Barrierefreiheit : In Deutschland fehlen 2,5 Millionen barrierefreie Wohnungen | ABC-Z

In Deutschland fehlen etwa 2,5 Millionen barrierefreie Wohnungen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor, die der ZEIT exklusiv vorliegt. Demnach gibt es derzeit etwas mehr als eine Million barrierefreie Wohnungen. Der Bedarf jedoch liegt bei 3,5 Millionen Haushalten, in denen Personen mit Mobilitätseinschränkungen leben. Der demografische Wandel dürfte diese Lücke weiter vergrößern.
Barrierefreier Wohnraum gilt als Voraussetzung für ein selbstständiges Leben im Alter oder bei körperlichen Einschränkungen. Eine bundesweite Statistik über den Bestand gibt es jedoch nicht. Nach Schätzungen auf Basis des Mikrozensus 2022 seien rund 1,2 Millionen Wohnungen altersgerecht, davon etwa eine Million vollständig barrierefrei, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage.
Bis Ende 2024 konnten Eigentümerinnen und Eigentümer über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zuschüsse für Umbauten beantragen. Das Programm “Altersgerecht Umbauen” wurde seit 2009 mehr als 350.000 Mal genutzt, mit einem Fördervolumen von rund 763 Millionen Euro, was angesichts der Zahlen als Erfolg gelten kann. Finanziert wurden Maßnahmen wie der Abbau von Schwellen, der Einbau bodengleicher Duschen oder die Verbreiterung von Türen. Trotz der positiven Bilanz läuft das Programm 2025 aus. Begründung: fehlende Haushaltsmittel. Für 2026 sind keine neuen Zuschüsse vorgesehen.
“Barrierefreiheit nicht als Luxus sehen”
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Hanna Steinmüller, die in ihrer Fraktion die Themen Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen betreut, hält die Entscheidung für einen Fehler. “Wenn die Koalition das Programm aus Kostengründen streicht, spart sie an der falschen Stelle”, sagt Steinmüller. “Wer den demografischen Wandel ernst nimmt, darf Barrierefreiheit nicht als Luxus sehen.” Deutschland brauche ein gut ausfinanziertes Förderprogramm für barrierefreies und altersgerechtes Umbauen. “Die Koalition treibt sonst Menschen unnötig in das ohnehin überlastete Pflegesystem”, sagt Steinmüller. Wer aufgrund baulicher Fragen nicht mehr allein in den eigenen vier Wänden zurecht kommt, bleibt häufig nur, in ein Seniorenheim umzuziehen.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf Fördermöglichkeiten der Länder. Diese könnten Mittel aus dem sozialen Wohnungsbau für barrierefreien Neubau oder Modernisierung verwenden. Ohnehin seien im sozialen Wohnungsbau im Jahr 2024 mehr als 60 Prozent der geförderten Neubauwohnungen barrierefrei konzipiert. Doch insgesamt bleibt der Umfang gering: In den Jahren 2023 und 2024 wurden bundesweit 3.644 Modernisierungsmaßnahmen mit barrierefreiem Standard über die soziale Wohnraumförderung unterstützt. Zum Vergleich: Im ausgelaufenen KfW-Programm wurden allein im selben Zeitraum mehr als 85.000 Umbauten gefördert.
“Synergien” mit bestehenden Förderinstrumenten
Eine gezielte Nachfolgeregelung ist bislang nicht geplant. Die Bundesregierung spricht von “Synergien” mit bestehenden Förderinstrumenten, etwa der energetischen Gebäudesanierung oder dem “Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude”. Wie viele barrierefreie Wohnungen es tatsächlich gibt, zumal die bisherigen Zahlen auf Schätzungen beruhen, weiß die Bundesregierung nicht genau. In der Antwort auf die Kleine Anfrage heißt es, ein umfassendes Monitoring sei “nur schwer umsetzbar und daher derzeit nicht geplant”. Auch eine systematische Erfolgskontrolle bisheriger Maßnahmen findet kaum statt.
Fachleute kritisieren diese Informationslücken seit Langem. Ohne belastbare Daten lasse sich kaum beurteilen, ob Programme wirken oder an Bedarf und Realität vorbeigehen. Barrierefreiheit gilt als vergleichsweise kosteneffizient, wenn sie früh eingeplant wird. Die Mehrkosten im Neubau betragen meist weniger als zwei Prozent. Dennoch bleibt eine Barrierefreiheit in vielen Projekten freiwillig.
Die gesetzlichen Mindestanforderungen legen die Länder fest – sie unterscheiden sich teils erheblich. Ein bundeseinheitlicher Standard existiert nicht. Vorschläge, die Musterbauordnung entsprechend anzupassen, werden derzeit in der Bauministerkonferenz beraten. Ergebnisse liegen noch nicht vor.





















