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Haar: BRK-Retter im Einsatz – Landkreis München | ABC-Z

Die Tür steht offen. Auf ein kurzes Hallo folgt ein Servus und sofort ist man beim Du. Bei Moritz Wagner, Kilian Koll und Leonhard Gentner gibt es kein Fremdeln. Genauso schnell ist klar, dass die drei jungen Männer trotz der betonten Lässigkeit im dritten Stock des Haarer Büroturms keine Studenten-WG bewohnen. Es ist nicht nur viel zu ordentlich dafür. Sie tragen orangefarbene Einsatzkleidung. Willkommen beim Roten Kreuz.

Die drei haben sich an diesem frühen Montagabend im BRK-Bereitschaftsraum an der B304 zu einer Schicht verabredet. Sie bilden die „Helfer-vor-Ort“-Einheit in der Stadt im Münchner Osten. Vor dem 60 Meter hohen Hochhaus auf dem Gehweg steht ihr Einsatzwagen. Sobald jemand in Haar oder im Umkreis einen medizinischen Notfall erleidet, und sie alarmiert werden, brausen sie los. Dann ist es mit der Lässigkeit vorbei. Ein Rädchen greift ins andere. Das Trio ist professionell unterwegs; entsprechend ausgebildet, ausgestattet und motiviert. Das formelle „Sie“ brauchen sie nicht. „Im Rettungsdienst gibt es das gar nicht, das hindert nur“, sagt der 24-jährige Leonhard Gentner.

Er ist mit den anderen von der örtlichen BRK-Bereitschaft, also dem BRK-Ortsverband in Haar, ein wichtiger Mosaikstein im System der Notfallversorgung im Münchner Osten. Eine besondere Rolle spielt dabei die Helfer-vor-Ort-Einheit. Im Jahr 2024 kam diese bei ihren Bereitschaftsdiensten an Wochenenden und manchmal unter der Woche zu 250 Einsätzen. „Dieses Jahr wird es mehr“, sagt Gentner. Vier bis fünf Mal würden sie an einem Wochenende gerufen. Und nicht selten zu dramatischen Notlagen. So hätten sie in den vergangenen zwei Monaten etwa zehnmal Personen reanimiert.

Letztens, so sagt Bereitschaftsleiter Wagner, habe ihnen ein Arzt attestiert, dass sie einen „maßgeblichen Einfluss“ darauf gehabt hätten, dass ein Patient ohne bleibende Schäden überlebt habe. Der große Vorteil sei, dass sie schnell in fünf, sechs, sieben Minuten beim Patienten sein könnten – mitunter entscheidende Minuten über Leben oder Tod. Selbst in einer Stadt wie Haar, in direkter Nachbarschaft zu München sei solch schnelle Hilfe nicht selbstverständlich gewährleistet, sagt Wagner.

Der Helfer-vor-Ort-Dienst in Haar ist aus einer privaten Initiative entstanden

Zwar sind in Trudering und am Katastrophenschutzzentrum des Landkreises München an der Vockestraße in Haar Rettungswagen stationiert. Aber was ist, wenn die Hauptamtlichen anderweitig gebunden sind? Dann springt der Helfer-vor-Ort in Haar ein. Dass es den überhaupt gibt, ist den drei Freunden zu verdanken.

Vor bald drei Jahren haben die drei Freunde beschlossen, den Helfer-vor-Ort-Dienst in Haar aufzubauen und schließen damit eine Versorgungslücke, wie mehr und mehr klar wird. Sie hätten damals mit dem Rettungs-Zweckverband über Modalitäten und Zulassung verhandelt, erzählt Wagner, beim BRK Unterstützung organisiert und sich entsprechend aufgestellt. Am 1. Juli 2023 ging ihr Helfer-vor-Ort an den Start, eingebunden in das Rettungssystem im Münchner Osten. Anfangs stand ein alter Skoda Oktavia als Einsatzwagen vor dem Büroturm, ein Fahrzeug mit 350 000 Kilometern auf dem Tacho. Seitdem leisten die BRKler Einsätze, von denen Wagner zufolge zu wenige wüssten, dass sie voll ehrenamtlich erbracht würden. Es gebe Fortbildungen, interessante Angebote vom BRK, sagt er, aber dafür sonst „keinen Cent“.

Der Einsatzwagen steht vor dem Haarer Büroturm bereit: Bei Alarm sind Leonhard Gentner, Bereitschaftsleiter Moritz Wagner und Kilian Koll (von links) innerhalb weniger Minuten bei den Patienten. (Foto: Sebastian Gabriel)

Der schrille Klang eines Martinshorns ist bei dem Treffen bis rauf in den Bereitschaftsraum zu hören. Ein Einsatzfahrzeug muss offenbar gerade schnell über die Kreuzung der B304 zum Jagdfeldring, an der der Büroturm steht. Leonhard Gentner meint in aller Ruhe, das sei sicher der Haarer BRK-Rettungswagen. Wenn der ausrückt, sind die ehrenamtlichen Helfer-vor-Ort nicht zwingend dabei. Die Einsatzleitzentrale alarmiert den Rettungswagen und den Notarzt nach festgelegten Kriterien und in einem halb automatisierten Verfahren, in dem auch die Helfer-vor-Ort integriert sind. Sie werden bei Bedarf dazugeholt, wenn es um lebensbedrohliche Situationen geht oder größere Einsätze. Vor allem aber sind sie gefragt, sobald der Rettungswagen mit den Hauptamtlichen bereits im Einsatz oder unterwegs ist.

Das werde zunehmend wichtig, sagt Wagner. Es gebe viele Szenarien. So könne es sein, dass der Rettungswagen nach einem Einsatz einen Patienten ins Harlachinger Krankenhaus bringe. Solche Fahrten bänden die hauptberuflichen Retter beträchtlich. Das könne bei weiteren Alarmfällen schnell kritisch werden. Ein anderer Rettungswagen müsse dann eventuell aus München kommen. Einmal habe ein Rettungswagen aus Ismaning anfahren müssen, sagt Wagner. Je öfter der Rettungswagen im Einsatz sei, desto öfter würden sie als ehrenamtliche Absicherung gebraucht.

Jacken der Rotkreuz-Helfer: Rot und orange dominieren im Bereitschaftsraum.
Jacken der Rotkreuz-Helfer: Rot und orange dominieren im Bereitschaftsraum. (Foto: Sebastian Gabriel)

Kilian Koll steht auf und geht ans andere Ende des Bereitschaftsraums und demonstriert, wie sie alarmiert werden. Er schaltet die mit der Einsatzzentrale verbundene Haussirene an. Ein schriller Ton heult auf. Das Smartphone mache sich auch bemerkbar, sagt er wieder am Tisch, das Funkgerät und der kleine Piepser in der Tasche.

Die drei BRKler kennen sich seit ihrer Zeit auf dem Ernst-Mach-Gymnasium. Er sei dort im Schulsanitätsdienst gewesen, erzählt Kilian Koll, der mit 29 Jahren der älteste von ihnen ist und sich als erster fürs BRK begeistert hat. Der Rettungsdienst habe ihn gereizt. „Das hat Spaß gemacht“, sagt er. In der Folge hätten über den Schulsanitätsdienst über Jahre junge Leute den Weg zum BRK gefunden. Kilian Koll und Moritz Wagner absolvierten die Ausbildung zum Rettungssanitäter. Leonhard Gentner machte das Engagement zum Beruf und hängte eine dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter dran. Er fährt heute hauptberuflich im Rettungsdienst und gehört zum Team, das in Haar an der Vockestraße stationiert ist.

„Wir wollten mehr machen, als einen 08/15-Helfer“, sagt Koll. Die drei führen die Bereitschaft in Haar vom BRK, die auch Sanitätsdienste auf der Künstlermeile in Haar oder in der Fröttmaninger Arena leistet, wenn der FC Bayern München spielt. Die Haarer sind Bestandteil der Katastrophenschutzplanung im Landkreis und für die Behandlung und den Transport von Personen vorgesehen. Zwei Einsatzfahrzeuge stehen dafür in einer Garage am Gewerbeplatz an der Blumenstraße, die man sich behelfsmäßig mit einer Firma teilt. Moritz Wagner erzählt, er führe gerade Gespräche mit Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), um deutlich zu machen, dass man eine bessere, professionellere Unterkunft für das Haarer BRK mit seinen Fahrzeugen und 40 Mitgliedern brauche.

Das Rote Kreuz in Haar prangt im Bereitschaftsraum im dritten Stock des Büroturms.
Das Rote Kreuz in Haar prangt im Bereitschaftsraum im dritten Stock des Büroturms. (Foto: Sebastian Gabriel)

Der Rotkreuz-Einsatzwagen der Helfer vor dem Turm in Haar gehört heute zum Stadtbild. Ideal ist auch dieser Standort für den mittlerweile vom BRK gestellten BMW keineswegs. Es fehle ein Stromanschluss, die Scheiben könnten vereisen und im Grunde sei der einfach nur auf dem Gehweg platziert, sagt Bereitschaftsleiter Moritz Wagner. Es sei immerhin zentral, sagt er, wenngleich der Weg vom angemieteten Bereitschaftsraum im dritten Geschoss runter zum Auto weit sei. Egal, ob per Aufzug oder per Treppe koste das wertvolle Zeit.

Der Bereitschaftsraum hat was von einem Rotkreuz-Vereinsheim. An der Wand neben dem Eingang ist der Satz „Allen helfen, ohne zu fragen, wem“ des Gründers des Roten Kreuzes Henry Dunant zu lesen. Pokale und Urkunden stehen auf einem Schrank gegenüber. In einer Vitrine ist ein BRK-Set mit Fahrzeug und Figuren von Playmobil platziert. Ein großer Tisch für Schulungen dominiert. In dem Nebenraum, in dem sich die Helfer bei ihren Diensten vor allem aufhalten, hängen an einer Kleiderstange Rotkreuz-Jacken. Es gibt eine große Couch und zwei Ausziehbetten. Bettzeug ist da und mehrere Controller liegen am großen Fernseher, an dem eine Spielekonsole angeschlossen ist. Kilian Koll erzählt, wie Kollegen am Schreibtisch Homeoffice machten und bei Noteinsätzen sich aus dem Dienst ausloggten, um dann loszueilen.

Der Handschuhfant: Leonhard Gentner kann im Handumdrehen eine Ablenkung basteln, die Kinder auf andere Gedanken bringt.
Der Handschuhfant: Leonhard Gentner kann im Handumdrehen eine Ablenkung basteln, die Kinder auf andere Gedanken bringt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Wenn Moritz Wagner mal nicht das BRK-Outfit trägt, arbeitet er als Unternehmensberater. Kilian Koll ist bei einer Versicherung tätig. Und Leonhard Gentner tauscht am Abend seine Rotkreuz-Kleidung vom Arbeitstag mit dem Dress des Helfer-vor-Ort-Dienstes. Die Arbeit beim BRK ist für ihn totale Leidenschaft. Es geht um Menschen in Not und manchmal um Kinder. Ihm fällt der Trick mit dem medizinischen Gummi-Handschuh ein. Er bläst einen auf, bemalt ihn mit Filzstift und fertig ist der „Handschuhfant“ für Kids, wie er sagt. „Das sind Sachen, die tauchen in keinem Skript auf.“

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