Borussia Dortmund: Erst Ergebnisfußball, dann Benimmunterricht – Sport | ABC-Z

Ein paar Tage vor Heiligabend hätte man mit weniger Ruppigkeit rechnen können. Aber wie es so ist mit der Vorweihnachtszeit: Bevor die große Stille eintritt, geht es oft hektisch zu. Also etwa mit einem keifenden Karim Adeyemi, mit blutigen Stutzen wie aus alten Zeiten, ungeahndeten Fouls im Strafraum und am Ende mit einem 2:0 für Borussia Dortmund gegen die Borussia aus Mönchengladbach, das BVB-Kapitän Emre Can nach dem Abpfiff trefflich als „Arbeitssieg“ markierte, „für den wir hart schuften mussten“.
Von der Lebkuchenharmonie, die vor dem Spiel das gemeinsame Absingen von Dortmunds inoffizieller Vereinshymne „Leuchte auf, mein Stern Borussia“ verbreitet hatte, war jedenfalls schon nach wenigen Minuten des Borussenduells kaum noch etwas übrig. Das Schuften, von dem Can später berichtete, als wäre er gerade aus einem Bergwerk unter Tage ausgefahren, begann mit Anpfiff. Dass der „Leuchte auf“-Song der Legende nach auf einem englischen Sklavenschiff in Seenot entstanden sein soll, das dann auf wundersame Weise gerettet wurde, passte an diesem Abend zur aktuellen Spielweise beider Borussias.
Am Ende zog beim BVB wieder mehr Besinnlichkeit ein; Julian Brandt berichtete zumindest von der Genugtuung, „endlich mal mit dem guten Gefühl eines Sieges zum Jahresabschluss“ den Platz verlassen zu haben. Das lag auch daran, dass die erste grobe Ruppigkeit des Abends, ein auffälliges Umreißen des Gladbachers Philipp Sander durch Dortmunds Serhou Guirassy, durch Schiedsrichter Sven Jablonski ungeahndet blieb. So segelte eine perfekt geschlagene Flanke des Rückkehrers Niklas Süle über die Köpfe aller Gladbacher hinweg und vor die Füße von Brandt, der mit einem technisch perfekten Schuss den Führungstreffer erzielte – es war bereits sein viertes Tor im dritten Heimspiel nacheinander. Hätten Jablonski oder VAR-Schiedsrichter Günter Perl das klare Foul von Guirassy abgepfiffen, das Spiel hätte womöglich einen anderen Verlauf genommen.
:Ter Stegen und die Frage: Wie geht es weiter?
Nach Monaten kehrt der Torhüter für ein Pokalspiel ins Tor des FC Barcelona zurück. Doch ein Stammplatz, den er für eine WM-Teilnahme braucht, ist nahezu ausgeschlossen – und Plätze bei europäischen Topklubs sind rar.
Gladbachs Trainer Eugen Polanski, dessen Idee von Fußball der seines Dortmunder Kollegen Niko Kovac weitestgehend ähnelt, monierte genau das: „Es gab später ja auch eine mögliche Elfmeterentscheidung gegen uns nicht. Aber es macht eben einen Unterschied, ob es in der zehnten Minute passiert oder zehn Minuten vor Schluss.“ Polanski, sprach damit an, was auch in Dortmund seit Wochen wie ein Elefant im Raum steht. Beide Borussias setzen auf defensive Klarheit, auf enorme kämpferische Verve, aber beide kommen selten zu Torchancen. Ein einziger Einschlag kann deshalb den Ausschlag geben.
„Es fühlt sich schon besser an“, fasste Dortmunds Julian Brandt später zusammen, „dass wir dieses Mal nicht in den Schlussminuten noch ein Gegentor bekommen haben, sondern selbst in der Nachspielzeit getroffen haben“. Tatsächlich gelang dem eingewechselten Maximilian Beier erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit bei einem Konter das 2:0, das Dortmund zumindest zwischenzeitlich auf den zweiten Tabellenplatz vor Leipzig und hinter den enteilten Münchnern schob. Zwischen Brandts 1:0 und diesem Schlusspunkt lagen ungezählte Fehlpässe wie bärbeißige Balleroberungen auf beiden Seiten. Man freute sich schon über halbe Torchancen, wie die des starken Florian Neuhaus, der bei seinem Schussversuch von Emre Can abgeblockt wurde. Der Dortmunder handelte sich dabei eine blutende Wunde am Schienbein ein.
Am Ende fehlte Gladbach bei allem Widerstandswillen, aller defensiven Stabilität, die Polanski seiner Auswahl in bemerkenswert kurzer Zeit verschafft hat, der letzte Zug zum gegnerischen Tor. Vielleicht auch wegen des Fehlens des noch verletzten Nationalstürmers Tim Kleindienst. Auf der anderen Seite war es mit der Spielentwicklung auch nicht weit her, jedenfalls gemessen am Tabellenplatz und der Gehaltsstruktur des BVB. Mittelstürmer Guirassy hat in den vergangenen elf Spielen nur einmal getroffen, seine Ausbeute liegt in dem Zeitraum auch nur knapp über der des dauerverletzten Kleindienst.
Karim Adeyemi flucht und schimpft – und muss mit einer Geldstrafe rechnen
So lebte das Spiel vom Einsatz, von der Brisanz, der Spannung des knappen Spielstandes. Schiedsrichter Jablonski hätte den von Polanski erwähnten Zweikampf zwischen Nico Elvedi und Maximilian Beier noch als Elfmeter für Dortmund auslegen können, aber er ließ auch diese Szene laufen. Beier hatte später bei einem weiteren Konter allein vor Gladbachs Torwart Moritz Nicolas eine riesige Torchance; Gladbachs 16-jähriger Wael Mohya zwang mit einem knallharten Schuss Dortmunds Torwart Gregor Kobel zu einer Glanztat – das war es dann schon an offensiven Glanzpunkten auf beiden Seiten.
Über die eigene Leistung und die sonstigen fußballerischen Fehlzündungen seiner Mannschaft steigerte sich Dortmunds Karim Adeyemi kurz nach der Pause sogar derart in Rage, dass er nicht mehr aufhören wollte, sich zu beklagen und Gegenspieler und Schiedsrichter zu beschimpfen. Als sein Trainer Niko Kovac ihn dann auswechselte, drosch Adeyemi in schöner Flugbahn eine Trinkflasche auf den Rasen. Als er anschließend mit seiner warmen Jacke bewaffnet in die Kabine stapfen wollte, stellte sich BVB-Sportchef Sebastian Kehl in den Weg: „Du gehst nicht in die Kabine, du setzt dich hier auf die Bank“, soll Kehl dem Wüterich eingetrichtert haben. Adeyemi fluchte dann auf der Bank weiter vor sich hin.
„Wir wollen so etwas nicht mehr sehen“, versicherte Kehl nach dem Spiel, „Karim wird dafür auch eine Geldstrafe bekommen.“ Ergebnisfußball, plus Benimmunterricht: Das muss bis Weihnachten in Dortmund reichen.





















