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Rentenkommission: Wie geht es weiter mit der Rente? | ABC-Z

Eine Rentenkommission soll eine umfassende Reform ausarbeiten. Wann geht es los? Wie wird sie besetzt? Und was wollen Parteien und Ökonomen? Die wichtigsten Antworten




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“Wir brauchen ein ganz neues System”, sagte SPD-Chefin Bärbel Bas kürzlich.
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Das Rentenpaket von Union und SPD hat es gerade erst durch den Bundestag geschafft, da beginnt schon die Arbeit an der nächsten Reform. Dafür soll voraussichtlich in der kommenden Woche eine Rentenkommission eingesetzt werden. Welche Ideen werden diskutiert? Und wer wird dem Gremium angehören? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Was ist die Aufgabe der Rentenkommission?

Das Kabinett wird die Rentenkommission nach Angaben der Bundestagsfraktionen von Union und SPD voraussichtlich am Mittwoch kommender Woche einsetzen. Bis Ende des zweiten Quartals 2026 soll sie dann Vorschläge für eine umfassende Rentenreform erarbeiten. Die Koalition hat eine Reihe an Fragestellungen festgelegt,
mit denen sich das Gremium befassen soll. Unter anderem soll sie prüfen, wie
ein stabiles Rentenniveau langfristig finanziert werden kann, wie für die
nächsten zehn Jahre stabile Beitragssätze gesichert werden können und ob
weitere Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden sollten. Auch die mögliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit über 67 Jahre hinaus soll geprüft werden.

CSU-Chef Markus Söder versicherte kürzlich, dass die Koalition die Reformvorschläge, die die Kommission erarbeitet, auch umsetzen werde. Das sei man der jungen Generation schuldig. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte, dass man im zweiten Halbjahr 2026 an der Umsetzung der Vorschläge arbeiten werde. Die möglichen Reformvorschläge seien eigentlich alle schon einmal diskutiert worden, fügte er hinzu. Die Kommission habe den Auftrag, sie zusammenzufassen. Außerdem solle sie sich anschauen, was andere Länder in Europa besser gemacht hätten als Deutschland. “Es haben nämlich viele Länder in Europa besser gemacht als wir”, sagte Merz in der ARD-Sendung Die Arena.

Wie setzt sich die Rentenkommission zusammen?

Die Rentenkommission soll aus 13 Mitgliedern
bestehen. Im Koalitionsausschuss hatten die Spitzen der schwarz-roten Bundesregierung Ende November vereinbart, dass es zwei
Vorsitzende geben solle, auf Vorschlag des Kanzleramts und des Bundesarbeitsministeriums. Naheliegend wäre also, dass dem Gremium je eine Politikerin oder ein Politiker von Union und SPD vorstehen wird. Zudem dürfen CDU, CSU und SPD jeweils einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete als
stellvertretende Vorsitzende bestimmen. Vervollständigt wird die Kommission
durch acht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, von denen Unionsfraktion
und SPD-Fraktion jeweils die Hälfte vorschlagen dürfen.

In einem Papier zu den Beschlüssen des Koalitionsausschusses, das der ZEIT vorliegt, heißt es: “Die Kommission soll ihre Beschlüsse im Konsens fassen.” Bei
Meinungsverschiedenheiten sei aber ein Mehrheitsbeschluss möglich. Das
bedeutet, dass die Union die SPD im Zweifel wohl überstimmen könnte, da die CSU einen eigenen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin entsenden darf.

Die Namen der Beteiligten sind noch nicht bekannt. Die
Kommission werde aber “sehr hochrangig besetzt” sein, kündigte Merz in der ARD-Arena an.

Welche Positionen vertritt die SPD-Spitze aktuell?

Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas hob zuletzt hervor, dass die SPD “wirklich offen für Reformen” sei. Es benötige eine pragmatische Lösung, keine “ideologischen Parolen”. Die Rente sei ein “Gesellschaftsversprechen.” Es werde nicht reichen, an zwei Schräubchen zu drehen, “sondern wir brauchen ein ganz neues System”, sagte Bas. Details nannte sie nicht.

Mit konkreten inhaltlichen Vorschlägen hält sich die SPD derzeit zurück. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters etwa war bisher ein Tabu bei den Sozialdemokraten, aber Tabus soll es für die Kommission nicht geben. Man wolle keine Denkverbote vorgeben, sagte auch Bas: “Wir müssen uns alle aufeinander zubewegen.”

Wohlwollend steht die SPD dem Vorschlag des Wirtschaftsprofessors Jens Südekum gegenüber, den Renteneintritt nicht mehr an das Lebensalter, sondern an die Zahl der Jahre zu knüpfen, in denen Rentenbeiträge gezahlt wurden. Das könnte vor allem für Akademikerinnen und Akademiker bedeuten, dass sie später in Rente gehen können. “Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut”, sagte Bas. 

Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf äußerte sich positiv darüber. Er forderte außerdem, eine Ausweitung des Kreises der Beitragszahler in Betracht zu ziehen. Es müsse geprüft werden, ob Politiker, Selbstständige und zukünftige Beamte bei den Beitragszahlungen einbezogen würden, sagte Klüssendorf.

Welche Positionen vertritt die Union derzeit?

Der Vorschlag zur Kopplung des Renteneintritts an die Beitragsjahre kommt auch in der Union gut an. Kanzler Merz bezeichnete ihn als “durchaus erwägenswert”, er wolle aber der Reform nicht vorgreifen und aktuell nicht über einzelne Punkte diskutieren. Auch CSU-Chef Söder und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigten sich offen für die Idee.

Dissens zur SPD gibt es bei der Frage der Ausweitung des Kreises der Beitragszahler, etwa um Beamtinnen und Beamte. Söder sagte, dass die CDU sich bei dieser Frage “sehr zurückhalten” werde. “Wir wollen nicht, dass die Rentenkommission ein Instrument des Klassenkampfes wird”, sagte Söder und warnte vor einer “Enteignung der Mittelschicht”. 

Die Junge Union, aus deren Reihen das jüngst beschlossene Rentenpaket kritisiert und fast verhindert worden wäre, fordert vor allem Kostensenkungen. JU-Chef Johannes Winkel sagte dem Stern, dass das Rentenpaket den Reformbedarf nicht gelindert, sondern verstärkt habe. Was jetzt beschlossen wurde, dürfe keine Dauerlösung sein. “Unabhängig von politischer Meinung – das kann mathematisch nicht aufgehen”, sagte er.

Nicklas Kappe, Mitglied der Jungen Gruppe der Unionsfraktion im Bundestag, sprach sich dafür aus, bei der Rente zwischen verschiedenen Berufsgruppen zu differenzieren. “Wir müssen schauen, welche Berufsgruppen aus welchen Gründen länger arbeiten können als andere”, sagte er der Welt.

Welche Positionen vertritt die Opposition?

Grüne und Linke lehnen es ab, den Zeitpunkt des Renteneintritts an die Beitragsjahre zu koppeln. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, dass damit Frauen benachteiligt würden: Sie hätten häufig weniger Beitragsjahre als Männer, weil sie sich mehr um Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen kümmerten. Linken-Fraktionschef Sören Pellmann sprach von einem “vergifteten Angebot”, mit dem verschiedene Betroffenengruppen gegeneinander ausgespielt würden.

Die AfD findet den Vorschlag dagegen gut. Notwendig sei “mehr Freiheit beim Renteneintritt”, sagte die AfD-Rentenpolitikerin
Ulrike Schielke-Ziesing der Nachrichtenagentur AFP. Zugleich dürfe
niemand über die geltende Grenze von 67 Jahren arbeiten müssen. Eine
Verschiebung des Renteneintrittsalters darüber hinaus lehnt die Partei demnach ab

Die Grünen hatten zuletzt gefordert, die Opposition mit in die Rentenkommission einzubeziehen. Die Kommission müsse “einen von der gesamten Gesellschaft getragenen großen Wurf für
die größte Rentenreform seit Jahrzehnten entwickeln”, sagte der
Rentenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Armin Grau. Im Beschluss des Koalitionsausschusses wurde diese Forderung nicht berücksichtigt. 

Welche Reformideen diskutieren Ökonomen – und wer steht wofür?

Ökonomen haben verschiedene Vorschläge, die sich vor allem um die wichtigsten Stellschrauben im Umlagesystem drehen. Dazu zählt etwa die Frage, wer einzahlt – auch Selbstständige, Abgeordnete, perspektivisch vielleicht sogar Beamte? – wie hoch die Beiträge sind und bis zu welchem Einkommen sie gelten. Weitere Fragen sind, wann man in Rente geht (festes Alter oder abhängig von Beitragsjahren?), wie hoch die Renten im Verhältnis zu den Löhnen bleiben und wie stark der Zusammenhang zwischen eingezahlten Beiträgen und späterer Rentenhöhe sein soll.

Der Sachverständigenrat und das Institut der deutschen Wirtschaft betonen bei ihren Ansätzen fiskalische Tragfähigkeit, regelgebundene Anpassungen, Anreize für längeres Arbeiten und das Äquivalenzprinzip, das im Kern besagt: Wer mehr einzahlt, bekommt später mehr Rente. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) priorisiert dagegen Armutsprävention, eine breitere Einzahlerbasis und stärkeren sozialen Ausgleich, teils mit höherem Steueranteil. 

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP

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