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TV-Film „Wir für immer“ im Ersten: Mutter fällt aus | ABC-Z

Zahlreiche Kinder in Deutschland leben mit einem psychisch erkrankten Elternteil. Ihre Überforderung bleibt meistens unsichtbar. Sie leben mit der Bürde der bedingungslos empfundenen Verantwortung für das Wohl von Mutter oder Vater, die, aus welchem Grund immer, mit ihrem Alltag oft nicht mehr zurechtkommen.

Solche Kinder bringen sich bei, dass es auf ihre Bedürfnisse weniger ankommt als auf die des Kranken. Sie müssen vor der Zeit erwachsen werden und tun alles, um nach außen den Schein zu wahren. Je isolierter die Beziehung zwischen Mutter und Kind, zwischen Vater und Kind, desto mehr kann der Sohn, die Tochter selbst psychisch Schaden nehmen. Je ausgefallener sich das Elternteil verhält, desto größer oft die Scham. Solche Zusammenhänge vorausgesetzt, ist offensichtlich, dass Fernsehfilme, die diese Beziehungs- und Zuneigungsspielarten betrachten, nicht plakativ sein dürfen.

Es gibt sie ohnehin selten. Verbreiteter ist die umgekehrte Variante. Jene des angesichts bedrückender Umstände kämpfenden Elternteils, etwa im großartigen Film „Sterne über uns“ mit Franziska Hartmann als alleinerziehende, obdachlose Mutter, die ihrem Sohn (Claudio Magno) das Zelten im Wald als großes Abenteuer schönt. Oder „Zwischen uns“ mit Liv Lisa Fries als ebenfalls alleinerziehende Mutter, die für ihren autistischen Sohn um einen Platz im Leben kämpft. Beide Filme, der eine von Christina Ebelt, der andere von Max Fey, sind sehenswert wegen ihrer genauen Sicht – auch auf die Ignoranz der Umgebenden, vulgo Gesellschaft –, und wegen der Liebe, die die mütterliche Hauptfigur motiviert.

Auch in „Wir für immer“ geht es um solche, um unbedingte, voraussetzungslose Liebe, auch dieser Film ist sehr sehenswert, und auch dieser Film vermeidet (zumeist) die Abkürzung des Nachdenkens, die das Plakative darstellt. Aber hier ist die kümmernde, kämpfende, fürsorgliche Hauptfigur keine Mutter, sondern der Sohn einer seelisch schwer verwundeten Mutter, die, und auch das ist ein Verdienst der Brüder Johannes Schmid (Buch und Regie) und Thomas Schmid (Buch), eben nicht das Definitionslabel einer pathologischen Diagnose bekommt.

Nicht durchweg wird Lina als „Psycho-Mutter“ gezeigt

In sorgfältigen Explorationen und mit Kameraeinstellungen, in denen immer wieder die Gesichter Überlegung und Stille aushalten dürfen, erzählt „Wir für immer“ (Kamera Michael Bertl) eine Dreiecksgeschichte. Jann (Philip Günsch) ist 17 Jahre alt, unauffällig in der Schule und unentbehrlich zu Hause. Er erledigt die Einkäufe, kocht, putzt, sorgt dafür, dass seine Mutter ihre Medikamente nimmt. Seine Mutter Lina (Marie Leuenberger) ist offenbar instabil, verhält sich erratisch und grenzüberschreitend. Wenn es schlimm wird mit ihr, versteckt Jann ihre Schuhe, schließt sie ein und entfernt die Schlüssel. Einmal nur weint er, beim Nebenjob als Gabelstaplerfahrer, und sein Chef gibt ihm eine tröstende, wissende Umarmung. Denn auch das gehört zur Erkundung dieses Films: Das Geld reicht nicht in diesem Zweipersonenhaushalt.

Nicht durchweg wird Lina als „Psycho-Mutter“ gezeigt. Sie ist auch auf kreative Weise lustig, sie macht Versuche, ihrem Sohn mehr Distanz zu geben. Von ihrem Trauma erfährt man mehr am Rand des Blickfelds. Die Beziehung gerät ins Rutschen, als Jann sich in Selma (Mina-Giselle Rüffer) verliebt. Selma hat einen schwerbehinderten Bruder, den sie liebt, wie sie sagt, aber lange nicht besucht hat. Braucht Liebe Nähe und Alltag? Welche Grenzen?

Auch solche Fragen stellt „Wir für immer“ in den Mittelpunkt des Erzählens. Unerwartet entwickelt sich diese Dreiecksliebe zwischen Mutter, Sohn und (potentieller) Freundin. Der abwesende Vater von Jann, Frank (Stefan Maaß), mit neuer Frau und neuen Kindern, überzeugt als Figur dagegen nicht recht, seine Kälte und Blindheit für Janns Isolation („Es gibt Sachen, da ist einfach niemand verantwortlich“) wirkt allzu gelegen. Janns beginnendes Manövrieren weg von der als absolut empfundenen Verpflichtung, Linas Unberechenbarkeit, Selmas Bereitschaft, genau hinzusehen, ihre Offenheit, all das sieht dagegen überzeugend aus und wird von Günsch, Leuenberger und Rüffer sehr glaubwürdig gespielt.

„Wir für immer“ macht als Film über psychische Krankheit die Liebe nicht als ein Ding fest, sondern als „endlose Folge einzelner Handlungen“ (Richard Ford: „Let Me Be Frank with You“).

Wir für immer läuft an diesem Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten.

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