Kultur

Trump, Venezuela und was vom Völkerrecht übrigbleibt | ABC-Z

Schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit ließ Donald Trump durchblicken, was er von der Idee einer auf Völkerrecht gegründeten Weltordnung hält. Phantasien über den Kauf Grönlands, die Umbenennung des Golfs von Mexiko, das Kokettieren mit Kanada als 51. Bundesstaat, Pläne für ein Golfresort im Gazastreifen – das war mehr als schräge Folklore eines prahlerischen Präsidenten. In seinen Worten schimmert eine Einstellung durch, für die das Selbstbestimmungsrecht und die Souveränität der Völker unverbindliche Größen sind.

Inzwischen lässt Trump es nicht bei Besitzphantasien auf der Landkarte bewenden, sondern unternimmt im Ausland militärische Alleingänge. Seit September lässt er Boote in der Karibik und im Ostpazifik angreifen, von denen seine Mitarbeiter behaupten, sie transportierten Rauschgift. Trump rechtfertigt die Militäreinsätze mit dem Kriegsrecht. Er sieht die USA in einem bewaffneten Konflikt mit lateinamerikanischen Narco-Terroristen.

Kriminalität ist kein Kriegsgrund

Der juristische Kunstgriff Washingtons ist durchsichtig. Wer Kriminalität zum Krieg erklärt, versucht, von Polizei- auf Kriegsrecht umzuschalten und aus Verdächtigen Kombattanten zu machen. Doch Rauschgiftschmuggel, so verheerend seine Folgen für die Bevölkerung eines Landes auch sein mögen, begründet keinen solchen Konflikt. Drogenkartelle sind keine Staaten, ihre Schnellboote keine Panzerbataillone. Das ist keine begriffliche Haarspalterei, sondern der Kern des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Nur wenn die Schwelle für einen bewaffneten Konflikt hoch ist, bleibt die Legitimierung tödlicher Gewalt die äußerste Ausnahme.

Rechtsstaaten setzen bei Verbrechen auf Ermittlungen, Festnahmen, Anklagen und Gerichtsverfahren. Wer Boote bombardiert und dabei Menschen tötet, entzieht ihnen jedes Recht auf ein faires Verfahren. Er macht sich selbst zum Richter und exekutiert einen bloßen Verdacht. Auch bei den jüngsten Beschlagnahmungen von Öltankern tritt Washington als Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person auf und setzt nationale Interessen ohne internationale Legitimation durch.

Interessen und Recht

Dieser Völkerrechtsnihilismus ist freilich kein Produkt Trumps zweiter Amtszeit. Schon in seiner ersten Regierungsperiode verließ Trump internationale Organisationen und behandelte multilaterale Absprachen eher als Problem denn als Lösung. Neu ist das alles nicht. Schon viele seiner Vorgänger stellten amerikanische Interessen über internationales Recht.

Ronald Reagan zog 1985 eine Erklärung zurück, mit der sich die Vereinigten Staaten fast vier Jahrzehnte zuvor der allgemeinen Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs unterworfen hatten. Zuvor hatte seine Regierung in einem Rechtsstreit mit Nicaragua den Kürzeren gezogen. Ausgerechnet jener Staat zog sich damit aus dem Weltgericht zurück, das die regelbasierte Ordnung nach 1945 maßgeblich mitbegründet hatte.

Es folgten weitere Rückschritte: George W. Bush zog die amerikanische Unterschrift unter dem Statut des ebenfalls in Den Haag ansässigen Internationalen Strafgerichtshofs zurück und ebnete den Weg für die bis heute andauernde Unterminierung des Weltstrafgerichts. Die Anschläge vom 11. September und der Krieg gegen den Terrorismus beschleunigten den Entfremdungsprozess. Wo Legitimität aus dem Völkerrecht hätte erwachsen sollen, wurde immer häufiger das nationale Interesse in den Vordergrund geschoben.

Auch unter Barack Obama klafften Anspruch und Wirklichkeit auseinander: Zwar hielt er rhetorisch an der Idee einer regelbasierten Ordnung fest. Gleichzeitig machte er tödliche Drohneneinsätze im Ausland zum festen Instrument amerikanischer Außenpolitik.

Aktiv gegen die internationale Ordnung

Unter Donald Trump hat die Entfremdung jedoch ein neues Stadium erreicht. Washington begegnet völkerrechtlichen Institutionen nicht mehr mit Skepsis, sondern arbeitet aktiv gegen die internationale Ordnung an. Sichtbar wird das insbesondere an den Sanktionen, die gegen Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs verhängt wurden, um dessen Arbeit zu erschweren.

Die Idee einer auf Völkerrecht gegründeten Weltordnung lebt davon, dass gerade die Mächtigen ihr verpflichtet bleiben. Beginnt einer ihrer Architekten, sie zu demontieren, gerät das ganze Gefüge ins Wanken. Andere Staaten können sich auf Washington berufen, um eigene Regelverstöße zu rechtfertigen. Schon jetzt fehlt es den westlichen Demokratien an Glaubwürdigkeit, wenn sie den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands verurteilen, während einer ihrer wichtigsten Mitbegründer die regelbasierte Ordnung untergräbt.

Das Völkerrecht befindet sich auf einem gefährlichen Kurs. Ob eine Kehrtwende gelingt, hängt davon ab, ob andere Staaten dem amerikanischen Völkerrechtsnihilismus widerstehen und das Recht weiterhin zur Grundlage ihres Handelns machen.

Back to top button