Hebertshausen: Hier entsteht ein Ärztehaus mit Recycling-Materialien – Dachau | ABC-Z

Modernes zirkuläres Bauen heißt ein Trend, der den massiven Ressourcenverbrauch im Bausektor senken will. Weniger Neumaterial, weniger Energie, mehr Recycling sind die Ziele. Auch in der Region München gibt es schon Projekte, so etwa in Hebertshausen, wo die Gemeinde ein Ärztehaus mit Wohnungen plant.
Seit 2023 ist Alexandra Niedenhoff kaufmännisches Vorstandsmitglied beim Kommunalunternehmen Wohnen. Die Pläne für das Ärztehaus waren bereits fertig, als sie ihre Stelle antrat. „Wir konnten nicht mehr alles ändern, aber wir machen Schritte in die richtige Richtung“, sagt die 57-Jährige, die zuvor Managerin für zirkuläres Bauen bei der Stadt Remscheid war.
„Das A und O ist die Frage, wie kann ich vom linearen Wirtschaften, wo am Ende verbrennen oder deponieren steht, wegkommen? Nämlich in die moderne Welt mit weniger Ressourcen- und Flächenverbrauch und weniger Emissionen“, erklärt sie. Ideales Baumaterial sei deshalb nachwachsend oder sekundär gewonnen, also wiederverwendet. Das Problem: „Die Strukturen gibt es in der Bauwelt oft noch gar nicht“, so Niedenhoff.
Verheißungsvolle Anfänge sind Baustoffbörsen, die sie regelmäßig durchforstet. Sie tragen Namen wie Concular Shop, Materialnomaden oder Restore und bieten, was aus Bürogebäuden, Museen und anderen Nutzbauten noch zu gebrauchen ist. „Es ist wie bei Ebay, nur dass es im Bau auch um Gewährleistungsfragen geht, was es etwas anspruchsvoller macht. Aber das ist definitiv die Zukunft.“ Sehr spannend, sagt sie mit einem Lächeln, seien jüngst Gefängnistüren gewesen.
Im Inneren des dreistöckigen Baus mit Arztpraxen, medizinischem Gewerbe und einem Selbstbedienungs-Café in den unteren beiden Etagen und Wohnungen im dritten Stock, werden auch gebrauchte Elemente eingebaut: nicht tragende Trennwände aus Glas oder Mosaik zum Beispiel oder die Möbel und Lampen in den Teamküchen und im Café.
Bei der Ausschreibung hat man bewusst keine Vorgaben zu Materialien gemacht, dafür aber eine „funktionale Leistungsbeschreibung“ zugrunde gelegt. Dabei werden die eingegangenen Angebote nicht nur nach dem Preis bewertet, sondern auch die eingesetzten Materialien, die Rückbaubarkeit des Gebäudes, ökonomische Folgekosten für Verbrauch, Wartung und Instandhaltung, Förderfähigkeit und digitale Abwicklung. Die Folge: Es wurde kein Angebot für einen konventionellen Massivbau abgegeben.
So wird es jetzt ein Holzständerbau, an dem fast nichts verschweißt und verklebt ist, sondern verschraubt und gesteckt. Und vor allem: Bei dem man genau weiß, was wo verbaut ist, um es jederzeit reparieren oder sortenrein rückbauen zu können. „Ich habe Gipskartonplatten, das schmerzt mich, aber ich komme nicht drumherum“, bleibt Niedenhoff pragmatisch. Immerhin werden Bodenplatte und Treppenhaus zum Teil aus Recycling-Beton bestehen.

Dass das Ärztehaus noch nicht das Idealprojekt ist, verhehlt sie nicht. „Für viel Geld gibt es viel, aber das haben wir nicht.“ Die Fördergelder des Freistaats sind ausgeblieben, weil die Mittel ausgeschöpft waren. So musste die Planung noch einmal abgespeckt werden. Das zweite geplante Gebäude mit günstigen Wohnungen wurde gestrichen.
Nachhaltig ist auch die Außenplanung auf dem 2200 Quadratmeter großen Grundstück. Trotz der 30 Stellplätze wird so wenig versiegelt wie möglich. „Zu Arztpraxen müssen behindertengerechte und damit asphaltierte Wege führen, aber Autos können auch auf Rasengitter stehen“, so Niedenhoff. Das Regenwasser versickert, Pflanzungen orientieren sich am „Animal aided Design“ nach dem Grundsatz maximaler Förderung der Artenvielfalt, etwa mit Reisig-Hecken und Wildbienen-Wohnraum.
Wenn es in einigen Jahrzehnten ausgedient hat, wird es kein Haufen Abfall
Die kalkulierten Kosten für das Ärztehaus entsprechen laut Niedenhoff denen eines konventionellen Baus. „Die niedrigeren Kosten von gebrauchten Teilen werden voraussichtlich durch die Logistik rund um Ausbau, Lagerung und separaten Transport aufgefressen“, räumt sie ein. Noch gebe es für die Kreislaufwirtschaft keine so effizienten Prozesse wie für die lineare Wirtschaft, doch das ändere sich gerade.
Auf jeden Fall wird das Ärztehaus, wenn es in Jahrzehnten einmal ausgedient hat, keinen Haufen Abfall erzeugen. „Es sieht aus wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber wir müssen mit etwas anfangen“, sagt Alexandra Niedenhoff bestimmt: „Das Billigste, Einfachste und Gängigste ist vorgestern.“





















