Karl Lauterbach erschüttert die Runde bei Rentendiskussion | ABC-Z

Im Rentenstreit zwischen einer 18-köpfigen Gruppe von jungen Unions-Abgeordneten mit Kanzler Merz (CDU) und seinem Kabinett hat der Junge-Unions-Vorsitzende Johannes Winkler am Dienstag noch einmal nachgelegt. Und trotzdem eine kleine Spur von Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Wenn es keine Änderung in der Substanz an dem Gesetzentwurf gibt, dann werden wird ihm nicht zustimmen. Dann wird es für ihn keine Mehrheit im Bundestag geben“, betonte Winkler am Dienstag bei Markus Lanz im ZDF.
Die sogenannte „Junge Gruppe“ verlangt, dass aus dem von SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas vorgelegten Rentenpaket ein Satz gestrichen werde. Und zwar der, wonach ab 2023 das Rentenniveau ein Prozent höher liege als nach heute geltendem Recht. Denn dies werde 120 Milliarden Euro Folgekosten für die jüngere Generation haben. Aber was bedeute denn nun „Änderung in der Substanz“, fragte Moderator Lanz den Abgeordneten. Winkler antwortete: „Wir wollen die 120 Milliarden Euro rausbekommen.“ Ob er denn mit einem Abschmelzen auf 60 Milliarden Euro zufrieden wäre, das ließ Winkler offen: „Ich will den Gesprächen nicht vorgreifen.“
Winkler setzt auf parlamentarische Beratung
Aber ist der Koalitionspartner SPD überhaupt zu Gesprächen bereit, nachdem Finanzminister Lars Klingbeil öffentlich schon verkündet hatte, man werde das Gesetz nicht ändern? Für Winkler ist das unnahnehmbar, die SPD habe „die Pflicht“ über das Gesetz zu sprechen. Denn es sei das Parlament, dass Gesetze berate und verabschiede, nicht die Regierung. Man könne auch über „technische Wege“ auf ein niedrigeres Rentenniveau ab 2032 kommen, so Winkler.
Inhaltlich wiederholte er erneut die grundsätzliche Sorge der Jungen. Deutschland laufe auf eine demografische Krise zu, den jüngeren Bürgern werde in Zukunft der „finanzielle Spielraum“ geraubt. Gerade wenn der Jahrgang 1964 in Rente gehe, werde „es noch einmal richtig brutal“. Dann werde eine Rentenlast fällig, die man sich so noch nicht vorstellen könne. Der Ökonom Hans-Werner Sinn – langjähriger Präsident des Ifo-Instituts – teilte diese Ansicht: „Die Babyboomer wollen eine Rente von Kindern, die nicht existieren.“ Sinn war der Meinung, dass die SPD beim Rentenpaket „einknicken“ werde, dass der Satz herausfliege und die Koalition daran nicht zerbrechen werde.
Lauterbach: Kanzler ist auf Seite der SPD
Der frühere Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war da nicht so sicher. Er sieht den „Kanzler an der Seite der SPD“, erkennt im Rentenstreit aber auch eine Dynamik, die die Koalition sprengen könnte. „Der Konflikt birgt ein großes Gefahrenpotenzial“, so Lauterbach. Nach der zunächst missglückten Kanzlerwahl und nach der gescheiterten Wahl der Richterin Frauke Brosius-Gersdorf wäre ein Scheitern des Rentenpakets das dritte Mal, dass die Koalition „stark angeschlagen“ wäre.
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Lauterbach legte dar, dass der umstrittene Passus mit dem Rentenniveau ab 2032 von Ministerin Bas „nicht ins Rentenpaket hineingeschmuggelt“ worden sei. Vielmehr sei er von allen Beteiligten seit den Debatten darüber seit 2018 als sinnvoll erachtet worden. Hintergrund ist, dass der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor – der einen Rentenanstieg bremst – bis 2031 ausgesetzt sei. Lauterbach: „Wenn ich den Nachhaltigkeitsfaktor aussetze, und gehe danach aber auf das Niveau runter, als ob ich ihn nie ausgesetzt hätte, dann wäre das ein absurder Vorschlag.“
Es wäre so, wie wenn man eine sechsprozentige Lohnerhöhung für fünf Jahre vereinbare. Und dann, wenn man nach fünf Jahren neu über die Löhne verhandele, tue man so, als ob es in den letzten fünf Jahren keine Lohnerhöhung gegeben habe. Wie gesagt, absurd. Würde man die Forderung der Jungen Union umsetzen, würde man im übrigen damit nur die zukünftigen Rentner ab 2032 bestrafen, meinte Lauterbach. Den Betrag von 120 Milliarden Euro hält er für überschaubar: Diese Summe erstrecke sich über die Jahre 2025 bis 2040. Das seien nur 1,5 Prozent der gesamten Rentenausgaben, so Lauterbach: „Und wegen den 1,5 Prozent will man die Koalition sprengen?“ Im Rentensystem sieht der SPD-Politiker mehrere Ungerechtigkeiten, vor allem zu Lasten der Rentner mit niedrigen Bezügen, die eine kürzere Lebenserwartung haben.
Am Ende nahm die Talkrunde eine bizarre Wende. Zunächst war von allen Seiten betont worden, dass der Vorschlag der JU keine Rentenkürzung bedeute, sondern eine verlangsamte Steigerung. Auch wies Johannes Winkler auf die gesetzliche Rentengarantie, wonach ein Rentner „nie einen Cent weniger im Monat“ bekomme als im Vormonat.
Publizistin: „Merz hat sich in die Sackgasse manövriert“
Dann aber erschütterte Lauterbach erneut die Runde: Sollte man die 120 Milliarden streichen, dann werde das 2032 „wie ein Fallbeil“ wirken und das Rentenniveau falle von 48 auf 47 Prozent. „Dann müssen wir Renten kürzen.“ Ja, da habe Lauterbach durchaus recht, meinte Ökonom Sinn, ein seltener Fall von Übereinstimmung mit Lauterbach. Der Volkswirt hatte übrigens eine andere Idee, wie sich das Rentenniveau ohne Mehrkosten stabilisieren lasse. Man müsse nur das Renteneintrittsalter um „pi mal Daumen“ zehn Monate nach hinten verschieben, so Sinn, dann brauche man keine Steuern erhöhen und könne die 48 Prozent halten.
Die politischen Verwerfungen durch den Rentenstreit beleuchtete vor allem die Journalistin Karina Mößbauer („The Pioneer“). Das sei schon ein „Husarenstück“, wie Kanzler Merz in der Rentenpolitik die SPD, die Junge Union und auch sich selbst in eine „Sackgasse manövriert“ habe. Die Gruppe der 18 Rentenrebellen habe übrigens längst Zulauf, es seien jetzt wohl 35 bis 40 Abgeordnete, die gegen das Rentenpaket stimmen könnten.















