Nicht nur Menschen, auch viele Tiere fallen auf optische Täuschungen herein. – Wissen | ABC-Z

Der Mensch ist ein Augentier. Was er sieht, hält er für die Wahrheit. Dabei braucht es nicht einmal aufwendig manipulierte oder von einer KI generierte Bilder, um ihn in die Irre zu führen. Das gelingt schon mit einer einfachen optischen Täuschung wie der Ebbinghaus-Illusion. Dabei erscheint ein Kreis, der von größeren Kreisen umgeben ist, deutlich kleiner als ein Kreis mit identischem Durchmesser, der von kleineren Kreisen umgeben ist.
Maria Santacà, Psychologin an der Universität Wien, hat herausgefunden, dass auch manche Tiere auf diese optische Täuschung hereinfallen. „Die Ebbinghaus-Illusion zeigt, dass das, was wir sehen, kein Spiegel unserer Umgebung ist, sondern eine Interpretation“, sagt sie. Das Gehirn verarbeitet die visuellen Reize nicht eins zu eins, sondern lässt früher gemachte Erfahrungen einfließen. Dabei kann es wie bei der Ebbinghaus-Illusion zu Fehlinterpretationen kommen.
Für ihre Studie, die gerade im Wissenschaftsjournal Frontiers in Psychology erschienen ist, ließ Santacà Guppy-Fische und Lachtauben zwischen zwei Futterstationen wählen. An beiden wurde genau dieselbe Menge Futter angeboten. Doch an der einen war das Futter von großen Kreisen umgeben, an der anderen von kleinen.
Ein Blick ins Bewusstsein von Vögeln und Fischen
„Die Guppys entschieden sich fast immer für die Station, an der das Futter von kleinen Kreisen umgeben war“, sagt Santacà. Offensichtlich fielen die Fische genau wie Menschen auf die Ebbinghaus-Illusion herein und dachten, dass dort eine größere Menge Futter zu holen war. Die Tauben hatten dagegen keine Präferenz für die eine oder andere Station, ließen sich also von der unterschiedlichen Umgebung nicht in die Irre führen.
Dass nicht nur Menschen, sondern auch manche Tiere optischen Täuschungen erliegen, ist viel mehr als eine nette Anekdote. Experimente wie das von Santacà zeigen, dass auch Tiere ihre Umwelt subjektiv wahrnehmen. Wenn auch vielleicht ganz anders als Menschen. Autorinnen und Autoren eines Überblickartikels zur „vergleichenden Wahrnehmung“ beschreiben es so: Es gehe in der Forschung darum, einen Blick ins Bewusstsein anderer Arten zu werfen. Kurz: Wie fühlt es sich an, ein Guppy oder eine Lachtaube zu sein?
Experimente sollen Aufschluss darüber geben, wie die Gehirne verschiedener Tiere Informationen aus der Umwelt verarbeiten. Aus der Humanbiologie ist bekannt, dass die Ebbinghaus-Illusion damit zu tun hat, dass das menschliche Gehirn optische Eindrücke zunächst in ihrem Kontext erfasst, bevor es auf Details achtet. Das ermöglicht schnelle Entscheidungen – ein Überlebensvorteil für unsere Vorfahren in grauer Vorzeit.
„Ähnliches gilt wahrscheinlich für Guppys“, sagt Santacà. Die Fische lebten in tropischen Flüssen mit vielen Pflanzen, in denen es wichtig ist, den Überblick zu behalten. Für Tauben sei es dagegen von Vorteil, Details unterscheiden zu können und etwa kleine Körner zwischen Gräsern ausfindig zu machen. Vielleicht erliegt ihr Gehirn deshalb nicht der Ebbinghaus-Illusion.
Jede Tierart nimmt ihre Umwelt also auf ganz unterschiedliche, für sie vorteilhafte Weise wahr. Und das, obwohl alle Lebewesen auf ein und demselben Planeten leben.





















