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Gesetz, dass Streamer zu Investitionen zwingt, ist umstritten | ABC-Z

Die deutschen Film- und Fernsehproduzenten sind verhätschelt. Oder besser gesagt: Ihr führender Verband, die Produktionsallianz, ist es. Die ist es nämlich gewohnt, dass die Bundesregierung die Filmförderung so gestaltet, wie es ihr beliebt. Das machte sich zu Zeiten der Ampelkoalition bemerkbar, als der damalige Allianzchef Björn Böhning die damalige Kulturstaatsministerin Claudia Roth vor sich hertrieb und den Eindruck vermittelte, Gesetze entstünden nicht im Ministerium, sondern in den Büros der Lobbyisten.

Die Ampelkoalition ist Geschichte, Claudia Roth sitzt für die Grünen im Bundestag, Björn Böhning (SPD) ist als Staatssekretär ins Finanzministerium gewechselt. Seine Nachfolgerin Michelle Müntefering, die bis zum Frühjahr für die SPD im Bundestag saß (bei der Produktionsallianz ist die Politbesetzung üblich), macht in Böhnings Sinne weiter und meint dabei noch witzig zu sein.

32 Verbände protestieren, doch einer schert aus

„Nur eine gesetzlich geregelte Investitionsverpflichtung schafft Transparenz, Verlässlichkeit und Fairness im internationalen Wettbewerb“, hat sie dem Kulturstaatsminister Wolfram Weimer ins Stammbuch geschrieben. Was sie meint, ist, dass internationale Streamingplattformen wie Netflix gesetzlich verpflichtet werden, in die hiesige Film- und Serienproduktion zu investieren. Das sehe auch der Koalitionsvertrag vor.

Wolfram Weimer tendiert inzwischen indes eher zu einer Selbstverpflichtung. Das reicht den Produzenten und 31 weiteren Verbänden, die sich mit einer gemeinsamen Protestnote („Gesetz statt Ausverkauf“) zu Wort gemeldet haben, nicht. Sie wollen ein Gesetz.

Damit das in seiner Bedeutung auch jedem vor Augen tritt, hat die Produktionsallianz ein Plakat in Umlauf gebracht, das drei mit KI bearbeitete Herren zeigt, die an Wolfram Weimer, Bundeskanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil erinnern. Das sieht unter dem Titel „Broken Promises? – Gebrochene Versprechen?“ aus wie Kinowerbung und soll nicht konfrontativ, sondern eine „respektvolle“ Erinnerung sein. Das „Ziel dieser Kampagne“ sei „kein Skandal, sondern ein Happy End“.

Das erscheint uns etwas heuchlerisch. Ein Gesetz schafft zwar mehr Transparenz als irgendwelche Selbstverpflichtungen, deren Einhaltung man auch kontrollieren muss. Doch verkennen die Verbände, dass die deutsche Medienpolitik in einem solchen Fall nicht nur einen Konsens in der Regierungskoalition und im Bundestag finden, sich mit den Bundesländern ins Benehmen und die Interessen der Betroffenen würdigen muss. Sie tritt gegen Donald Trump an. Jedes Gesetz, das US-Konzernen Pflichten auferlegt, bekämpft die Trump-Regierung mit roher Gewalt und fährt ihr Erpressungsarsenal auf, in dem sich Strafzölle oder der Austritt aus der NATO finden. Und dann gibt es einen weiteren Punkt, einen blinden Fleck der Investitionsgesetzforderer.

Auf den macht der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTFF) aufmerksam, der die gemeinsame Protestnote nicht unterschrieben hat: Eine Investitionsverpflichtung – nach EU-Recht – verschaffe „Produktionsumsatz irgendwo in Europa“, aber nicht zwingend in Deutschland. Hier aber darbten die Betriebe und würden von Streamern und Sendern (auch und gerade den öffentlich-rechtlichen) im Stich gelassen, die lieber im Ausland produzieren.

„Die Streamer müssen zurückkommen! ARD und ZDF müssen sich auf Deutschland besinnen“, schreibt der VTFF-Chef Achim Rohnke. Deshalb setze man sich für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Streamer und Sender für Produktionen hierzulande ein. Den Aspekt haben die anderen Verbände nicht auf dem Zettel. Oder wollen ihn nicht darauf haben.

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