Kultur

Zum 50. Todestag von Hannah Arendt: Gastbeitrag von Natan Sznaider – Kultur | ABC-Z

Könnte es vielleicht hilfreich sein, sich von einer amerikanischen Jüdin, die 1906 in Hannover geboren und bis 1933 in Deutschland lebte, inspirieren zu lassen, um die heutigen Zeiten zu verstehen? Leben wir wieder in solch finsteren Zeiten, die das jüdische Problem, das Hannah Arendt zeitlebens und bis zu ihrem Tod am 4. Dezember vor 50 Jahren umtrieb, erneut zum Allgemeinproblem werden lassen? Ja – aber um Arendt heute gewinnbringend zu lesen, müssen wir die religiöse Seite der Theoretikerin verstehen. Denn Arendt war in erster Linie eine politisch denkende und handelnde, aber auch eine gläubige Jüdin. Vielleicht anders, als man sich fromme Juden oder Jüdinnen heute vorstellt, doch die Jahre in Paris und danach in New York sorgten dafür, dass sie sich als Teil einer jüdischen Schicksalsgemeinschaft verstand. Wie viele Jüdinnen und Juden, die am Jom Kippur, am Versöhnungstag, vor Gott stehen, ging sie nicht davon aus, dass man persönlich unschuldig ist. Ganz im Gegenteil: Am Versöhnungstag bekennen Juden sich zu einer schonungslosen und bedingungslosen Aussage: „Wir haben gesündigt, wir haben gefrevelt, wir haben böse gehandelt, wir haben Gräuel begangen.“

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