Christina Block vor Gericht: So geht die Unternehmerin vor | ABC-Z

Am 19. Prozesstag, nach mehr als drei Monaten Verhandlung, äußert sich Christina Block zum ersten Mal zu ihren eigenen niedergeschriebenen Worten. Es sind Sätze aus dem November 2023, die sie damals digital notierte und die verdächtig klingen: „Ich hoffe so sehr, dass es nun langsam losgeht. Dass alles gut geht und dass er mich nicht komplett ablehnt (. . .) Ich weiß nicht, wann es losgeht, sie sagen mir nichts.“ Wenige Wochen später wurden zwei ihrer Kinder entführt, mutmaßlich von der von ihr engagierten israelischen Sicherheitsfirma Cyber Cupula.
Ihr früherer Mann Stephan Hensel, bei dem die Kinder in Dänemark lebten, wurde bei der Entführung zu Boden gerissen und verletzt. Sein Anwalt will von Block wissen: Was genau sollte da losgehen? Block erklärt es an diesem Verhandlungstag: Den Eintrag habe sie am Geburtstag ihres Sohnes gemacht, am „dritten Geburtstag ohne ihn“. Mit „es“ seien nicht etwa eine Rückholung der Kinder, sondern Ermittlungen gegen ihren früheren Mann gemeint – wegen des Verdachts gegen ihn, kinderpornographisches Material zu besitzen und sein Haus auf Sylt im Internet für Kindesmissbrauch anzubieten.
Mit diesem Verdacht war Block im Herbst 2023 selbst zur Polizei gegangen, weil Cyber Cupula Beweise dafür gefunden haben soll. Eine Mitarbeiterin habe ihr gesagt, „dass die Polizei bei diesem krassen Verdacht unbedingt ermitteln müsste“. Block sagt vor Gericht, sie sei in Panik geraten, weil niemand ermittelt habe, „es ist rein gar nichts losgegangen“, egal wie häufig sie sich an die Polizei gewandt habe. Was daran lag, dass die Ermittler die vermeintlichen Beweise für gefälscht hielten – und halten. Sie verdächtigen Block, die „Beweise“ an Polizei und Medien weitergeleitet zu haben, um Hensel zu schaden, was Block bestreitet.
Wo sind die Kinder in Gefahr?
Block bestreitet auch, die Entführung ihrer Kinder in der Silvesternacht 2023/2024 beauftragt zu haben, sie habe davon nichts gewusst. Hensel hatte die beiden Kinder im Sommer 2021 nicht wie vereinbart nach einem Besuchswochenende zurückgebracht. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg auch gegen ihn. Er begründet es damit, dass die Kinder nicht zurück zur Mutter wollten, weil sie ihnen gegenüber gewalttätig geworden sei. Block bestreitet, ihren Kindern jemals Gewalt angetan zu haben.
Das Misstrauen zwischen dem früheren Paar nahm in der Folge Auswüchse an: Block ließ Hensel immer wieder beschatten. Und sie versuchte mehrmals, „Kontakt“ zu ihren Kindern aufzunehmen. So beschreibt Block selbst zumindest einen Vorfall in Dänemark im November 2022, bei dem fremde Männer vor Hensels Haus auftauchten. Auch bei einem Besuch der neuen dänischen Schule im September 2021 habe sie die Kinder lediglich sehen wollen, sagt sie. Hensel, der als Nebenkläger auftritt, spricht in diesen Fällen von gescheiterten Entführungsversuchen; Vorboten für das, was später passiert sei.
Seit mehr als drei Monaten gibt es kaum ein Detail, das beide Seiten im Prozess am Landgericht Hamburg nicht gegeneinander ausspielen – und als Boshaftigkeit des anderen werten. Block bezeichnet ihren Mann als manipulativ und paranoid, in ihrer Wahrnehmung hält er die Kinder gefangen, sie seien „in Gefahr“ und müssten „befreit“ werden. Hensel lächelt bei solchen Vorwürfen meist vor sich hin und beruft sich auf dänische Gerichtsentscheidungen, wonach das „seelische, geistliche und körperliche Wohl der Kinder in Gefahr“ wäre, lebten sie bei Block.
Jeder kann sagen: Mir wurde doch recht gegeben!
Dass sich ein Nebenkläger wie Hensel im Gericht ständig von der Anklagebank Vorwürfe anhören muss, ist eher ungewöhnlich, liegt aber an der Gemengelage, über die verhandelt wird. Beide, Hensel und Block, haben sich nach Auffassung der Strafverfolgungsbehörden in Hamburg rechtswidrig verhalten: Hensel im Sommer 2021, Block mindestens rund um die Silvesternacht. In beiden Fällen geht es um die Entziehung Minderjähriger, wenn auch Block zusätzlich gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung und eine schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen werden. Das Verfahren gegen Hensel steht noch aus.
Dazu kommt: Viele der familienrechtlichen Angelegenheiten in den vergangenen Jahren wurden in Dänemark zugunsten von Hensel entschieden, in Deutschland jedoch bis zur Entführung in weiten Teilen zugunsten von Block – auch abhängig davon, für wie plausibel die Gerichte die Gewaltvorwürfe gegen Block hielten. An diesem Montag wurde abermals eine Niederlage Blocks bekannt, das Westliche Landgericht Dänemark bestätigte ein Urteil, wonach ihr das Sorge- und Umgangsrecht entzogen wurde.
Aber im Strafprozess in Hamburg, wo es um den Zeitraum vor der Entführung geht, können beide sagen: Mir wurde doch recht gegeben! Die Kinder sollten zu mir! Block etwa sagt vor Gericht, ihre Anwälte hätten ihr damals im Jahr 2022 versichert, dass es ihr Recht sei, die Kinder zu sich nach Hause zurückzubringen. Beide Seiten werden nicht müde, die mutmaßlichen Vergehen der Gegenseite hervorzustellen. Nie fallen vernünftig klingende Sätze wie „Da habe ich vielleicht überreagiert“ oder „Ich will, dass die Kinder mit uns beiden gut auskommen“.
Hanning weist Vorwürfe zurück
Die wohl erfundenen Vorwürfe rund um Kinderpornographie gegen Hensel lastet die Staatsanwaltschaft weiteren Verdächtigen an, darunter August Hanning, dem früheren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes. Im September durchsuchten Ermittler Wohn- und Geschäftsräume von ihm und einem weiteren Beschuldigten. Beide sollen als Verantwortliche einer privaten Sicherheitsfirma Geld für die aus Sicht der Staatsanwaltschaft geplante Entführung im November 2022 angenommen haben. Und sie sollen versucht haben, Hensel durch die Pädophilievorwürfe zu diskreditieren. Beide weisen die Vorwürfe zurück.
Hanning hatte zunächst öffentlich angekündigt, im Prozess gegen Block als Zeuge aussagen zu wollen, dann aber doch über seinen Anwalt mitgeteilt, nicht zu kommen. Hensels Anwalt kommentierte das zuletzt knapp: „Ich gehe davon aus, dass sein Rechtsanwalt ihm sehr deutlich gemacht haben wird, warum es nicht besonders klug für ihn ist, in diesem Verfahren auszusagen.“ Ebenfalls nicht aussagen will der Vater der Angeklagten, Eugen Block, wie am Dienstag bekannt wurde. Als Begründung lässt er mitteilen, die Vorsitzende Richterin sei befangen. Eine solche Annahme ist allerdings nicht ausreichend. Wie Hanning darf Eugen Block laut Strafprozessordnung nur dann schweigen, wenn er Gefahr läuft, sich selbst oder nahe Angehörige zu belasten.
Eugen Block teilte am Dienstag zudem mit, er habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Präsidentin des Landsgericht gestellt. Wie eine Sprecherin des Gerichts mitteilte, äußere sich die Behörde überlicherweise nicht öffentlich zu etwaigen Dienstaufsichtsbeschwerden. „Wenn eine solche eingereicht wird, wird sie stets den gesetzlichen Maßgaben entsprechend bearbeitet“, so die Sprecherin. Ein solches gesondertes Verfahren habe „keinen unmittelbaren Einfluss auf laufende Hauptverhandlungen“.

Christina Block geht vor Gericht mehr in die Offensive – und spricht konkreter, wenn sie im Saal das Wort ergreift. Zum Beispiel, wenn es um die aus ihrer Sicht eigentliche Tätigkeit von Cyber Cupula geht. Sie nennt mehrere Rechnungen des Unternehmens: 12.000 Euro, 120.000 Euro, 25.000 Euro, alle für Penetrationstests, also simulierte Cyberangriffe, um die Block-Gruppe vor echten Attacken zu schützen. Sie gibt an, welche Rechnung sich auf was bezogen haben soll, welche Verträge geschlossen wurden oder auch nicht, sogar, in welchen Monaten welche Gespräche stattgefunden haben sollen. Während ihrer Einlassung im Juli und August blieb sie in diesem Zusammenhang vage. Damals nannte sie nur eine Rechnung und gab an, nichts schriftlich zu Vereinbarungen festgehalten zu haben und sich teils nicht zu erinnern.
„Nötigungslage“ von Block?
Blocks Verteidiger Ingo Bott beschreibt diese ungewohnt detaillierten Ausführungen als „Einordnung“, die seine Mandantin machen „muss“. Als Angeklagte, darauf weist die Vorsitzende Richterin immer wieder hin, dürfte sie schweigen. Bott argumentiert dagegen: Aufgrund der großen Berichterstattung über den Fall befinde sie sich in einer „Nötigungslage“ und müsse ihre Sicht der Dinge darstellen.
Ob die Strategie des Verteidigers erfolgreich sein wird, ist schwer absehbar, weil sie sprunghaft zu sein scheint. Bis zuletzt hatte Bott immer wieder alle Hebel in Gang gesetzt, um zu verhindern, dass Blocks Notizen ins Verfahren eingeführt werden. Er und andere Verteidiger hatten beanstandet, die Ermittler hätten mehrere IT-Asservate, darunter das Notizbuch, nicht rechtmäßig ausgelesen, daher seien sie als Beweismittel unzulässig. Die Kammer hatte in der vergangenen Woche eine richterliche Beschlagnahme dieser Asservate angeordnet und entschieden: Ein Beweisverwertungsverbot liegt nicht vor. Die Verteidiger wehren sich nun gegen diese Entscheidung mit einem Befangenheitsantrag gegen die Richter, weil der Beschluss auf aus ihrer Sicht unzulässigen Formulierungen fußt. Frühere Befangenheitsanträge waren abgelehnt worden.
Obwohl er sich diesem Antrag ebenfalls anschließt, vollzieht Bott am jüngsten Verhandlungstag eine Kehrtwende: Seine Mandantin wolle nicht nur weitere Fragen zu dem Notizbuch beantworten. Die Fragen aufwerfenden Zitate aus den Notizen solle die Kammer sogar an die Wand des Gerichtssaals projizieren, damit nachvollziehbarer werde, um welche Stelle es genau gehe. Die Vorsitzende Richterin lehnt das ab, unter anderem mit der Begründung, dass die Notizen – im Gegensatz etwa zu Bildern, die in Augenschein genommen werden müssen – verlesbar und von Block selbst verfasst worden seien.
Nach dem vorläufigen Plan des Gerichts könnten auch die beiden Kinder, die aus Sicherheitsgründen an einem unbekannten Ort unter anderem Namen leben, aussagen. Ein Ergänzungspfleger soll darüber gemeinsam mit den Kindern entscheiden. Hensel hatte sich im Verfahren in Bezug auf die ältere Tochter dafür ausgesprochen, Block dagegen. Der Prozess, dessen Ende nicht vor März erwartet wird, soll am Donnerstag fortgesetzt werden.





















