Linkes Lager in der Krise: Hoffen auf Mamdani-Effekt bleibt Wunschdenken | ABC-Z

Der Wahltriumph Zohran Mamdanis in New York hat nicht nur die von Donald Trump gedemütigten Demokraten in den USA in Hochstimmung versetzt. Auch das nach der Bundestagswahl und dem Rechtsruck zur AfD geschrumpfte, verunsicherte und teils orientierungslose linke Lager in Deutschland ist elektrisiert von dem Erfolg eines charismatischen und demokratischen Sozialisten, wie er sich selbst bezeichnet. Ein kaum für möglich gehaltener Aufstieg eines linken Außenseiters in der größten Stadt der Vereinigten Staaten, der Metropole mit den meisten Milliardären, in der das Herz des Kapitalismus schlägt.
Die wie Mamdani nicht nur wegen ihrer Tiktok-Präsenz in ihrem Blitzwahlkampf für junge Wähler zum Politstar avancierte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek sieht für ihre Partei schon kräftigen Rückenwind bei den fünf Landtagswahlen im nächsten Jahr durch Mamdanis Überraschungssieg. Sie dürfte dabei nicht zuletzt die sich gerne mit New York vergleichende Millionenmetropole Berlin im Blick haben, wenn sie Parallelen zur erfolgreichen Bundestagswahlkampagne der Linken zieht.
Mit „Brot-und-Butter“-Themen zum Erfolg
Ein Wahlkampf vor allem mit linken, sozialen Brot-und-Butter-Themen wie bezahlbarem Wohnraum oder hohen Lebensmittel- und Energiepreisen. Eine kombinierte Haustür- und Social-Media-Kampagne, mit der sich die Linke vor dem scheinbar sicheren Untergang nach Sahra Wagenknechts Abgang und ihrem zunächst erfolgreichen Ego-Projekt BSW gerettet hat.
Wie Mamdani gehe auch die Linke „zu den Menschen an die Haustüren“, spreche mit ihnen „auf Augenhöhe“, greife die „Wut der Menschen auf“, gebe ihnen eine „positive Vision“, schwärmt Reichinnek von sich selbst und ihrer Partei. Anders als Mamdani dürfte die Linke in Deutschland jedoch angesichts fehlender Mehrheiten nicht in die Verlegenheit kommen, ihre „positiven Visionen“ zumindest auf Bundesebene verwirklichen zu müssen.
Anders sieht es in Berlin aus, wo die Linke schon einige Male zusammen mit SPD und Grünen regiert hat, bevor dem CDU-Oppositionsführer Kai Wegner die Sensation gelang und die Union nach 22 Jahren die strukturell linke Dominanz in der Hauptstadt gebrochen hat. Weder die Linke noch deren Vorgängerpartei PDS wurden in ihrer Zeit als Koalitionspartner der SPD als Problemlöser wahrgenommen.
Nach wie vor sind die marode Infrastruktur im Nahverkehr, Kriminalität, große Integrationsdefizite, eine dysfunktionale Verwaltung, ein teils vermülltes Stadtbild, Bildungsnotstand und hohe Mieten wie in München oder Frankfurt die ungelösten Probleme, die in Berlin, aber auch in anderen westdeutschen Großstädten deren Bewohnern das Leben schwer machen. Es sind gerade diese Probleme, bei deren Bewältigung die nur noch kaum größere linke und einst bis in die Mitte der Wählerschaft reichende Regierungspartei SPD aus Sicht vieler Bürger nicht zuhört oder keine Antworten hat, die Wirklichkeit schönredet und schlicht versagt.
Viele ihrer früheren Wähler aus der Arbeiterschaft hat die SPD auch deshalb wie zuletzt bei den Kommunalwahlen im Ruhrgebiet an die AfD verloren. Die in Teilen rechtsextreme Partei bietet zwar keine Lösungen an. Aber sie ist für jene von der etablierten Politik enttäuschten Bürger die einzige Partei, die „Klartext“ redet, Sicherheit und Rückkehr in eine vermeintlich bessere Vergangenheit verspricht.
Das Versagen der SPD oder genauer gesagt ihres linken, von Funktionären dominierten Flügels angesichts dieses Vertrauensverlustes zeigte sich jüngst im migrantisch geprägten Berliner Bezirk Neukölln. Die Abstrafung des SPD-Bürgermeisters Martin Hikel auf einem Nominierungsparteitag durch eine große linke Minderheit ist ein „Armutszeugnis für die SPD“, wie es deren langjähriger Außenpolitiker Michael Roth treffend formuliert.
Der pragmatische Kommunalpolitiker Hikel ist für Parteilinke zum Feindbild geworden, weil er gegen kriminelle Clanstrukturen vorgeht und antisemitische Hamas-Anhänger bekämpft. Seine Kritik am Islamismus bringt ihm in Teilen der SPD den Vorwurf des „antimuslimischen Rassismus“ ein. Roth hat recht, wenn er der Partei-Linken deshalb vorwirft, ein „Zerrbild der Sozialdemokratie“ zu zeichnen. Denn für „Sicherheit und Freiheit unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Postleitzahl und Identität entschlossen einzustehen ist links“.
Und offenbar gibt es genau diese Sehnsucht vieler Wähler nach einer solchen auch früher sozialdemokratischen Politik à la Helmut Schmidt, zu der sich viele in der SPD nicht mehr bekennen wollen. Aber ein Bundestagswahlergebnis, in dem SPD, Grüne und Linke mit ihrem Politikangebot zusammen nur noch 37 Prozent erreichen, sollte dort nachdenklich stimmen, warum die Nachfrage danach so schwach ist. Und ob es wirklich allein die Aufgabe der Union ist, frühere SPD-Anhänger oder Linken-Wähler von der AfD zurück in die Mitte oder links davon zu holen. New York als Blaupause ist dafür zu wenig.





















