Kultur

Buch des Jahres bei SWR: Zwischen Botanik und Biografie | ABC-Z

Georgi Gospodinovs „Der Gärtner und der Tod“ wurde zum „Buch des Jahres“ gewählt. Der bulgarische Autor reflektiert darin den Verlust seines Vaters.

Mein Vater war Gärtner. Jetzt ist er ein Garten.“ Gleich zu Beginn schlägt Georgi Gospodinovs Roman einen Ton an, der zwischen Trauer und Trost oszilliert. Darin verarbeitet er den Abschied vom eigenen Vater. „Der Gärtner und der Tod“ ist das poetische Memoir eines lebensfrohen Gärtners und Geschichtenerzählers. Nun wurde es von einer Jury aus 30 Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­r:in­nen zum Buch des Jahres gekürt. Die SWR-Bestenliste gilt seit nunmehr 50 Jahren als eine der einflussreichsten Empfehlungslisten im deutschsprachigen Raum.

Die Arbeit am Garten nutzt der bulgarische Schriftsteller als dramaturgischen Rahmen, um über Zeit und Verlust zu erzählen. Blühende, wachsende und verwelkende Pflanzen werden so zu einer Allegorie des Lebens. Wenn er den April an seinem überschrittenen Höhepunkt beschreibt als den „Moment, in dem aus Löwenzahn Pusteblumen werden“, verdichtet sich immer auch das Leitmotiv des zyklischen Werdens und Vergehens.

Georgi Gospodinov zeichnet in der Geschichte seines sterbenden Vaters ein persönliches Schicksal nach, das zugleich die politischen und gesellschaftlichen Erschütterungen Bulgariens um 1989 mitverhandelt. Aus dieser Verbindung entsteht ein Roman, der – so die Jury in ihrer Begründung – weit über eine private Abschiedserzählung hinausreicht und eine bemerkenswerte anthropologische Tiefe gewinnt. In der eleganten Übersetzung von Alexander Sitzmann präsentiert sich der Roman dadurch als „Solitär unter den Büchern über Tod, Abschied und Trauer“.

Für das Jurymitglied Beate Tröger rührt die literarische Qualität des Werks aus der Verschränkung der Sprache der Botanik und dem Versuch, das Sterben des Vaters zu begreifen. Der Garten sei allerdings nicht nur als Kraftquelle zu verstehen, sondern zugleich als ein Ort, an dem die Arbeit den Vater letztlich umzubringen drohe. Gerade weil Gospodinov, so Tröger, den Garten nicht zu einem paradiesischen Ort verkläre, entgehe er dem Kitsch. Dieser Dualismus des „Energiespendenden und Energiefressenden“ mache die Erzählung so klug. Erst im weiteren Verlauf lässt der Roman für die Kritikerin erkennen, dass auch das Ordnen von Erinnerungen im Schreibprozess des Autors eine entfernte Nähe zur Arbeit im Garten hat. „Was sagt das aus über das Leben eines Schriftstellers?“ Eine Frage, die sich nicht aufdränge, aber beim Lesen mitschwinge.

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