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Bayern: Welche Hilfe brauchen Kinder von Inhaftierten, um nicht ins Abseits zu geraten? – Bayern | ABC-Z

Wenn ein Vater oder eine Mutter eine Straftat begeht und deshalb ins Gefängnis muss, wird immer auch jemand Unschuldiges mitbestraft: das Kind. In Bayern müssen jährlich schätzungsweise 19 000 Kinder damit zurechtkommen, dass ein Elternteil inhaftiert ist. Ein Erlebnis, das die Kinderwelt erschüttert und die langfristige Entwicklung der Kinder häufig negativ beeinflusst. Zwei Drittel der Kinder mit einem inhaftierten Elternteil kämpfen mit psychischen oder physischen Folgen, darunter Schlafstörungen, Schulprobleme, aggressives Verhalten, Essstörungen sowie Angst, Depression und sozialer Rückzug.

Das fand schon 2013 eine groß angelegte Befragung in vier Ländern Europas heraus. Wie kann man diesen Kindern bestmöglich helfen? Darüber diskutieren am kommenden Mittwoch 110 Teilnehmer beim Fachtag „Gemeinsam für die Kinder von Inhaftierten“.

Sozialministerin Ulrike Scharf hat ihre Teilnahme genauso angekündigt wie Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU). Dieses Gipfeltreffen von Sozial- und Justizministerium ist für die Leiterin der bayerischen Fachstelle Kinder von Inhaftierten, Christiane Paulus, an sich schon ein Erfolg. Denn auch im Alltag müssen diese beiden Seiten – die sozialen Dienste wie etwa die Jugendhilfe einerseits und die Justizvollzugsanstalten andererseits– enger zusammenarbeiten, um den Kindern zu helfen.

Die 2023 gegründete Fachstelle fördert das: Sie organisiert JVA-Führungen für Vertreter der Jugendhilfe. Und sie schult Gefängnis-Mitarbeiter für die Bedürfnisse von Kindern. Beide Seiten müssten lernen, dass es fast immer das kindliche Wohl fördert, wenn das Kind Kontakt zum inhaftierten Elternteil hält, sagt Paulus.

Nach der internationalen Kinderrechtskonvention haben Kinder ein Recht darauf. Umsetzten allerdings lässt sich dieses Recht nicht überall gleichermaßen, weiß Paulus. Alltägliche Kommunikationsmittel wie Handys sind in Haftanstalten streng verboten. Auch Video-Telefonie ist nur sehr eingeschränkt und nicht in jeder JVA möglich. Und selbst bei Briefen gibt es Hürden: Sie sind nur in deutscher Sprache erlaubt, da die Briefe gelesen werden.

Christiane Paulus leitet die Fachstelle Kinder von Inhaftierten Bayern. (Foto: privat)

Wie oft ein Kind seine inhaftierten Eltern besuchen darf, hängt wiederum von den in der Hausordnung der jeweiligen JVA festgelegten Besuchszeiten ab. Und die sind unterschiedlich. Die Fachstelle pocht deshalb auf ein Sonderbesuchsrecht für Kinder. In einigen Vollzugsanstalten wird dies bereits gelebt. Die traditionell familienorientierte JVA Nürnberg etwa ist eine Modellregion. Hier hat man sowohl im Strafvollzug als auch in der Untersuchungshaft Vater-Kind-Gruppen eingeführt. Mehrere Inhaftierte treffen sich dort mit ihren Kindern zum Spielenachmittag.

Ziel ist es, dass die Kinder die JVA nicht als so gruselig empfinden.

Leiterin der bayerischen Fachstelle Kinder von Inhaftierten, Christiane Paulus

Auch den Besuchsraum hat man in Nürnberg kindgerecht umgestaltet. Es gibt dort eine Spielecke für die Kinder und an der Wand hängt das Maskottchen der Fachberatungsstelle – das Zebra Juki, das es auch als Plüschtier gibt. Jukis Hufspuren führen vom Eingang der JVA bis ins Besucherzimmer. „Ziel ist es, dass die Kinder die JVA nicht als so gruselig empfinden“, erklärt Paulus.

Man wisse, dass Kinder, wenn sie kindgerechte Elemente wie die Hufspuren entdecken können, ihre Aufmerksamkeit darauf richten. Statt des bedrückenden Gefängnisgefühles denkt das Kind dann im besten Fall nur: Da sind die Hufspuren und gleich sehe ich Papa wieder. Bislang hat die Fachstelle, die von der Auridis-Stiftung gefördert wird, 15 neue Angebote für Kinder und Eltern in den 36 Justizvollzugsanstalten in Bayern geschaffen.

Außerdem hat sie bei insgesamt 90 Veranstaltungen etwa 2000 Personen mit Vorträgen, Fortbildungen oder Fachtagungen für die Bedürfnisse von Kindern von Inhaftierten sensibilisiert. Die Tagung am Mittwoch dient ebenfalls dem Erfahrungsaustausch zwischen Jugendhilfe und Justizvollzug. Sie ist das größte derartige Treffen seit Gründung der Fachstelle. Für die Zukunft will Paulus weitere Angebote für Kinder von Inhaftierten schaffen – in den Justizanstalten und vor allem auch außerhalb.

Denn auch außerhalb der Gefängnisse bleiben die Familien oft mit ihren Problemen völlig allein: dem plötzlichen Wegfall einer Bezugsperson, den finanziellen Nöten, wenn ein Einkommen wegfällt, und vor allem der Scham. Die bestehenden Erziehungs- und Familienberatungsstellen seien oft wenig mit dieser speziellen Problematik vertraut. Die Fachstelle möchte hier zusätzliche Schulungen anbieten.

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