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Frauen-Bundesliga: 100 Millionen Euro und fast so viele Probleme | ABC-Z

Nächsten
Mittwoch spielen die Frauen des FC Bayern zum zweiten Mal in dieser Saison in
der Allianz Arena. In der Women’s Champions League treffen sie auf den
Titelverteidiger FC Arsenal. Mehr als 10.000 Tickets seien bereits verkauft für das Highlight-Spiel, meldeten kürzlich die Bayern. Aber eine Erfolgsmeldung war
das nicht. Beim Saisoneröffnungsspiel gegen Bayer Leverkusen (2:0) war mit
57.762 Fans bekanntlich ein neuer Rekordbesuch zustande gekommen. Und Arsenal beweist
auf der Insel, dass längst mehr geht.

Seit
dieser Saison tragen die Gunners alle Heimspiele der Women’s Super League (WSL)
im großen Emirates Stadium aus, in dem auch die Männer spielen. Schon in der
Vorsaison kamen 29.000 Fans im Schnitt. Arsenal ist der Frauenklub in Europa mit den meisten Zuschauern – und der mit dem höchsten Umsatz. Rund 20 Millionen Euro sollen durch
Zuschauer-, Werbe- und TV-Einnahmen hereinkommen. Von so viel Geld können die deutschen Frauen-Bundesligisten nur träumen. Die Bundesligaklubs kamen in der Saison 2023/24 gemeinsam auf einen Umsatz von 31 Millionen Euro.

Längst ist allen klar, dass die Bundesliga international den Anschluss verloren hat. In
der vergangenen Champions-League-Saison waren die beiden mit Abstand besten
deutschen Klubs, Wolfsburg und Bayern, im Viertelfinale chancenlos.
Der VfL
Wolfsburg verlor, Hin- und Rückspiel zusammengenommen, 2:10 gegen Barcelona. Die
Bayern 1:6 gegen Olympique Lyon. Diesmal verloren sie gleich zum Auftakt der Ligaphase
1:7 bei Barça. Ins Champions-League-Finale kamen die FCB-Frauen noch nie.

Nun reagiert
der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Am Freitag wird er auf dem Bundestag des DFB die
Frauen-Bundesliga in eine neue Struktur überführen, um die Vermarktung zu
verbessern und die Professionalisierung zu beschleunigen. Dahinter stecken
monatelange Vorarbeiten und ein zähes Ringen zwischen dem Verband und den Vereinen, die zwischenzeitlich auch damit drohten, alleine eine Liga zu gründen
und sich vom DFB abzuspalten.

Jetzt arbeiten der DFB und die Bundesligaklubs zusammen: Sie gründen gemeinsam eine Frauen-Bundesliga-Gesellschaft. Es werde ein Joint Venture geben aus den 14 Klubs der
Frauen-Bundesliga und der DFB GmbH & Co. KG, sagte der DFB-Präsident Bernd
Neuendorf.

100 Millionen Euro – wofür eigentlich?

Und in
einem Interview
mit der Frankfurter Rundschau
sagte er vor zwei Wochen: “Die
Frauen-Bundesliga muss dringend professionalisiert werden.” Deshalb stelle der
DFB als Anschubfinanzierung für die neue Gesellschaft 100 Millionen Euro zur Verfügung. “Wir
haben gemeinsam ein hohes Interesse daran, unsere besten Spielerinnen im Land
zu halten und hier eine starke Liga zu präsentieren.”

Neuendorf
wird am Freitag als DFB-Präsident wiedergewählt, einen Gegenkandidaten hat er
nicht. Die 100 Millionen Euro seien das größte
Investment des DFB seit dem Bau des Campus, sagte Neuendorf. Was mit dem Geld eigentlich genau passieren soll, kann und will er aber noch nicht sagen. Zudem investiert der DFB die 100 Millionen nicht auf einmal, sondern
über einen Zeitraum von acht Jahren. 12,5 Millionen Euro jährlich seien gar
nicht mehr so viel, sagen viele Vertreter der Bundesligaklubs. Vor allem, wenn
darin auch die Personalkosten für die neue Gesellschaft enthalten seien.

Auch die Bundesligaklubs wollen investieren: vor allem in Infrastrukturprojekte wie Stadien. Weil sie keine Alternativen haben, spielen die Aufsteiger Hamburger SV und 1. FC Nürnberg notgedrungen in den für
die Frauen-Bundesliga überdimensionierten Stadien, in denen auch die Männer spielen. Und die Bayern wollen nicht mehr dauerhaft im Stadion auf dem Campus mit seinen nur
2.500 Plätzen spielen. Wie mehrere Medien berichten, wollen sie deshalb das
Stadion der Spielvereinigung Unterhaching kaufen. Das könnte zu höheren Einnahmen beitragen, denn die FCB-Bosse wollen den Umsatz erhöhen.

Der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen sagte auf der Mitgliederversammlung, die Frauenabteilung mache jährlich mehr als vier Millionen Euro Umsatz. Das Budget für die Mannschaft habe man stetig erhöht. In der Frauen-Bundesliga machen die Klubs durchschnittlich ein Defizit von fast zwei Millionen Euro, es ist üblich, dass die Männerklubs dieses Minus ausgleichen.

Die Bayern wollen nur dann mehr investieren, wenn die Einnahmen steigen

In seiner Rede auf der Versammlung hatte das Bayernmitglied Thomas Jaud gefordert, der Klub solle noch mehr Geld für die Frauen ausgeben. “Will der FC Bayern auch in Zukunft eine große
Rolle im Frauenfußball spielen und meint er es ernst mit den Ambitionen
in der Champions League, dann muss eher gestern als heute investiert
werden.”

Dreesen antwortete darauf, dass die Bayern das Budget für die Frauen nur dann weiter erhöhen werden, wenn diese auch mehr einnehmen. Trotz eines Jahresumsatzes des Gesamtvereins von fast einer Milliarde Euro. Das Abzwacken anderer Budgets diene nicht der Sache, sagte Dreesen. “Wir wollen weiterhin nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen.”

Viele glauben, dass das ein Fehler ist. Man müsse erst mal mehr investieren, um später höhere Einnahmen zu erzielen. Auch der Bundestrainer Christian Wück bezeichnet die Investition als
“gerechtfertigt und unbedingt nötig”. Wück
ist es wichtig, die Bundesliga so attraktiv zu halten, “dass sie eben auch mit
der englischen und französischen Liga mithalten kann”. Denn dort locken ganz
andere Verdienstmöglichkeiten.

Spielerberater
wie Jörg Neblung sagen ganz offen, dass ihre Spielerinnen im Ausland doppelt
und dreimal so hohe Gehälter bekommen können. Die von Wück als beste deutsche
EM-Spielerin geadelte Jule Brand wechselte beispielsweise im Sommer vom VfL
Wolfsburg zu Lyon. Der Bundesligadritte Eintracht Frankfurt konnte schon
diesen Sommer zahlreiche Leistungsträgerinnen nicht mehr halten.

2026
könnten viele Nationalspielerinnen dem Beispiel Brands folgen: Die Verträge von
Lea Schüller (FC Bayern), Elisa Senß und Nicole Anyomi (beide Eintracht Frankfurt), Selina Cerci (TSG Hoffenheim) und Giovanna Hoffmann (RB Leipzig)
laufen aus. Klara Bühl (Bayern) soll über eine Ausstiegsklausel verfügen.

Die
Gemengelage ist gefährlich für die Bundesliga. 2026 soll der gemeinsame
Wachstumsplan von DFB und Bundesligaklubs starten. Aber womöglich sind viele
der besten und bekanntesten Spielerinnen der Liga schon weg, wenn die neue
Frauen-Bundesliga-Gesellschaft loslegt.

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