Warum Bayerns Gletscher nicht gerettet werden können – Bayern | ABC-Z

Die Vereinten Nationen haben 2025 zum „Internationalen Jahr zur Erhaltung der Gletscher“ ausgerufen, und wenige Wochen vor dem Ende dieses Jahres kommt der Schweizer Glaziologe Wilfried Haeberli um eine bittere Feststellung nicht herum: „Es ist zu spät.“ In den Alpen werde es auf absehbare Zeit keine Gletscher mehr geben, sagt Haeberli, und für die letzten vier deutschen Gletscher sind die Jahre aller Voraussicht nach besonders schnell gezählt.
Der höchstgelegene dieser vier verbliebenen Gletscher in Bayerns Bergen, der Nördliche Schneeferner auf dem Zugspitzplatt, wird demnach wohl der vorletzte sein und bis zum Ende dieses Jahrzehnts dahinschmelzen. Ein paar Jahre später könnte es dann auch um den etwas tiefer, aber schattiger und zwischen schneereichen Hängen an der Nordseite der Zugspitze gelegenen Höllentalferner geschehen sein – und damit um den letzten bayerischen Gletscher. Denn den Watzmanngletscher unterhalb der berühmten Ostwand und das Blaueis am Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen wird es nach der Erwartung der Glaziologen schon sehr bald nicht mehr geben. Den Südlichen Schneeferner auf der Zugspitze haben die Glaziologen schon 2022 als Gletscher abgeschrieben.
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Doch wenn es nach Wolfgang Zängl geht, dann können die vier verbliebenen Gletscher mit ihrem offenkundigen Verschwinden den Menschen noch eine Art letzten Dienst erweisen. Sie seien „für dieses schwierige Thema der Klimaerwärmung ein gutes Mittel der Visualisierung“, sagt Zängl, der 1977 mit Sylvia Hamberger und anderen Wissenschaftlern die Gesellschaft für ökologische Forschung (GöF) gegründet hat. Zängl und Hamberger machen seit 25 Jahren selbst regelmäßig Fotos von Gletschern und sammeln dazu ältere Aufnahmen und Postkarten, um das Verschwinden des scheinbar ewigen Eises zu dokumentieren und die Klimakrise sichtbar zu machen.
Die Aufnahmen liegen in einem großen Dokumententresor in den Räumen der GöF in München, und vor diesem Hintergrund hat der Glaziologe Haeberli am Dienstag für die GöF und Greenpeace Bayern einen Vortrag gehalten. „Wir können die Gletscher nicht retten“, sagt der 78-Jährige, der lange Professor für Physische Geografie an der Universität Zürich war und für die Vereinten Nationen von 1986 bis 2010 Direktor des „World Glacier Monitoring Service“ gewesen ist.
Denn aus Haeberlis Perspektive ist nicht nur das Weltklima ein träges System, das sich über längere Zeit weiter aufheizen werde, selbst wenn es gelänge, den Ausstoß von CO₂ und anderen Klimagasen entschieden zu begrenzen. Auch das weltweite Wirtschaftssystem, das sich für eine solche Begrenzung deutlich verändern müsste, gleicht für Haeberli einem „riesigen Ozeandampfer“, der sich nur langsam umsteuern lässt.
Dafür beschleunigt sich der Rückgang der Gletscher im Alpenraum dramatisch. Von 1850 bis 2000 hat sich die Gletscherfläche in den Alpen laut Haeberlis Berechnungen halbiert, doch seither schmilzt das Eis noch viel rascher. „Die Veränderungen werden immer schneller, sind für die Zukunft schon weitgehend vorgegeben und für Generationen unumkehrbar“, sagt Haeberli. Wichtiger als der Verlust an Fläche ist der an Masse, und da hat Haeberli von 2000 bis 2023 für den Alpenraum ein Minus von 39 Prozent verzeichnet – ein deutlich stärkerer Rückgang als in anderen Hochgebirgen. 65 Kubikkilometer Eis liegen demnach derzeit noch auf den Alpen, und jedes Jahr verschwinden davon weitere zwei.
1910

2003

2011

2022

2024

Der Nördliche Schneeferner auf der Zugspitze hat nach einer längeren Kältephase am Ende des 19. Jahrhunderts eine Fläche von 140 Hektar bedeckt, vor zwei Jahren waren noch 13 Hektar übrig. Allein seit der Jahrtausendwende hat er fast zwei Drittel an Fläche verloren und seit 2018 jedes Jahr durchschnittlich sieben Meter Dicke, sodass er an seiner mächtigsten Stelle zuletzt nur noch 20 Meter gemessen hat. Die 1993 begonnenen Versuche, ihn im Sommer mit weißen Plastikplanen vor der Sonne zu schützen, haben sich als aussichtslos erwiesen und wurden 2012 wieder aufgegeben.
„Wir werden ihn nicht mehr lange haben“, sagt Axel Doering. Früher habe der Nördliche Schneeferner „einen Mordsbauch gehabt“, heute habe er nur noch „die Magengrube eines Verhungernden“. Doering ist Deutschland-Präsident der Alpenschutzkommission Cipra und hat große Teile seines Berufslebens als Förster im Zugspitzgebiet verbracht. Er hat die Gletscher Jahr für Jahr fotografiert, auch seine Aufnahmen sind in die Sammlung der GöF eingegangen, welche diese in Teilen auch im Internet zur Verfügung stellt.
Dass es für den Nördlichen Schneeferner schon jetzt zu spät ist, darf für den Glaziologen Haeberli kein Grund sein, sich der fortschreitenden Erderwärmung einfach zu ergeben. Für Greenpeace Bayern leitet dessen Klimaexpertin Vera Baumert politische Forderungen ab: Das Ziel der Klimaneutralität für Bayern von 2040 auf 2045 zu verschieben, sei „verantwortungslos“ und „ein fataler Schritt in die völlig falsche Richtung“. Stattdessen müsse Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Klima Tempo machen. „Wir brauchen jetzt einen naturverträglichen Ausbau erneuerbarer Energien und einen klimafreundlichen Umbau von Wald- und Landwirtschaft.“





















