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Experten warnen vor schwerer Grippesaison – Gesundheit |ABC-Z

Die Grippe ist im Anmarsch. Und in diesem Jahr schlägt sie eher und wahrscheinlich auch härter zu als sonst. Das jedenfalls befürchtet das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, kurz ECDC: „Wir sehen, dass Influenzadiagnosen in diesem Jahr viel früher als üblich ansteigen“, sagt Edoardo Colzani, der Leiter der ECDC-Abteilung für Atemwegsviren, in einem Statement auf der Website seiner Behörde. Impfungen seien deshalb zeitkritisch: „Wenn Sie für eine Impfung infrage kommen, warten Sie bitte nicht“, so Colzani. Eine Impfung gegen Grippe sei einer der wirksamsten Wege, sich selbst und seine Angehörigen in diesem Winter vor schwerer Erkrankung zu schützen.

Getrieben wird der frühe Beginn der Grippesaison, den Gesundheitsbehörden in vielen Ländern der nördlichen Hemisphäre beobachten, von einem besonderen Virenstamm. Es handelt sich um die Subklade K des Influenza-A-Stamms H3N2. Wie jedes Jahr entwickeln sich Influenzaviren auf ihrer Reise um den Erdball weiter. Dabei hat der schon seit einigen Jahren kursierende H3N2-Stamm jüngst aber so viele Mutationen angehäuft, dass man nun von einer neuen Subklade spricht und sie K nennt. „Schon seit Langem kursieren H3N2- und H1N1-Influenzaviren gemeinsam bei uns“, sagt Gülşah Gabriel, Leiterin der Abteilung Virale Zoonosen am Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg. „Aber wegen der zahlreichen Mutationen scheint sich H3N2 jetzt durchzusetzen.“

Wie gefährlich die neue Subklade K tatsächlich ist, sei noch unbekannt, sagt Gabriel. Gewiss sei aber: „H3N2 infiziert die unteren Atemwege und verursacht deshalb häufiger Lungenentzündungen als H1N1. Deshalb sind wir alarmiert“, so die Virologin. „Als wir im Winter 2022/23 besonders viele Influenza-Todesfälle hatten, war das ebenfalls ein H3N2-dominanter Winter.“

Zwar ist in Deutschland von dem neuen Grippevirus bislang nicht viel zu sehen. Doch in anderen Ländern hat sich die Subklade K bereits durchgesetzt, in Texas ebenso wie in Japan. Innerhalb Europas hat das Virus bisher bereits Norwegen, Island, Liechtenstein und Großbritannien erreicht. Ihm bereite das gleich aus mehreren Gründen Sorge, sagte Adam Finn, Professor für Pädiatrie an der Universität Bristol, kürzlich dem britischen Science Media Centre. So lege der frühe Beginn der Grippesaison nahe, „dass es der zirkulierende Stamm leichter hat als üblich, sich zu verbreiten“. Denn normalerweise sind es erst die niedrigen Temperaturen des Dezembers oder Januars, die Grippeviren die Vermehrung erleichtern, sodass eine Krankheitswelle entstehen kann. Wenn den Viren dies schon im Herbst gelingt, sei dies ein besorgniserregendes Zeichen, so Finn.

Zudem könnte ein Grund für das frühe Umsichgreifen der neuen Viren darin liegen, dass die Bevölkerung gegen die neue Subklade K weniger Immunität besitzt als gegenüber bisherigen Virusstämmen und die Ausbreitung der Viren deshalb weniger gebremst wird. Immunität in der Bevölkerung entsteht durch die durchgemachten Grippe-Infektionen der vergangenen Jahre oder durch Impfungen. Wenn sich Grippeviren aber, so wie die Subklade K, durch Mutationen stark verändern, können die gegen ältere Viren oder Impfungen erworbenen Abwehrkräfte der Menschen nicht so viel gegen die neuen Viren ausrichten.

Die Impfung hilft: Das zeigen aktuelle Erfahrungen aus Großbritannien

Ungut an der frühen Ausbreitung der Viren ist Adam Finn zufolge auch, dass viele Menschen noch nicht gegen Grippe geimpft sind, denn die Impfungen haben erst Anfang Oktober begonnen. „Die Quintessenz ist, dass in diesem Jahr womöglich eine sehr schlimme Grippesaison vor uns liegt.“

Die Konsequenz aus alldem sei eindeutig, sagt Gülşah Gabriel: „Es ist jetzt an der Zeit, sich impfen zu lassen. Das gilt vor allem für die Risikogruppen.“ In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) allen Menschen über 60 Jahren eine Influenza-Impfung, außerdem Menschen mit Vorerkrankungen, Schwangeren sowie allen, die im Gesundheitswesen arbeiten.

Aber wie gut kann die Impfung überhaupt wirken, wenn sich das Virus so stark verändert hat? Gut genug, meint Gülşah Gabriel. Das Problem bei der Influenza-Impfung sei jedes Jahr, dass die Impfstoffproduktion schon mit einem Jahr Vorlauf beginnt. Die Impfstoffe werden dann an die zu dieser Zeit kursierenden Viren angepasst. „Deshalb passen die Impfstoffe nie hundertprozentig. Aber sie werden gut genug sein, um die Gefahr für einen schweren Krankheitsverlauf zu senken.“

Darauf weisen auch vorläufige Daten aus Großbritannien hin. Demnach konnte die Grippeimpfung die Zahl der influenzabedingten Krankenhausaufenthalte von Erwachsenen in den ersten Wochen der diesjährigen Saison um 30 bis 40 Prozent senken und die von Kindern sogar um 70 bis 75 Prozent. „Unsere Zahlen deuten an, dass die Impfung ein wirksames präventives Werkzeug gegen die zirkulierende Influenza A(H3N2) ist“, folgern die Autorinnen und Autoren.

Allerdings, das müssen auch sie einräumen, sieht die Sache zu Beginn einer Grippesaison immer besser aus als im weiteren Verlauf. Denn Grippeviren kursieren zu Beginn einer Saison vor allem unter Kindern und jungen Menschen, weil diese mehr Sozialkontakte haben. Erst mit der Zeit befallen die Erreger auch betagtere Personen – und die sind deutlich stärker gefährdet. Dann erst wird sich zeigen, wie gefährlich die Subklade K wirklich ist und wie gut die diesjährige Impfung gegen dieses neue Virus wirkt. „So viel wir mittlerweile auch über Influenzaviren wissen“, betont die Virologin Gabriel: „Wie schwer eine Grippewelle verläuft und wie gut die Impfung schützt, kann man mit Gewissheit immer erst im Nachhinein sagen.“

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