Portugal: Rechte Chega treibt Regierung vor sich her | ABC-Z

Portugals Grenzen waren vor Kurzem für Migranten noch so offen wie in keinem anderen Land Europas. Doch davon ist wenig geblieben. Unter dem Druck der rechtspopulistischen Chega-Partei hat die bürgerliche Minderheitsregierung das Ausländer- und das Staatsangehörigkeitsrecht massiv verschärft.
Ministerpräsident Luís Montenegro ist zwar nach der vorgezogenen Parlamentswahl im Mai keine Koalition mit Chega eingegangen. Aber seine alte Brandmauer („Ein Nein ist ein Nein“) ist brüchig geworden. Portugal rückt nach rechts, und Montenegros Minderheitsregierung reagiert darauf. Im Parlament stellen die rechten Parteien inzwischen mehr als 60 Prozent der Abgeordneten.
Chega ist inzwischen zweitstärkste Kraft
Schon vor der vorgezogenen Parlamentswahl im Mai hatte der Regierungschef die Ausweisung von Zehntausenden Migranten angekündigt, die nicht über die vorgeschriebenen Dokumente verfügen. Chega reicht das nicht und legte weiter zu. Mit 60 von 230 Abgeordneten wurden die Rechtspopulisten zweitstärkste politische Kraft. Sie überholten sogar die Sozialisten (PS), die vor zwei Jahren noch Portugal mit absoluter Mehrheit regiert hatten.
Chega („Es reicht“) treibt Montenegro vor sich her, zuletzt mit einem Burkaverbot. Für den Entwurf von Chega stimmten Montenegros bürgerliches AD-Bündnis und zwei weitere rechte Parteien.
Frauen, die in der Öffentlichkeit ihr Gesicht bedeckten, könnten bald Geldstrafen zwischen 200 und 4000 Euro drohen. „Wenn Sie die Burka tragen wollen, ist das ganz einfach: Nehmen Sie einen Flug nach Saudi-Arabien oder Afghanistan, aber nicht hier“, sagt der Chega-Vorsitzende André Ventura, der sich schon für die Präsidentenwahl am 18. Januar warmläuft.
Vorwürfe des Rassismus
„Das ist nicht Bangladesch“ und „Zigeuner müssen sich an das Gesetz halten“ steht auf Plakaten neben seinem Bild. Sie haben in Portugal eine heftige Debatte hervorgerufen. Besonders linke Parteien werfen Chega Rassismus vor, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Ventura stellt sich als ein Märtyrer der Meinungsfreiheit dar und attackiert die beiden großen Parteien, die seit der Nelkenrevolution Portugal regieren – auch Montenegros PSD, der Ventura einst selbst angehörte.
Konservative und Sozialisten hätten Portugal „in eine Favela verwandelt“, hält der Chega-Vorsitzende ihnen vor. Gleichzeitig lobt er den früheren Diktator António de Oliveira Salazar: Es brauche „drei Salazars“, um Ordnung zu schaffen in einem Land, das durch Korruption, Straflosigkeit und Kriminalität verrottet sei.
Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2021 hatte Ventura knapp 12 Prozent der Stimmen erhalten. Jetzt hofft er, im Februar mindestens in die Stichwahl zu kommen. Der einstige Fußballkommentator hatte Chega erst 2019 gegründet und war zunächst ihr einziger Abgeordneter im Parlament.
Was die Sozialisten hinterlassen haben
Die Rechtspopulisten setzen die Themen. Nach der Wahl erklärte Montenegro die Verschärfung des Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts zu seinen Prioritäten – nicht die dramatische Wohnungsnot. Immer mehr Portugiesen haben den Eindruck, der Staat habe besonders angesichts der Einwanderung von Tausenden Asiaten die Kontrolle verloren.
Die 2024 abgewählten Sozialisten hinterließen mehrere Hunderttausend unerledigte Anträge für Aufenthaltsgenehmigungen. Bis dahin konnten Migranten ihren Status nach ihrer Ankunft legalisieren.
Eigentlich ist Portugal mit seinen gut 10,5 Millionen Einwohnern ein Auswanderungsland. 2,1 Millionen Portugiesen leben im Ausland, während 1,5 Millionen Ausländer sich legal in Portugal aufhalten. Das sind doppelt so viele wie noch vor drei Jahren. Fast ein Drittel stammt aus der früheren Kolonie Brasilien. Laut einer Umfrage sind 51 Prozent der Ansicht, dass zu viele Brasilianer im Land seien.
Gegen die „Banalisierung“ der Einbürgerung
„Wir wollen keine Gelegenheitsportugiesen“, sagte Montenegro bei der Vorstellung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts. Die Neuregelung solle der „Banalisierung“ der Einbürgerungen ein Ende setzen. Portugiese zu werden, ist künftig erst nach zehn Jahren möglich, früher waren es fünf. Für EU-Bürger und Staatsangehörige der früheren Kolonien wird die Frist auf sieben Jahre verlängert. Im Land geborene Kinder von Nichtportugiesen sollen nicht mehr automatisch die Staatsangehörigkeit erhalten.
Parallel wurde das Strafrecht geändert: Wer bei der Antragsstellung betrogen hat oder zu Freiheitsstrafen von fünf oder mehr Jahren verurteilt wird, dem kann die Staatsangehörigkeit aberkannt werden.
Für das neue Staatsangehörigkeitsrecht stimmten im Herbst die vier rechten Parteien, wie schon im Sommer für die Verschärfung des Ausländerrechts. Nach einem Veto des Präsidenten und einer Intervention des Verfassungsgerichts muss jedoch der ursprüngliche Entwurf korrigiert werden. Der Familiennachzug soll erst später möglich sein. Vorrang sollen dabei Ausländer bekommen, die investieren oder in Berufen arbeiten, für die in Portugal Arbeitskräfte fehlen.
Die Zusammenarbeit mit Chega bedeutet jedoch keine informelle Koalition Montenegros mit den Rechtspopulisten. Wie fragil die Konstellation ist, wurde bei der Verabschiedung des Haushalts für 2026 deutlich: Es waren die Sozialisten, die das Überleben des Regierungschefs retteten. Sie enthielten sich, während Chega gegen das neue Budget votierte, das mehr als zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau vorsieht. Stabilität habe Vorrang, ließen die Sozialisten wissen, die nicht für das Scheitern der Regierung verantwortlich sein wollten. Denn das hätte die dritten Neuwahlen innerhalb von drei Jahren zur Folge gehabt – bisher hatte Chega jedes Mal zugelegt.





















