Altersdepression erkennen und behandeln | ndr.de | ABC-Z

Stand: 09.12.2025 22:06 Uhr
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Eine Altersdepression trifft viele Menschen, doch oft wird die Erkrankung nicht erkannt. Dabei ist eine Behandlung wichtig. Was sind Symptome für eine Depression im Alter? Was hilft dagegen?
Das Risiko, im Alter ab 65 Jahren an einer Depression zu erkranken, liegt nach Daten der AOK bei über 13 Prozent für Männer und bei über 20 Prozent für Frauen. Grundsätzlich ähnelt eine Altersdepression der Erkrankung in jüngeren Jahren. Allerdings haben ältere Menschen manchmal nur wenige der klassischen Symptome, dafür mehr indirekte, unterschwellige Anzeichen.
Depressionen im Alter werden oft übersehen
Bei älteren Menschen verbirgt sich eine Depression oftmals hinter vieldeutigen, auch körperlichen Symptomen, sodass eine Erkrankung nicht oder erst spät richtig diagnostiziert wird. Schlafstörungen oder unspezifischen Schmerzen werden als Alterserscheinungen oder Zeichen anderer Erkrankungen verkannt. Hinzu kommt, dass Rückzug und gedrückte Stimmung als “nachvollziehbar” und “normal” fehlgedeutet werden – beispielsweise wenn ältere Menschen Verluste erleben, durch den Tod von Angehörigen oder zunehmende körperliche Einschränkungen. Lebensumstände führen aber nicht zwangsläufig zu einer Depression. Wird eine Depression nicht als eigenständige Erkrankung erkannt, kann sie auch nicht behandelt werden.
Symptome einer Altersdepression
Typische Anzeichen für eine Depression in jedem Alter sind folgenden drei Hauptsymptome, wenn sie länger als zwei Wochen bestehen und nicht von außen beeinflussbar sind:
- gedrückte Stimmung, Gefühllosigkeit, Hoffnungslosigkeit
- tiefes Gefühl der Erschöpfung und Müdigkeit
- kein Interesse mehr an Dingen, die früher Freude macht haben
Außerdem können folgende Anzeichen hinzukommen:
- Antriebsstörung mit Schwierigkeiten aus dem Bett aufzustehen, sozialer Rückzug
- Selbstvorwürfe, Schuldgefühle
- Schlafstörungen oder vermehrtes Schlafbedürfnis
- Appetitlosigkeit oder vermehrter Appetit
- tiefe Verzweiflung und Suizidgedanken
Symptome einer larvierten Depression im Alter
Bei älteren Personen liegen häufig nur wenige der Hauptsymptome vor. Vielmehr gruppieren sich unspezifische Beschwerden um die eigentliche Depression herum und bestehen häufig lange Zeit. Fachleute sprechen von einer versteckten oder larvierten Depression, die häufig eher einen chronischen Verlauf hat. Anzeichen dafür können sein:
- unspezifische Schmerzen, verstärkte Schmerzwahrnehmung
- Konzentrationsprobleme, Gedächtnisprobleme, verlangsamte Sprache
- Anspannung, Unruhe
- Gereiztheit und Aggression, insbesondere bei Männern
- unspezifische Magen-Darm-Beschwerden
- psychosomatische Beschwerden
- Überbewertung von Ohrgeräuschen oder Schwindel im Sinne von hypochondrischen Sorgen
Altersdepression: Ursachen und Auslöser
Für die Entstehung einer Depression im Alter spielen – wie bei jeder Depression – verschiedene Ursachen und Risikofaktoren eine Rolle. Dazu gehören genetische Veranlagungen, Stoffwechselprozesse im Gehirn, vorangegangene körperliche Erkrankungen sowie individuelle Verletzlichkeit durch zurückliegende Lebensereignisse wie Missbrauch oder andere Traumata. Einschneidende Lebensereignisse können bei vorbelasteten Menschen als Auslöser oder Verstärker wirken, sind aber nicht alleinige Ursache der Depression.
Mögliche Auslöser und Verstärker:
- Ausscheiden aus dem Berufsleben
- weniger finanzielle Mittel bei Renteneintritt
- Verlusterfahrungen wie der Tod eines nahestehenden Menschen
- räumliche Trennung von Kindern und Enkelkindern
- Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim
- Verlust sozialer Kontakte
Folgen einer nicht behandelten Depression
Eine Altersdepression bedeutet nicht nur einen Verlust an Lebensqualität, sondern bringt auch größere Risiken mit sich. Betroffene ziehen sich aufgrund einer Depression oft ins Bett zurück, essen und trinken zu wenig. Das kann zu Muskelabbau bis hin zur Pflegebedürftigkeit führen. Zudem wirkt sich eine Depression negativ auf andere Erkrankungen aus, etwa auf vorhandene Herz-Kreislauf-Krankheiten oder es kommt zu einer Verstärkung von Schmerzen. Außerdem erhöht sich das Suizidrisiko mit zunehmendem Alter, vor allem bei Männern.
Bei Altersdepression wichtige Entscheidungen verschieben
Wichtig ist auch, dass an Altersdepression Erkrankte während einer Depression keine wichtigen Lebensentscheidungen treffen. Denn sie sehen die Realität verzerrt und würden Dinge nach der Erkrankung womöglich anders bewerten und andere Entscheidungen treffen.
Depression erkennen: Selbsttest und Arztbesuch
Eine erste Einschätzung, um das eigene Erkrankungsrisiko zu bewerten, kann ein Online-Selbsttest bieten – beispielsweise der Selbsttest der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Wichtig: Ein Selbsttest ersetzt nicht den Besuch beim Hausarzt, beim Facharzt für Psychiatrie oder bei einem Psychotherapeuten. Nur Fachleute können eine sichere medizinische Diagnose stellen.
Depression oder Demenz?
Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen im Alter sowie eine Verlangsamung der Sprache können sowohl Anzeichen einer Altersdepression sein als auch auf eine Demenzerkrankung wie die Alzheimerdemenz hinweisen. Deshalb ist die Abgrenzung beider Erkrankungen in der Diagnostik wichtig. Anders als Demenzerkrankte können sich depressive Menschen in der Regel orientieren, Objekte und Personen fehlerfrei wiedererkennen und auf Nachfrage Datum und Uhrzeit richtig angeben. Zur genauen Diagnostik stehen spezielle Fragebögen und neuropsychologische Tests zur Verfügung. Eine Untersuchung des Gehirns mit CT oder MRT kann weitere andere Ursachen der Symptome ausschließen.
Tipps für Angehörige und Freunde
Angehörige und Freunde können viel dazu beitragen, dass eine Depression im Alter früh erkannt und behandelt wird. Wichtig ist, Veränderungen in Stimmung, Antrieb oder Alltagsbewältigung ernst zu nehmen und das Thema behutsam aber klar anzusprechen – etwa mit Sätzen wie “Ich sehe, dass es dir nicht gut geht, ich mache mir Sorgen um dich”, verbunden mit dem Angebot, gemeinsam einen Arzttermin zu vereinbaren.
Auch bei der Sorge um mögliche Suizidgedanken sollte offen nachgefragt werden – beispielsweise mit Sätzen wie “Ich mache mir Sorgen, dass du dir etwas antun könntest”. Bedenken, damit könne man “schlafende Hunde wecken” und den erkrankten Menschen erst auf “dumme Ideen zu bringen” sind unbegründet. Im Gegenteil: Die offene Ansprache und gemeinsame Suche nach professioneller Hilfe können Leben retten. Orientierung geben Online-Angebote für Angehörige, etwa die Informationsseiten zur Suizidalität der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Wichtig ist dabei aber auch die Selbstfürsorge, wie das Informations- und Schulungsportal Familiencoach Depression der AOK zeigt.
Für pflegende Angehörige und Pflegekräfte gibt es außerdem ein E-Learning-Tool zur Altersdepression. Die kostenlose 90-minütige Online-Schulung informiert darüber, wie sich erkennen lässt, dass Pflegebedürftige an einer Depression erkrankt sind. Außerdem gibt es Antworten auf diese Fragen: Wie spreche ich die Pflegebedürftigen auf eine Depression an? Wen muss ich informieren, wenn Hilfe nötig ist?
Behandlung mit Medikamenten und Psychotherapie
Bei älteren Menschen ist die Behandlung einer Depression genauso wichtig wie bei jüngeren Menschen. Und auch im Alter sind Depressionen gut mit Medikamenten und Psychotherapie zu behandeln. Wichtig ist eine sorgfältige Auswahl des Antidepressivums durch den Arzt, weil die medikamentöse Therapie bei älteren Menschen komplizierter ist: Häufig werden mehrere Medikamente eingenommen, wodurch es zu Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten kommen kann. Die Dosierung sollte niedrig angesetzt und nur langsam erhöht werden. Etwa einem Drittel der Patientinnen und Patienten kann durch Medikamente gut geholfen werden, ein weiteres Drittel erlebt durch Medikamente immerhin eine deutliche Besserung.
Auch die Wirksamkeit insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie ist belegt. Die verbreitete Sorge älterer Menschen, sie müssten in der Psychotherapie “ihr gesamtes Leben aufarbeiten” oder “tief zurück in der Kindheit wühlen” ist unbegründet. Die Gespräche in der Psychotherapie beziehen sich auf das Denken, Fühlen und Handeln im Alltag und in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Die Behandlung findet nur in besonders schlimmen Krisen stationär in der Klinik statt. In der Regel erfolgt die Therapie ambulant – in Tagesklinken, Ambulanzen oder bei niedergelassenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Sogar Hausbesuche gehören heute zu den modernen Versorgungsmöglichkeiten von Menschen mit Altersdepression. Ein wichtiges Ziel der Behandlung ist, eine verlässliche Tagesstruktur zu schaffen. Der Erfolg der Therapie zeigt sich, wenn Betroffene in kleinen Schritten wieder Aktivitäten aufnehmen und so wieder Selbstwirksamkeit erleben.
Hilfe für Betroffene
Sollten Sie sich aktuell in einer psychischen Krise befinden, können Sie …
- zu Ihrem Arzt gehen oder ihn anrufen.
- Kontakt mit einer Klinik mit psychiatrischer Abteilung aufnehmen.
- Kontakt mit dem ärztlichen (psychiatrischen) Bereitschaftsdienst (bundesweite Telefonnummer: 116 117) aufnehmen.
- sich an ein Hilfs- oder Beratungsangebot für akute Krisensituationen wenden.
Folgende Stellen bieten Hilfe an:
- Telefonseelsorge, anonyme, kostenlose Beratung zu jeder Tages- und Nachtzeit unter den bundesweiten Telefonnummern (0800) 111 0 111 oder (0800) 111 0 222
- Kinder- und Jugendtelefon, “Nummer gegen Kummer”, kostenlose Beratung Mo. bis Sa. von 14 bis 20 Uhr unter der Telefonnummer 116 111 (Kinder- und Jugendtelefon) oder montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr unter der Telefonnummer (0800) 111 05 50 (Elterntelefon)
- Das deutschlandweite Info-Telefon Depression der Deutschen Depressionshilfe erreichen Sie montags, dienstags und donnerstags von 13 bis 17 Uhr sowie mittwochs und freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr unter Telefon (0800) 33 44 533. Bei der Deutschen Depressionshilfe gibt es auch einen Selbsttest sowie Wissen und Adressen rund um das Thema Depression.
- Konkrete Hilfe vor Ort in über 80 Städten und Regionen bietet das Deutsche Bündnis gegen Depression.
- Einen Erfahrungsaustausch für Betroffene und Angehörige bietet das Diskussionsforum Depression.
- Beratung und Selbsthilfegruppen speziell für Angehörige bietet das Psychiatrienetz BApK.
- Wo Sie eine Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe finden, erfahren Sie bei der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen, Tel. (030) 3101 8960).
- In jeder deutschen Stadt gibt es psychologische Beratungsstellen, Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, psychosoziale Beratungsstellen und sozialpsychiatrische Dienste. Diese Einrichtungen stehen jedoch nicht rund um die Uhr zur Verfügung und es müssen meist Beratungstermine vereinbart werden – sie sind bei akuten Krisen desahlb nur bedingt hilfreich.



























