Wirtschaft

Verband der Familienunternehmen: Die Wirtschaft muss Haltung zeigen | ABC-Z

Die jüngste Öffnung des Verbands der
Familienunternehmer gegenüber der AfD ist weit mehr als ein politisches
Manöver. Sie ist ein Fehler, der das wirtschaftliche Fundament Deutschlands
untergraben und die gesellschaftliche Spaltung vertiefen könnte. Denn
Unternehmen und ihre Verbände tragen nicht nur Verantwortung für ihre
Mitglieder, sondern auch für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit von
Demokratie und Gesellschaft.

Die Öffnung schafft Legitimation für die AfD-Positionen – das ist fatal. Denn die AfD verfolgt eine Wirtschaftspolitik, die den Kern
unseres Wohlstands – die offene, europäisch eingebettete soziale
Marktwirtschaft – infrage stellt. Ihre Forderungen nach nationaler Abschottung,
Austritt aus EU und Euro, nach Reduktion von Migration und nach sogenannter Remigration
und einer weitgehenden Renationalisierung von Politik und Wirtschaft würden
Deutschland strukturell schwächen. Eine solche Politik gefährdet Millionen
Arbeitsplätze und beschleunigt die Deindustrialisierung.

Deutschland lebt von offenen Märkten, einem funktionierenden Rechtsstaat und verlässlichen internationalen Beziehungen. Wer diese
Grundlagen zerstört, zerstört die Basis wirtschaftlichen Erfolgs. Es ist paradox,
wenn ausgerechnet jene Verbände, die sich für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitglieder einsetzen, einer Partei die Tür öffnen, die diese Wettbewerbsfähigkeit stark
schwächen würde.

 

Der Verband scheint auch die internationalen
Signale dieser Entscheidung zu unterschätzen. Deutschland wird im Ausland genau
beobachtet – von Investoren, Handelspartnern und multinationalen Unternehmen,
die langfristige Standortentscheidungen treffen. Wenn zentrale Akteure der
Wirtschaft signalisieren, dass sie mit Parteien kooperieren würden, die
demokratische Prinzipien klar infrage stellen, hat das Folgen. Es schadet dem
Vertrauen in Deutschland als einen verlässlichen, demokratischen Wirtschaftsstandort. Standortentscheidungen basieren nicht allein auf
Steuersätzen – sie basieren vor allem auf politischer Stabilität,
Rechtsstaatlichkeit und gesellschaftlicher Offenheit.

Wer schweigt, trägt Mitverantwortung

Hinzu kommt ein weiterer gravierender Fehler. Deutschlands gute Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg erodieren gerade. Viele Unternehmen beklagen zu
Recht eine Überlastung staatlicher Institutionen, hohe Unsicherheiten und
fehlende Investitionen. Aber sie benennen zu selten die wahren Ursachen: die
politische Polarisierung, der Vertrauensverlust in demokratische Institutionen
und die Abschottungstendenzen, die einer Modernisierung des Landes im Weg
stehen.

Dass manche Verbände lautstark auftreten, wenn es
um eigene Subventionen oder spezifische, kurzfristige Brancheninteressen geht,
aber ganz leise werden, geht es um grundlegende Werte der Marktwirtschaft und der
Demokratie, ist irritierend. Politische Enthaltsamkeit mag strategisch
clever erscheinen, ist aber ökonomisch kurzsichtig und gesellschaftlich
gefährlich. Wer schweigt, trägt Mitverantwortung. Denn Schweigen stärkt jene
Kräfte, die die institutionellen Voraussetzungen einer produktiven Wirtschaft
aushöhlen.

Unternehmen und ihre Verbände müssen daher ihre
Rolle neu definieren. Es reicht nicht, sich als neutrale Interessenvertretung
zu verstehen, die sich mit jeder Regierung arrangiert. Die Interessensvertretungen
der Wirtschaft müssen ihrer Verantwortung für die Gesellschaft gerecht werden
und klar kommunizieren, welche politischen Rahmenbedingungen sie für
wirtschaftlichen Erfolg benötigen: eine stabile Demokratie, eine effektive
Verwaltung, ein starkes Europa, Respekt gegenüber Vielfalt und eine
moderne, verlässliche staatliche Infrastruktur. All dies ist unvereinbar mit
der politischen Agenda der AfD. 

Deutschland steht vor einem Jahrzehnt der
Transformation und der Modernisierung. Der Wandel wird nur gelingen, wenn
Unternehmen sich aktiv einbringen – und wenn sie Haltung zeigen. Eine offene Gesellschaft ist
kein Nice-to-have, sondern ein zentraler Produktionsfaktor.

 

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