Höherer Preis: 63 Euro fürs Deutschlandticket – und das Klima? | ABC-Z

Zum 1. Januar wird das Deutschlandticket teurer – es kostet dann 63 Euro. Forschende sagen: Je teurer das Ticket, desto geringer der Umstiegseffekt. Daher fordern sie einen deutschlandweit einheitlichen Sozialtarif.
Fragt man Verkehrsforscherinnen und Verkehrsforscher, dann sehen die meisten das Deutschlandticket als klare Erfolgsgeschichte: Es hat das Bus- und Bahnfahren für viele Menschen günstiger und einfacher gemacht. Und bei zwölf bis 16 Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wäre ohne das Ticket der Pkw genutzt worden.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Überblicksstudie des Forschungsprojekts Ariadne. Das Deutschlandticket spare so auf das Jahr gerechnet bis zu 6,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen ein – also rund vier Prozent der gut 140 Millionen Tonnen Treibhausgase, die im gesamten Verkehr in Deutschland zur Zeit pro Jahr entstehen.
Flatrate-Tarife können Alltagsroutinen ändern
“Flatrates funktionieren”, sagt Martin Lanzendorf, Professor für Mobilitätsforschung an der Frankfurter Goethe-Universität. Da sei man sich in der Verkehrsforschung einig. Es geht um Jahres- oder Monatstickets, für die man ein Mal zahlt und mit denen man unbegrenzt fahren kann. Die Einführung von Flatrate-Tarifen bringe Menschen dazu, ihre Alltagsroutinen zu ändern und zum Beispiel vom Pendeln mit dem Auto dauerhaft aufs Pendeln mit der Bahn umzusteigen.
Nicht jede und jeden, sagt Lanzendorf, aber etwa “diejenigen, die möglicherweise eh schon überlegt hatten, ob das nicht etwas für sie wäre”, weil man im Zug etwas lesen könne, oder weil man es als angenehmer empfinde, nicht selbst hinter dem Steuer zu sitzen. Allerdings basiert die Auswertung der Ariadne-Studie auf der Zeit von Mai 2023 bis Ende 2024, als das Deutschlandticket 49 Euro kostete. Anfang 2025 ist der Preis auf 58 Euro hochgegangen, und ab Januar wird das Deutschlandticket 63 Euro pro Monat kosten.
Je teurer das Ticket, desto schlechter fürs Klima?
Klar ist: Je teurer das Ticket, desto geringer der Umstiegseffekt, sagt Philine Gaffron, Verkehrswissenschaftlerin und Projektleiterin beim Thinktank Agora Verkehrswende. In Befragungen hätten 42 Prozent der aktuellen Nutzer und Nutzerinnen des Deutschlandtickets angegeben, dass sie bei “substanziell höheren Preisen” wieder auf den Pkw umsteigen würden. Gilt beim Deutschlandticket also: Je günstiger, desto klimafreundlicher?
Die Grünen fordern in ihrem Parteiprogramm seit Neuestem, den Preis für das Deutschlandticket wieder auf neun Euro zu senken – so wie beim “9-Euro-Ticket”, das es 2022 für einige Monate gab. Die Linke plädiert dafür, den ÖPNV auf Dauer komplett kostenlos zu machen – ein 0-Euro-Ticket für alle sozusagen.
Sind 63 Euro noch gerecht?
Von sehr günstigen Tickets profitieren nicht nur Pendlerinnen und Pendler, sondern auch Haushalte, die sich weder den eigenen Pkw noch die Monatskarte leisten können – in der Verkehrsforschung spricht man von “Mobilitätsarmut”. Und ein Deutschlandticket für 49, 58 und bald 63 Euro kann sich – anders als beim 9-Euro-Ticket – eben nicht mehr jeder leisten.
Gaffron rechnet vor: Beim Bürgergeld seien aktuell monatlich 50,49 Euro für Mobilität vorgesehen, “also noch nicht einmal die Kosten für ein Deutschland-Ticket”, geschweige denn für Tickets für mehrere Personen im Haushalt. Sowohl Lanzendorf als auch Gaffron sind allerdings auch skeptisch, ob ein Ticket für unter zehn Euro überhaupt realisierbar wäre. “Die gängige Meinung ist, dass das einfach zu teuer wäre”, so Lanzendorf – für die Verkehrsunternehmen wohlgemerkt beziehungsweise den Staat, der dann einspringen müsste. Schon durch das 49-Euro-Ticket seien den Verkehrsanbietern Einnahmen weggebrochen, ergänzt Gaffron und dieses Geld fehle jetzt unter anderem beim Ausbau des Öffentlichen Verkehrs.
Deutschlandticket-Sozialtarif
Einfach, günstig, klimafreundlich und gerecht – das scheint also fast unmöglich. Einige fordern als Kompromiss-Preis monatlich 29 Euro, so etwa Verkehrsforscher Andreas Knie, Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Gaffron plädiert zusätzlich zum regulären Deutschlandticket für einen einheitlichen Standard-Sozialtarif. Denn aktuell gebe es zwar vielerorts vergünstigte Deutschlandtickets für ärmere Haushalte, aber das sei sehr undurchsichtig und unterscheide sich je nach Bundesland oder sogar Landkreis.
Jede dritte Kommune sehr schlecht versorgt
Und – auch das gehört zum Bild – gerecht ist es sicherlich auch nicht, dass viele Menschen in Deutschland, ob reich oder arm, bei längeren Strecken nach wie vor gar keine echte Wahl haben beim Verkehrsmittel. Denn abseits der größeren Städte ist der öffentliche Nahverkehr oft ziemlich dürftig ausgebaut – das zeigt etwa der “ÖV-Atlas” von Agora Verkehrswende, der für jeden Landkreis und jede Kommune darstellt, wie dicht das Netz aus Bussen und Bahnen ist.
Rund ein Drittel der Deutschen lebt demnach in Kommunen mit zumindest halbwegs guter Bus- und Bahn-Anbindung, ein Drittel in Kommunen mit wenig Verbindungen, und ein Drittel hat so gut wie gar keine Möglichkeiten, Bus und Bahn zu fahren. Andersherum betrachtet: Wer das Deutschlandticket langfristig wirklich zum Erfolgsmodell machen will – für Menschen und Klima – der muss nicht nur einen fairen Preis-Kompromiss finden, sondern auch die Bus- und Bahnverbindungen weiter ausbauen.





















