Santana-Geländewagen: eine spanische Nationallegende | FAZ | ABC-Z

Es rüttelt und schüttelt. Die Gangschaltung ist schwere Handarbeit, es riecht nach Motoröl. Die Frauenstimme des Navis kommt gegen den lärmenden Motor nicht an. „Der Santana mag Autobahnen nicht“, knurrt Isaac Verdugo, während schwere Lastzüge seinen Geländewagen überholen. Trotzdem gibt es für den 42 Jahre alten Metro-Mechaniker kaum etwas Schöneres, als sich hinter das Lenkrad seines „109“ zu klemmen. „Baujahr 1970. Er ist älter als ich“, sagt er über die spanische Autolegende, mit der er bei Tempo 80 Richtung Andalusien fährt: Santana lebt.
Im Grunde ist es ein britischer Land Rover. Aber er wurde in Spanien gebaut. 1958 lief in Linares in der Provinz Jaén der erste Santana vom Band. Erst war es eine Koproduktion. Aber die spanischen Autobauer emanzipierten sich. Der Brite wurde immer spanischer und zum Synonym für ein Allradauto. Bis heute hat die Marke eine treue Fangemeinde, die über Marokko bis nach Südamerika reicht.
Es ist immer etwas kaputt, aber das bringt sie nicht um
Mit einem Schuss Selbstironie hat sich der nationale Santana-Klub MSA das Motto „Siempre Rotos – Nunca Muertos“ gegeben. Frei übersetzt: Es ist immer etwas kaputt, aber das bringt uns nicht um. Und unter dem Allradwagen im Lorbeerkranz prangt im Logo der Zusatz „Codo fuera“ – Ellenbogen raus. Die Land Rover waren für den britischen Linksverkehr gebaut. In Spanien ist das Lenkrad jedoch auf der anderen Seite, wo weniger Platz ist. Daher stammt der Brauch, den Ellenbogen durch das Schiebefenster in den warmen Fahrtwind zu hängen.
In Linares winken an diesem warmen Novembertag die Fahrer hupend der applaudierenden Menge zu. Eine Dieselwolke liegt über dem Rondell am Ende des Boulevards. Mehr als 100 Santanas haben sich zum großen Jahrestreffen angemeldet. Auch Isaac Verdugo aus Madrid fährt an dem Denkmal mit einem kleinen blau-weißen Santana vorbei und biegt auf die Glorieta de América ab. Das Auto auf dem Sockel erinnert daran, dass in der kleinen andalusischen Bergwerks- und Industriestadt der Mythos geboren wurde, der das ländliche und kaum entwickelte Spanien revolutionierte.
Der unverwüstliche Allradwagen ersetzte Esel und Pferde. Er brachte die Moderne zu den Bauern auf das Land und die Globalisierung in die abgeschottete Franco-Diktatur. Auf einmal musste die Landbevölkerung nicht mehr laufen, sondern setzte sich auf die engen Bänke des neuen „Taxi rural“, des Bauerntaxis. Die Region glich einst dem Ruhrgebiet, Linares war eine Bergwerksstadt im Niedergang. Das spanische Blei war nicht mehr gefragt. Die Rettung brachte die kleine Metallurgische Fabrik Santa Ana, die landwirtschaftliche Geräte produzierte. Sie erhielt die Lizenz von Land Rover. Zu den Blütezeiten arbeiteten in ihren Hallen mehr als 5000 Menschen.
„Er ist so knallrot, dass es wehtut“
Die britische Firma konnte in den Fünfzigerjahren der Nachfrage auf der Welt nicht mehr Herr werden. Auch Königin Elisabeth II. war bis zu ihrem Tod eine passionierte Land-Rover-Fahrerin. Zeitweise wurden die Fahrzeuge auch in Deutschland unter dem Namen „Tempo“ montiert. Aber nur die Spanier hielten durch und entwickelten eigene Santana-Modelle. Mit ihrem Vierradantrieb halfen sie langsam dem isolierten Spanien in die neue Zeit.
Fidel Díaz ist sehr stolz auf seinen kleinen „Ligero“ aus den Achtzigerjahren. „Er ist so knallrot, dass es wehtut. Aber davon gibt es nur wenige“, sagt der 70 Jahre alte pensionierte Nationalpolizist aus der Nähe von Valencia. Fast alles ist original an seinem sportlichen Wagen. Darauf legt er Wert. Mit Scheibenbremsen und Sicherheitsgurten war das Modell jedoch schon eher für die Freizeit als für die Feldarbeit gedacht. Es gab aber auch eine Militärversion; die spanischen Sicherheitskräfte zählten zu den Großkunden bei Santana. Der „Ánibal“ (Hannibal) aus Linares ist noch in großer Zahl im Armeedienst.

Fidel Díaz ist mit den Autos aufgewachsen. Er war sechs Jahre alt, als sein Vater Anfang der Sechzigerjahre den ersten Santana-Land-Rover kaufte. „Damals kostete ein Wagen so viel wie zwei Häuser. Anfangs konnten sich das nur Großgrundbesitzer, Kampfstierzüchter und Aristokraten leisten.“ Seit seiner Kindheit gab es in seinem Leben immer einen Santana. Für ihn müssen sie Klassiker sein, ohne moderne Accessoires: „Du erkennst sie am Ölfleck unter dem Motor. Wie ein Hund, der sein Revier markiert.“ Auch wenn das Modell „der Leichte“ heißt, hat es großen Durst. Mit elf Liter Diesel auf 100 Kilometer ist es noch eines der bescheideneren. Andere brauchen bis zu 15 Liter.
Ein Familientreffen mit eigenen Ritualen
Auf dem Programmheft des Jahrestreffens ist eine üppige Mechanikerin in engen Shorts und mit einem Schraubenschlüssel in der Hand abgebildet. Aber der erste Eindruck täuscht, die „Aficionados“ sind nicht nur ältere nostalgische Männer: Fidel Díaz musste schon seinem 14 Jahre alten Enkelsohn versprechen, dass er ihm seinen Ligero vererben werde.
Santana-Fahrer erzählen, dass Kinder ihre Geländewagen auf der Straße mit Rufen bestaunen: „Mama, schau, ein Auto aus dem Krieg!“ Und wenn Kinder Autos malten, seien Land Rover unbewusst ihr archaisches Vorbild. In Deutschland wurden sie durch Afrika-Serien wie „Daktari“ bekannt. Und bei älteren Spaniern kommen Kindheitserinnerungen hoch, wenn ein Santana an ihnen vorbeidröhnt.
Die jährliche Pilgerfahrt nach Linares ist ein Familientreffen mit eigenen Ritualen. Teilnehmer reisen von den Kanarischen Inseln und aus dem Baskenland an. Einige Besucher kommen sogar aus Kolumbien. Dort fahren in den Bergen immer noch viele Santanas, wie in Costa Rica und Argentinien. Das liegt daran, dass Land Rover die Welt aufgeteilt hatte.
Das Nachbarland Portugal belieferten die Briten selbst, die Spanier dafür Südamerika und den Nahen Osten von Gaddafis Libyen über Ägypten bis nach Iran. Besonders viele Santanas sind bis heute in Marokko und der Westsahara unterwegs, der früheren spanischen Kolonie. Diese Modelle verrät oft das „afrikanische Dach“. Es besteht aus einem doppelten Blech, das besser der Sahara-Hitze standhält. In der Wüste haben sich diese Autos gut erhalten, sodass sich spanische Sammler schon in Marokko auf die Suche machen. Dorthin bricht jedes Jahr die „Santana Trophy“ auf. Die Rallye führt im Frühjahr in die marokkanische Wüste.
„Wir sind eine große Familie“
In Linares beginnt der Tag mit tellergroßen Churros zum Frühstück. Das frittierte Gebäck aus Brandteig wird in flüssige Schokolade getaucht. Nach der Autoausstellung geht es durch die endlosen Olivenhaine der Provinz Jaén, die sich stolz Welthauptstadt des Olivenöls nennt. Drei Konvois fahren über steinige Pisten, durch tiefe Pfützen und alte Eisenbahntunnel.
„Der Schlamm ist das Hauptsymptom des Genusses“, philosophiert ein zufriedener Fahrer neben seinem braun bespritzten Wagen. Er hatte Mühe, im Hof des Freizeitheims von Navas de San Juan noch einen Parkplatz zu finden. Am Rand des andalusischen Dorfs schlägt der Santana-Clan sein Quartier auf. Isaac Verdugo legt sich dort in einen Schlafsack auf der Rückbank seines Autos. Andere zelten oder übernachten in Stockbetten in der einfachen Unterkunft, die sie an dem Wochenende mit jungen Stierkämpfern teilen.

„Wir sind eine große Familie“, sagt Juan Miguel Maza, der Präsident des MSA-Vereins. „Juanmi“ nennen die meisten den pensionierten Automechaniker, der alles organisiert, bis hin zu den Feuerstellen. In einem Workshop führt er in die Geheimnisse der Gangschaltung ein, bevor bei Einbruch der Dunkelheit die Grillkohle glüht. Es wird gefachsimpelt über die verschiedenen Serien, die Radstände von 88 und 109 Zoll – aber genauso viel wird über den Wermut aus Katalonien, Anislikör aus Alicante, das gegrillte Milchlamm aus Valladolid und die Paella gesprochen, die es am Nachmittag gab. Alle haben ihre Kofferräume mit Spezialitäten aus ihrer Heimat vollgeladen und teilen sie auf langen Tischen. Jeder probiert beim anderen.
Drei Kinder, sieben Santanas
Eine Familie aus der Extremadura ist dabei. Sie haben drei Kinder und sieben Santanas. Zu den Gründerinnen des Vereins gehört eine Frau aus Torrevieja. Schon ihr Großvater fuhr einen spanischen Geländewagen. Sie braucht Krücken zum Laufen und kann ihren Geländewagen nicht selbst steuern. Das macht ihr Mann, der aus Skandinavien stammt.
Politisch ist das Land tief gespalten, die alten Santanas und gutes Essen bringen diese Spanier aber zusammen – und ein bisschen Nationalstolz, denn der Santana erlebt eine Wiederauferstehung, wenn auch mit chinesischer Entwicklungshilfe. In die Fabrikhallen in Linares kehrt nach der Schließung 2011 wieder Leben zurück. Zwei chinesische Firmen lassen die alte Marke wieder aufleben, ähnlich wie bereits in Barcelona Ebro. Nach dem zweitgrößten spanischen Fluss sind dort die neuen Elektroautos der Koproduktion benannt. Ende November sollen die ersten Pick-ups mit dem Santana-Stern fertig sein. Die Teile kommen aus China, aber an der Kühlerhaube prangt der Santana-Stern. Das ist vielleicht nur der Anfang. Bei der Autoschau des Fanclubs begeistert eine kleine chinesische Abordnung aus dem Werk der grellrote „Ligero“ von Fidel Díaz. Ein Vorbild?





















