Bezirke

Was spricht für oder gegen Olympia in München? Entscheidungshilfe für den Bürgerentscheid – München | ABC-Z

Mit welchen Argumenten wird um Stimmen geworben? Ein Überblick:

Die Argumente der Pro-Seite

1. Nachhaltigkeit

In seinem Bewerbungskonzept greift München auf das Erbe von Olympia 1972 zurück: Im Olympiapark sollen rund die Hälfte der Wettkämpfe ausgetragen werden – Leichtathletik im Olympiastadion, Geräteturnen in der Olympiahalle, Ballsport im SAP Garden, Wasserspringen in der Olympiaschwimmhalle. Außerdem stehen die Olympia-Schießanlage in Garching, die Reitanlage in Riem fürs Springreiten und die Regattastrecke in Oberschleißheim bereit. Für einige Wassersportarten sind der Starnberger See (Freiwasserschwimmen) und der Kanal in Augsburg (Wildwasser-Kanu) vorgesehen.

Wo München über keine bestehenden Sportstätten verfügt, sollen temporäre Bauten zum Einsatz kommen: In der Multifunktionsarena in Freising, die bis 2029 fertiggestellt werden soll, soll vorübergehend ein Schwimmbecken mit zehn Bahnen errichtet werden. Auf einer Fläche der Zentralen Hochschulsportanlage ist eine temporäre Konstruktion geplant, um Bahnrad-Rennen zu veranstalten.

90 Prozent der Sportstätten liegen in einem Umkreis von 30 Kilometern, so die Befürworter. Außer Kanu müssten noch die Segelwettbewerbe in größerer Distanz zu München ausgetragen werden, nämlich in Kiel oder in Rostock. Auch einige Fußballspiele sind außerhalb Bayerns vorgesehen, in drei Stadien Baden-Württembergs. Zudem würden Mountainbike-Wettbewerbe in die Berge um Bad Wiessee verlegt.

2. Stadtentwicklung

Die Befürworter erhoffen sich durch die Olympia-Vergabe Zuschüsse von Bund und Land für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs: Die U4 soll nach Daglfing verlängert werden, eine neue U-Bahnlinie U9 durch die Innenstadt gebaut und der S-Bahn-Ringschluss Nord realisiert werden. Und, so die weitere Hoffnung, vielleicht würde die Bewerbung auch den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke beschleunigen, deren Eröffnung aktuell nicht vor Ende 2036 geplant ist.

Womit die Befürworter noch argumentieren: Impulse für den Wohnungsbau. Das Athletendorf, das in Daglfing geplant ist, soll nach den Spielen rund 10 000 Menschen dauerhaft Wohnraum bieten. Durch den Zeitdruck, bis zu den Spielen mit allem fertig werden zu müssen, würden alle Projekte in jedem Fall beschleunigt.

3. Impulse für den Breitensport

Wo sportliche Höchstleistungen vollbracht und Sportler Idole werden, wächst die Begeisterung der Bevölkerung, selbst aktiv Sport zu treiben – vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Die sollen diese Begeisterung nach den Spielen in frisch sanierten und barrierefreien Sportstätten ausleben können. Und Vorbilder jenseits von Fußball kann München gut gebrauchen: Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio stand lediglich ein Münchner Athlet im Aufgebot – Hammerwerfer Merlin Hummel von der LG Stadtwerke.

Zudem soll der Olympiapark für die Spiele nach Süden erweitert werden für Skateboard, BMX, 3×3-Basketball, Parkour und Breakdance – allesamt junge Sportarten, deren Stätten über Olympia hinaus genutzt werden könnten.

4. Wirtschaftsförderung

Großevents ziehen nicht nur Menschen an, sondern auch Geld, Aufträge, neue Arbeitsplätze und möglicherweise auch neue Firmen. Davon sollen regionale und nationale Unternehmen profitieren, etwa im Baugewerbe, das Sportstätten sanieren oder teils neu bauen muss, oder in der Hotellerie. Durch deren gezielte Einbindung wolle man möglichst viel Wertschöpfung in der Region behalten, so die Befürworter.

5. Völkerverbindendes Element

Die Idee, Menschen verschiedener Nationen zusammenzubringen, ist einer der Kerngedanken von Olympia. Durch das Nebeneinander von Olympischen und Paralympischen Spielen sollen der Sport und die Inklusion gestärkt werden.

Ähnlich viele Athletinnen und Athleten aus ähnlich vielen Ländern wie bei Olympischen Spielen treten bei keinem anderen Sportereignis an. Sommerspiele sind das Sportevent, das weltweit die größte Aufmerksamkeit findet – im besten Fall sind sie eine mitreißende Party, die lange nachhallt.

In München war das bei den Sommerspielen 1972 so: Die noch junge Bundesrepublik präsentierte sich als offenes, gastfreundliches Land. Die innovative, schwebende Architektur der Olympia-Bauten prägte das Bild von München als Boom-Stadt. Bis zum Anschlag palästinensischer Terroristen auf die israelische Mannschaft wurden die Spiele als heiter wahrgenommen.

Die Argumente gegen eine Olympia-Bewerbung

1. Kosten

Olympische Spiele sind teuer. Austragungsorte wie Montreal 1976 oder Athen 2004 haben sich für die Veranstaltung langfristig verschuldet.

Die Kosten seien unwägbar, so die Kritiker: Man könne zwar auf viele bestehende Sportstätten zurückgreifen, doch auch diese müssten saniert, erweitert oder in Teilen neu gebaut werden. Ein großer Posten sind auch die schwer zu kalkulierenden Kosten für Sicherheitsmaßnahmen. Nach dem Terror-Anschlag auf die Spiele 1972 gab Kanadas Regierung für den Schutz der Spiele in Montreal 1976 fünfzigmal so viel aus, wie es vier Jahre zuvor in München gewesen war: 100 Millionen Dollar. Bei den Spielen 2024 in Paris schlugen die Sicherheitsausgaben mit mehr als eine Milliarde Euro zu Buche.

Selbst bei den Bewerbungskosten kursieren unterschiedliche Summen: Während Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) von etwa „sechs bis sieben Millionen Euro“ sprach, gehen die Olympia-Gegner von höheren Kosten aus. So seien etwa die Personalkosten und die Kosten, die von der städtischen Olympiapark-GmbH getragen werden, nicht eingerechnet.

2. Unklarheit über Sportstätten

Weil die Olympischen Spiele, um die es in der Bewerbung geht, noch weit in der Zukunft liegen, ist noch nicht final klar, welche Sportarten bis dahin im Programm sein werden – und somit, welche Wettkampforte benötigt werden. So war bei den wegen Corona von 2020 auf 2021 verschobenen Spielen in Tokio etwa Speedklettern in Kombination mit Bouldern und Leadklettern olympische Disziplin geworden, in Paris war im vergangenen Jahr erstmals Breakdance dabei. In Los Angeles 2028 werden Squash, Flag Football, Cricket und Lacrosse neu aufgenommen. Bei den Spielen 1972 in München standen 21 Sportarten auf dem Programm, zuletzt in Paris waren es 32.

3. Intransparente Bewerbungsverfahren

Neben München haben auch Berlin, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr Interesse an einer Olympia-Bewerbung. Ins Rennen geschickt aber wird nur ein Kandidat. Welcher – das entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Erst im Dezember will er seine Mitglieder – die Fach- und Landesverbände des Sports – aufklären, nach welchen Kriterien die Konzepte der vier Interessenten bewertet werden und wer diese Evaluierung im nächsten Sommer vornehmen soll. Der Sieger soll dann im September 2026 auf einer außerordentlichen DOSB-Mitgliederversammlung gekürt werden. Ob die Mitglieder dann zwischen mehreren Bewerbern wählen können, oder ob ihnen lediglich einer zur Bestätigung präsentiert wird – auch das ist noch offen.

Die Spiele vergibt schließlich das Internationale Olympische Komitee (IOC). Einen Zeitplan, wann es seine Entscheidung trifft, gibt es nicht. Kirsty Coventry aus Simbabwe, die im Juni den Deutschen Thomas Bach an der IOC-Spitze ablöste, hat angekündigt, das bislang geltende wenig transparente Verfahren hinterfragen zu wollen. Ein Ergebnis steht noch aus.

4. Steigende Lebenshaltungskosten

Investoren, die Wohnraum aufkaufen, Einheimische, die verdrängt werden, damit die Wohnungen teurer an Touristen vermietet werden können: Auch vor diesem Szenario warnen die Kritiker.

Steigende Lebenshaltungskosten sind generell ein Thema. Um den Besucherandrang bewältigen zu können, musste Paris die Taktung im öffentlichen Nahverkehr erhöhen – die Folge: deutlich höhere Kosten, manche Berechnungen kommen fast auf eine Verdopplung.

Der Aussicht, verstärkt von Förderungen profitieren zu können, setzen die Kritiker ein anderes Szenario entgegen: Das Geld, das München für Olympia ausgeben müsse, würde an anderer Stelle fehlen, etwa im Sozial- oder Kulturbereich.

5. Umweltbedenken

Trotz des Bemühens, die Olympia-Bauten von 1972 zu nutzen, müssten auch neue Anlagen entstehen: Am Tegernsee etwa müsste ein Mountainbike-Parcours angelegt werden – ein Eingriff in die sensible Berglandschaft. Auch das Areal, auf dem das Athletendorf entstehen soll, wird wegen des dortigen Moorbodens unter anderem von der ÖDP als schutzwürdig eingestuft.

Temporäre Sportstätten wie das Schwimmstadion in der Multifunktionshalle in Freising müssten wieder rückgebaut werden: Nachhaltig sei das nicht, so der Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann von den Grünen, dessen Partei in der Olympia-Frage gespalten ist.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Kirsty Coventry stamme aus Südafrika. Sie kommt aber aus Simbabwe.

Back to top button