutzen Paare und Familien aus ganz Europa die Costa del Sol für eine Winterflucht. Anders als an vielen anderen Orten Spaniens haben die meisten Hotels in Marbella das ganze Jahr über geöffnet.

„Es verwundert niemanden, dass der Flamenco hier im Süden Spaniens geboren wurde“, sagt Christina Pagés, „nirgendwo sonst ist das Vermächtnis von Al-Andalus noch heute so deutlich spürbar.“ Die Tänzerin hat gerade gemeinsam mit ihrer Gruppe ihr Publikum ganz für Andalusiens wohl berühmtestes kulturelles Erbe begeistert. In einem Tablao, einem historischen Flamenco-Lokal, in der Altstadt Marbellas nahe des weiß getünchten Santo-Cristo-Kirchleins, hallen das bebende Tremolo der Gitarren und die atemlose Abfolge der Tanzschritte noch lange nach.

Im Winter ziehen die Veranstaltungen vermehrt auch Einheimische in die Tablaos und machen für Gäste erst richtig erlebbar, dass Flamenco für die Andalusier viel mehr ist als nur eine Tanzaufführung für Touristen. „Für uns ist es eine Lebensform, ja, eine Religion“, sagt Pagés, die in Granada mit Flamenco groß geworden ist. „Es liegt uns einfach im Blut und wir möchten, dass unsere Gäste etwas von seiner Kraft mitnehmen.“

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