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Gauting: Käppi-Lehrer wird versetzt – Starnberg | ABC-Z

Der 49 Jahre alte Starnberger leitete im vergangenen Schuljahr die bilinguale vierte Klasse in Gauting, ein durchaus anspruchsvoller Posten, die Starnberger Schulbehörde spricht von einem „besonderen Angebot“, das einzigartig im Landkreis sei. Nun gehört Burkert zu den Aushilfskräften, die dort einspringen, wo Lehrkräfte ausfallen. Sein erster Einsatzort ist die Oskar-Maria-Graf-Grundschule in der Gemeinde Berg am Starnberger See.

Burkert trägt gern Kappe, auch in der Schule. Daran störten sich offenbar die Schulleiterin in Gauting sowie die stellvertretende Schulamtsleiterin, welche Burkert schließlich im Frühjahr schriftlich aufforderte, die Mütze nicht mehr zu tragen. Ein Käppi sei „kein angemessenes Kleidungsstück“ für eine Lehrkraft, hieß es. Burkert verstand nicht recht, was an einer Schirmmütze unangemessen sein sollte. Anstatt der Dienstanweisung nachzukommen, ließ er das Käppi auf und kritisierte die Maßregelung öffentlich. Dafür erhielt der verbeamtete Lehrer viel Zuspruch. Vereinzelt aber gab es auch Kritik nach dem Motto: Warum macht er ein so großes Ding daraus und nimmt die Kappe nicht einfach ab? Nahezu jeder hatte eine Meinung, bis die Debatte verebbte.

Nun also die Versetzung. Der Starnberger, der 15 Jahre lang bei einer PR-Firma in Hamburg angestellt war, bevor er sich entschied, Lehramt zu studieren, mag sich in der Presse nicht mehr dazu äußern. In seinem privaten Whatsapp-Status hat er sich von der Josef-Dosch-Grundschule mit einem Foto seines alten Klassenzimmers verabschiedet, darunter der Text: „Bye, Bye Gauting. Alles zu seiner Zeit. Wünsche mir in der Bildung, dass mehr Wert auf wichtige Themen gelegt wird und mehr Mut zur Veränderung entsteht!“ Doch zunächst scheint sich Burkert verändern zu müssen, der störrische Lehrer. Und zwar an der Schule, die nach dem störrischen Bäckersbuben Oskar Maria Graf benannt ist. Ironie des Schicksals, ein Stück Freiheit für einen Freidenker oder aber die Bestrafung eines Unbeugsamen durch die Behörde?

Mit einer Statusmeldung beim Massengerdienst Whatsapp verabschiedet sich Marcus Burkert von der Josef-Dosch-Grundschule in Gauting. (Foto: privat)

Das Schulamt will sich zur Versetzung Burkerts nicht äußern. Es handele sich um Personalangelegenheit, und man wolle „die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten“ schützen. Nur so viel: „Eine Umsetzung innerhalb des Landkreises aus dienstlichen Gründen ist nicht unüblich.“ Und auch der Wechsel in den Aushilfsdienst der mobilen Reserve gehöre zum Job. Rechtliche Grundlage ist eine Bekanntmachung des Kultusministeriums aus dem Jahr 2000, in der es heißt: „Die Tätigkeit in der mobilen Reserve ist Teil der Dienstpflichten jeder Lehrkraft.“ Grundsätzlich könnten alle Lehrkräfte dafür herangezogen werden. Bei der Auswahl hat das Schulamt „dienstliche und persönliche Belange zu würdigen“. Verschont werden sollen lediglich jene, die das 50. Lebensjahr vollendet haben oder im ersten Schulhalbjahr vollenden. Marcus Burkert ist im Sommer 49 geworden.

Der Starnberger, der vor seiner Zeit in Gauting in München unterrichtet hat, bezeichnet sich gern als Lehrer aus Überzeugung. Einer, der seinen Schülern mehr vermitteln will, als nur das, was im Lehrplan steht: Empathie, Respekt, soziales Miteinander. Mit seiner Klasse in Gauting hat Burkert diverse Ausflüge und Projekte gemacht; nun muss er täglich damit rechnen, dass sich sein Einsatzort ändert und seine Schülerinnen und Schüler andere sind. Er ist einer von etwa 2250 Grund- und Mittelschullehrerinnen und -lehrern in Bayern, die in dieser Funktion den Unterricht an allen Schulen sicherstellen sollen.

Die Schule im Berger Ortsteil Aufkirchen ist nach Oskar Maria Graf benannt. (Foto: Arlet Ulfers)
Der Schriftsteller wuchs hier auf, ein Denkmal unweit der Schule erinnert an ihn. (Foto: Arlet Ulfers)
Nun ist die Schule der zunächst neue Einsatzort von Marcus Burkert. (Foto: Arlet Ulfers)

Im Landkreis Starnberg besteht die mobile Reserve aus insgesamt 45 Grund- und Mittelschullehrern und vier Fachlehrern. Sie decken Vertretungsbedarfe ab, weil Lehrer durch Krankheit, Mutterschutz oder Elternzeit ausfallen oder aber während des Schuljahres aus dem Schuldienst ausscheiden. Wie lange Burkert im Aushilfsdienst bleiben muss? „Die Verwendung in der mobilen Reserve soll zusammenhängend zwei Schuljahre nicht überschreiten“, heißt es in der Bekanntmachung.

Nun also erst einmal die Grundschule in Aufkirchen. Eine deutlich kleinere Nummer als Gauting, knapp 220 Kinder werden dort von 18 Lehrern unterrichtet. Schulleiterin Silke Rogosch mag sich nicht zu ihrem neuen Kollegen äußern und auch nicht dazu, wie man an der Schule grundsätzlich zu Kopfbedeckungen steht. Auf der neu gestalteten Homepage heißt es lediglich, man freue sich, drei neue Kolleginnen und Kollegen in der Schulgemeinschaft aufnehmen zu dürfen. Doch zumindest den Worten auf der Homepage nach hält man es hier ganz mit dem Namensgeber Graf, der einst selbst einmal die Aufkirchner Schule besucht hatte. Demnach wehe dessen Geist für Demokratie, Menschlichkeit und Gerechtigkeit auf jeden Fall durch die Schule. Das dürfte Burkert gefallen, ebenso wie das Graf-Zitat, das alle virtuellen Besucher empfängt: „Wahre Bildung unterscheidet sich von jener, die sich als solche ausgibt, dadurch, dass sie keine Enge kennt, alle Grenzen durchbricht und über die Zeit hinauswirkt.“

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