Landkreis München: Jugendliche sind online und offline zugleich – Landkreis München | ABC-Z

Wie tickt die Jugend im Landkreis München? Das wollte der Kreisjugendring München-Land (KJR) mit seiner dritten großen Jugendbefragung aufdecken und hat jungen Leuten zwischen zwölf und 27 Jahren 40 Fragen gestellt. Rund 1100 Teilnehmende haben Einblicke in ihre Lieblingsbeschäftigungen gegeben, ihre Wohlfühlorte genannt, aber auch Sorgen und Probleme, die sie umtreiben. Die SZ sprach mit Blandine Ehrl, Projektleiterin der Jugendbefragung, über die Ergebnisse und was sie bedeuten.
SZ: Die Jugend ist im postdigitalen Zeitalter angekommen, ist ein Fazit der Befragung. Was heißt das genau?
Blandine Ehrl: Die Jugend unterscheidet nicht mehr zwischen online und offline. Jugendliche haben ihr Handy immer dabei, auch wenn sie sich mit Freunden treffen. Dann sitzen sie zusammen, schauen sich gemeinsam auf Social Media ein Video an oder machen selbst eines und stellen es online. Die digitale und die reale Welt sind nicht mehr zu trennen, beides vermischt sich. Jugendliche sind draußen unterwegs und trotzdem ständig online. Diese digitale Lebenswelt müssen wir ernst nehmen und Angebote schaffen, die digitale Medien integrieren und reflektieren.
Soziale Medien stehen auf Platz eins der Top-3-Freizeitaktivitäten, gefolgt von Musikhören und Chillen. Freunde treffen landet auf Platz sieben. Zieht sich die Jugend gerne zurück?
Jugendliche konnten ankreuzen, wie oft sie etwas mehrmals pro Tag, Woche oder Monat machen. Schaut man darauf, was sie täglich machen, sind Soziale Medien, Musikhören und Chillen die Hauptbeschäftigungen. Blickt man dagegen auf das Freizeitverhalten in einer ganzen Woche und im Monat, rücken die Freunde auf Platz zwei. Wir leiten daraus ab, dass es ein großes Bedürfnis nach Begegnung und Austausch gibt, was aber nicht täglich möglich ist. Gleichzeitig gibt es auch ein Bedürfnis nach Rückzug, beides steht nebeneinander.
Lassen sich so auch die Lieblings-Wohlfühlorte der Jugendlichen erklären, nach denen sie befragt wurden? Zu Hause, insbesondere das eigene Bett sowie Parks, Wälder, Wiesen wurden vor Jugendzentren genannt.
Das ist tatsächlich das Bemerkenswerte an der heutigen Jugend. Sie fühlt sich zu Hause wohl und in der Natur. Wir führen das auch auf die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie zurück, als sie niemanden treffen durften. Zuhause sein haben sie gelernt, das ist ihnen vertraut. Die Natur erleben sie als Kraftorte, hören wir immer wieder: Ein Waldspaziergang tut mir gut und bringt Entspannung, danach geht es mir besser – das sind typische O-Töne.
Ist die Jugend denn so gestresst?
Über die Hälfte der Befragten hat angegeben, Stress zu empfinden. Das ist leider nicht neu. Das war auch schon in den Befragungen 2022 und 2019 der Fall. Vor allem schulischer Leistungsdruck ist inzwischen ein alter Bekannter.
Welche Probleme haben Jugendliche noch?
Rauchen, Vapen, also das Rauchen elektronischer Zigaretten, und Snus – eine Form von Tabak, den man unter die Lippe schiebt – werden über die Jahre hinweg als durchaus große Probleme empfunden. Rauchen bei Stress ist eine Form der Kompensation, das hören wir immer wieder. Bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte der Befragten das Thema Inflation als Herausforderung wahrnimmt und 39 Prozent psychische Probleme als besorgniserregend empfinden.
51 Prozent blicken zuversichtlich in die Zukunft, lautet ein Ergebnis. Das sind etwa 20 Prozent weniger als 2019. Das klingt nicht nach unbeschwerter Jugend, oder?
Das Ergebnis hat uns nicht überrascht. Seit 2019 nehmen die Jugendlichen Multikrisen wahr: die Pandemie, den Ukrainekrieg, die Inflation, die Wahlen in Amerika und in Deutschland, den Klimawandel. Ständig müssen sie damit rechnen, dass wieder etwas passiert, was man nicht erwartet hätte. Nichts ist mehr verlässlich. Das kann Angst machen, Niedergeschlagenheit und depressive Episoden verursachen. Es gibt immer weniger Anlässe und Entwicklungen, die junge Menschen zuversichtlich stimmen. Damit müssen wir uns beschäftigen.

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Welche konkreten Handlungsaufträge ergeben sich für Sie aus der Befragung?
Jugendliche brauchen mehr psychosoziale Unterstützung, um ihre Resilienz zu stärken. Dazu gehört auch, ihnen Kompetenzen zu vermitteln, wie sie selbst gegensteuern können, wenn es ihnen nicht gut geht. Da kommt Achtsamkeit und wieder der wohltuende Waldspaziergang ins Spiel. Außerdem müssen wir mehr Angebote schaffen, die junge Menschen dabei unterstützen, wieder Zuversicht zu entwickeln. Das kann gelingen, indem man die Gemeinschaft stärkt: gemeinsam positive Erlebnisse schaffen, Bündnisse gründen, sich mit anderen vernetzen, Partizipation fördern. Es gibt nämlich auch gute Nachrichten: Jugendliche wollen sich einbringen und engagieren, zeigt die Befragung, wissen aber nicht immer wie und wo. Da können wir sie abholen und Angebote schaffen. Damit fördern wir auch das Erleben von Selbstwirksamkeit und somit von Demokratiekompetenzen und das wiederum kann Zuversicht geben.





















