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Rundgang per Telefon: Wie Personen mit Einschränkungen das Freisinger Diözesanmuseum erleben – Freising | ABC-Z

Zum Schluss meldet sich eine Frau, welche die knapp einstündige Museumsführung per Telefon mitgehört hat. Sie könne sich noch nicht richtig vorstellen, wie die Lichtinstallation des US-amerikanischen Künstlers James Turrell im Freisinger Diözesanmuseum wirklich aussehe, sagt die Frau am Telefon. Woher komme das Licht? Und welchen Effekt habe es?

Stadtführerin und Kunsthistorikerin Christina Metz ergreift also wieder das Wort – und lässt sich auf eine durchaus schwierige Aufgabe ein: nicht nur erklären, wie sie es sonst in einem normalen Rundgang tun würde. Sondern auch genau beschreiben und trotz der Entfernung mitfühlen lassen.

Denn Gästeführerin Metz weiß nicht, wer gerade am anderen Ende des Telefons sitzt. Sie weiß aber, dass viele der Zuhörenden Freising und das Diözesanmuseum nie gesehen haben. Und dass womöglich viele von ihnen sehbehindert sind.

So wie die Frau, die sich gerade gemeldet hat: Sie habe mal Farben gesehen, erzählt sie, nun sei sie vollkommen blind. Also sitzt sie jetzt da, irgendwo in Deutschland, und möchte gerne wissen, wie die Lichtinstallation – wahrscheinlich das meistfotografierte Objekt im Diözesanmuseum – es schafft, die Grenzen zwischen Licht, Farbe und Raum komplett aufzulösen, sodass der Besucher am Ende die Tiefenwahrnehmung verliert. Ob Frau Metz es bitte genau erklären könnte?

Der US-amerikanische Künstler James Turrell hat die Hauskapelle des ehemaligen Freisinger Knabenseminars als Ort für seine Lichtinstallation gewählt. (Foto: Johannes Simon)

Christina Metz, 47, aus Allershausen, hat viel Erfahrung als Kunstvermittlerin und Gästeführerin in Freising – und keine Angst vor neuen Formaten. Als sie vor wenigen Monaten vom Projekt „Bei Anruf Kultur“ hörte, das telefonische Kulturführungen anbietet, meldete sie sich sofort bei den Initiatoren, dem Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg und dem Büro für Inklusion Grauwert. Zwischen Freising und der Hansestadt liegen knapp 800 Kilometer, aber das ist auch nicht wichtig: Bundesweit nehmen bereits über 100 Häuser am Projekt teil – von den Münchner Pinakotheken bis hin zur Bonner Bundeskunsthalle und der Stuttgarter Staatsgalerie. Und das Angebot soll weiter ausgebaut werden.

Die Initiative „Bei Anruf Kultur“ richtet sich an Menschen, die die kulturellen Angebote visuell nicht live erleben können. Etwa, weil sie blind oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Oder weil ihnen ein Besuch vor Ort aus anderen Gründen nicht möglich ist. Die Initiative ist absichtlich telefonisch, weil sie niederschwellig und barrierefrei sein will: einfach eine Nummer wählen und schon ist man im Museum oder in einer fernen Stadt, zumindest gedanklich. Aktuell wird das Projekt durch die Aktion Mensch und die Behörde für Kultur und Medien Hamburg gefördert.

Christina Metz beginnt ihren telefonischen Rundgang mit einer Beschreibung des Dombergs und des Diözesanmuseums, eines neoklassizistischen Gebäudes, das 1870 als Knabenseminar gebaut wurde. Sie führt dann in die Lichtinstallation von James Turrell und in die umfassende byzantinische Kollektion, erklärt anschließend einige der wichtigsten Kunstwerke, die in der Schausammlung aufbewahrt sind. Dazu gehört zum Beispiel das Freisinger Lukasbild, eine byzantinische Marien-Ikone, die über England und Italien nach Freising gelangte.

Eine knappe Stunde dauert der telefonische Rundgang durch das Diözesanmuseum, immer wieder gibt es Zeit für Fragen und Antworten. Die Projektinitiatoren geben an, dass sich 25 Personen angemeldet haben – die Führung war somit ausgebucht. Aus Datenschutzgründen werden keine Angaben dazu gemacht, woher die Teilnehmer genau kommen. Manche Teilnehmer und Teilnehmerinnen gaben am Anfang der Telefonführung jedoch ihre Herkunft bekannt: etwa Berlin, Kiel oder Köln.

Christina Metz sagt, dass eine solche Führung für sie unglaublich herausfordernd – aber auch spannend ist. Am 20. Dezember bietet sie einen weiteren telefonischen Rundgang im Diözesanmuseum an, diesmal geht es in die Sonderausstellung über die italienische Renaissance. Einige Zuhörerinnen und Zuhörer haben schon angekündigt, dass sie selbstverständlich dabei sein werden. Na dann, auf Wiederhören in Freising.

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