Sophie Carbonari: Wie pflegt man seine Haut so schön? | ABC-Z

Als Sophie Carbonari kein Geld für eine Wohnung hatte und deshalb heimlich bei der Arbeit schlief, entwickelte sie eine eigene Schönheitsmethode, mit der sie heute einige der einflussreichsten Frauen der Welt behandelt. Das ist noch nicht einmal zehn Jahre her. Sophie Carbonari war auf der Durchreise, hatte in London und New York als Kosmetikerin gearbeitet und war nun zurück in Südfrankreich, wo sie aufgewachsen ist. Sie fragte ihre ehemalige Chefin aus früheren Zeiten in Aix-en-Provence nach einer Arbeitsstelle. „Meine Eltern wohnten zu weit entfernt“, sagt sie. „Und eine Wohnung hätte ich mir nicht leisten können.“
Ihre Chefin, die auch eine Freundin von ihr ist, wusste Bescheid, aber ihren Kolleginnen spielte sie eine Weile etwas vor. Sie verließ den Salon nach Feierabend mit ihnen – als alle weg waren, kam sie zurück. Während Sophie Carbonari erzählt, wie sie damals umgekehrt ist, um dann monatelang die Nächte im Salon zu verbringen, dreht sie mit ihren Fingern einen Kreis.
An den Abenden hatte sie Zeit, und so begann sie, das menschliche Gesicht zu zeichnen und wie es auf ihre Behandlung reagieren könnte. Carbonari nahm sich das Beste aus allem vor, was sie an Behandlungen in drei Ländern gelernt hatte, und entwickelte daraus ihr „Protokoll“: zu einem Teil französische Reinigung, zu einem Teil Druckmassage, zu einem Teil japanisches Kobido.
Kosmetik ist Handarbeit
So schwer die wohnungslose Zeit gewesen sein muss, so sehr hat sie sich im Rückblick gelohnt. Das Treffen mit Sophie Carbonari in Paris findet wenige Tage nach dem Filmfestival in Cannes statt. Von dort kommt sie gerade. Die Stars hatten vor den Premieren, den Interviews und vielen Foto-Auftritten Kosmetiktermine bei ihr. Vom ersten Tag bis zur AmfAR-Gala kurz vor Schluss war Carbonari ausgebucht. „Danach geht dann gar nichts mehr“, sagt sie. „Mein Körper braucht eine Pause.“ Das gleiche Spiel zuvor bei der Met Gala in New York. Und wenn Naomi Campbell, Rihanna, Penélope Cruz und Natalie Portman in Paris sind, dann steigen sie bei Sophie Carbonari die Holztreppe mit den knarzenden Dielen hinauf. Carbonari empfängt längst im eigenen Schönheitssalon, in der ersten Etage über einer Galerie für Design, in den schönen Säulengängen des Palais Royal.
Diese berühmten Frauen lassen sich dann auf Carbonaris Liege nieder, die nicht etwa in einem klinisch weißen Raum steht, sondern hinter einer Schiebetür. Carbonaris Arbeitsräume erinnern mehr an ein japanisches Wohnzimmer als an ein Kosmetikstudio. Keine Lupenleuchte ragt in den Raum hinein, kein Bedampfer steht bereit. Sophie Carbonari schöpft stattdessen Wasser aus einer Kupferschale. Der Rest ist Handarbeit.
Und Beobachtung: die Haut mit dem Zeigefinger bearbeiten, erkennen, wo Stauungen vorliegen, dann massieren. Erst die Muskeln, dann die Hypodermis, dann die Epidermis. Dazwischen Reinigung, Masken, Befeuchtung. Müdigkeit oder hängende Mundwinkel? Diese Frau massiert sie einfach weg. Einen Kittel trägt sie dabei nicht.
Wo bitte steht der Microneedling-Pen bereit? Das Mikrodermabrasionsgerät? Die Infrarotmaschine? Alles Elemente der modernen Kosmetik. Die Behandlungen sind kostenintensiv, aber dafür doch effektiv, wie viele meinen. Fast so effektiv, als wenn man sich die Falten wegspritzen lassen würde, was auch immer mehr Menschen machen. Wer damit einmal anfängt, so heißt es, kann nicht mehr aufhören.
„Als wären sie gefälschte Birkin Bags“
Sophie Carbonari hat sich an den Holztisch gesetzt, ein paar Meter entfernt von ihrer Behandlungsliege, und steht dann doch noch einmal auf, um Weintrauben und Nüsse zu holen. Es dauert nicht lange, da spricht sie schon über die Haut als Statussymbol, das sich vermeintlich beliebig upgraden lässt, eben dank Microneedling, Mikrodermabrasion, Infrarottherapie – oder gleich Spritzen. „Dabei wissen wir doch“, sagt sie, „dass wir die Haut am besten von innen stärken.“
Die moderne Kosmetik verspricht einen schnelleren Weg, der allerdings einen hohen Preis hat. „Viele Leute übertreiben es. Sie tun so, als wäre das natürlich, aber sie sehen alle gleich aus“, sagt Carbonari. „Als wären sie gefälschte Birkin Bags.“ Damit meint die französische Schönheitsexpertin die berühmte Ledertasche von Hermès, die es eben auch vielfach kopiert gibt.
Sophie Carbonari jedenfalls geht einen anderen Weg. Mit Geräten, die all diese kosmetischen Wunder vollbringen sollen, hatte sie auch eine Weile zu tun, damals in New York. „Ich arbeitete nur noch an diesen Maschinen und nicht mehr am Menschen.“
Dabei war doch gerade das einmal Sophie Carbonaris eigene Rettung gewesen. In der Schule hatte sie es schwer gehabt. Sie erzählt, wie sie als Kind in Südfrankreich hyperaktiv war und mit Legasthenie zu kämpfen hatte. Die Eltern hatten das 1989 geborene Mädchen als Säugling aus Bamako, der Hauptstadt von Mali, adoptiert. Sophie interessierte sich früh für die Schönheitsprodukte der Mutter. Sie spielte Friseurin und probierte Behandlungen an ihr aus. „Das ging so weit, dass ich die Haut meiner Mutter ausreinigte.“
Die Mutter ließ es zu. Und sie ermutigte die Tochter, es sein zu lassen mit dem Abitur und dem französischen Schulsystem mit 16 Jahren den Rücken zu kehren. „Das war eine Erleichterung“, sagt Carbonari. „Plötzlich konnte ich mich viel besser ausleben.“ In der Kosmetikschule Espace Bourgier in Nîmes entdeckte sie eine Stärke an sich, die im rigiden Lehrplan bis dahin unbeachtet geblieben war: Empathie. „Einige Kundinnen kamen besonders gerne zu mir“, erzählt Carbonari. „Eine wollte mich sogar mit ihrem Sohn verkuppeln.“ Möglich, dass diese Frau schon damals spürte, was viele andere heute dazu bringt, Hunderte Euro für eine Behandlung auszugeben: Sophie Carbonari tut ihnen gut.

Nach der Schule machte sie sich mit nur 21 Jahren selbständig, mit einem eigenen Salon. Viel zu früh, nach einem Jahr gab sie auf. Sie zog nach London und lernte in einem japanischen Spa, in dem vor allem Japaner arbeiteten, Shiatsu und Akupressur. Dann ging sie nach New York, in den Salon mit den Maschinen. Mikrostimulation, Mikrodermabrasion. „Ich trug immer Handschuhe, damit habe ich mich nicht wohlgefühlt.“
Die Erfolgsgeschichte startete auf Instagram
Dann kam die Zeit der Wohnungslosigkeit. „Natürlich habe ich mich damals geschämt“, sagt sie. „So zu tun, als würde ich gehen, und dann zurückzukommen. Irgendwann wurde eine Kollegin misstrauisch. Sie fragte: Warum bist du immer vor uns da?“ Dann erklärte sich Carbonari, und sie lachten gemeinsam darüber. Nach sieben Monaten ging sie zurück nach London, bot ihre Dienste auf der Plattform Treatwell an. Ein paar Französinnen kamen zur Behandlung zu ihr nach Hause, zu wenige, als dass sie davon hätte leben können. Und anders als in Aix-en-Provence hatte sie hier keine Übernachtungsmöglichkeit in einem Schönheitssalon. Ans Aufhören hat sie häufig gedacht. „Es ist kein gut bezahlter Job, und viele Leuten denken, man wäre dumm, weil man in der Beauty tätig ist.“
Dann aber nahm Sophie Carbonaris Leben eine überraschende Wendung. Sie hatte berühmte Frauen per Direktmitteilung angeschrieben. „Eine Art Wunschliste.“ Ob sie ihre Methode nicht einmal ausprobieren möchten? Michelle Obama soll auch unter ihnen gewesen sein. Eine andere, Caroline de Maigret, die Pariser Stil-Ikone mit hoher Social-Media-Reichweite, antwortete ihr. Sie war gerade in London. „Und sie schrieb: Kann ich morgen Nachmittag kommen?“
Caroline de Maigret stellte vor der Behandlung klar: Wenn es ihr nicht gefalle, werde sie nichts posten. Es gefiel ihr offenbar. “Sie wollte mich auch gleich fotografieren.” Mit den Beiträgen auf Instagram kam die Kundschaft, und so nahm diese Erfolgsgeschichte des gerade begonnenen 21. Jahrhunderts ihren Lauf. Weitere Frauen mit hoher Reichweite bekannten sich zu der jungen Kosmetikerin aus London, und bei der Haute-Couture-Woche im Januar 2019 hatte Sophie Carbonari schon eine Suite in Paris, um Kundinnen zu behandeln. Kurz darauf zog sie ganz hierher.
Auf einmal folgte @naomi ihr auf Instagram. „Im ersten Moment dachte ich, es müsse sich um einen Fake handeln. Dann: Das Supermodel wird wohl versehentlich auf den ,Folgen’-Knopf gekommen sein.“ Carbonari schrieb Campbell trotzdem und sagte, dass es ihr viel bedeute, dass sie ihr folge. „Und Naomi Campbell antwortete: Ich freue mich darauf, dich zu treffen.“
Ein paar Monate später lag Naomi Campbell tatsächlich bei Sophie Carbonari auf der Behandlungsliege. Campbell hatte nach dem ersten Termin bei ihr ausdrücklich darum gebeten, dass Sophie Carbonari nicht über die berühmte Kundin spricht. „Dann rief auf einmal eine Redakteurin des ‚Figaro‘ an“, erzählt Carbonari. „Sie plane ein Naomi-Campbell-Spezial und würde gerne mit mir über deren Beauty-Routine sprechen. Und ich sagte – natürlich –, dass ich nicht wüsste, worum es ginge.” Die „Figaro“- Redakteurin aber entgegnete: Naomi habe ihr die Nummer gegeben.
Haut muss wie Gold behandelt werden
Sophie Carbonari ist sicher nicht die erste berühmte Kosmetikerin aus Paris. Joëlle Ciocco zum Beispiel war schon vor ihr da – auch sie ist seit Jahren ausgebucht, unter anderen von den Schönen und Einflussreichen. Auch für Carbonari ist sie ein Vorbild. „Sie hat die Schönheit auf ein anderes Niveau gehoben.“ Aber auf die Ikone mit 40 Jahren Erfahrung folgt nun eine jüngere, die seit etwas mehr als vier Jahren weiß, wie sie die Haut wie Gold behandelt.
Carbonaris eigene dunkelbraune Haut hat einen leichten Glanz, nicht den penetranten, den sich viele mit Glow-Gel vor einigen Jahren um die Wangenknochen cremten, sondern einen natürlicheren. Wie pflegt man seine Haut so schön? „Abends reinige ich zweimal.“ Wegen der schlechten Luft in Paris. „Dann mische ich Gesichtsöl und Toner und trage es auf, dann Serum. Ich nutze Augencreme, gelegentlich etwas Make-up. Zweimal die Woche lege ich Augen-Pads auf und einmal die Woche eine Maske.“
Spritzen lässt sich Carbonari auch, allerdings nur Vitamine unter die Haut. „Das ist schmerzhaft, ich weine jedes Mal. Aber es ist eben kein Filler, kein Botox. Es ist einfach etwas gegen die Müdigkeit.“ Daher der schöne Glanz. „Eine Freundin, sie ist 56, spielt mit dem Gedanken an ein Facelift und sagte neulich: Warte ab, bis du mein Alter erreicht hast.“
Aber vielleicht hat sich bis dahin auch herumgesprochen, dass das Ausradieren von jeder Art von Leben ein Gesicht nicht schöner macht. Vielleicht folgt auf den Hype um eine glatte Stirn und aufgespritzte Lippen wirklich irgendwann Natürlichkeit. Vielleicht ist Carbonaris Druckmethode per Hand schon heute moderner als die moderne Kosmetik mit ihren Maschinen. „Die Leute denken, es gehe ihnen besser, wenn sie ihre Nase korrigieren oder die Lippen aufspritzen lassen. Dabei liegt das Problem häufig tiefer“, sagt Carbonari und tippt an ihre Stirn. „Daran müssten sie eigentlich arbeiten.“
Schönheitsideale ändern sich
Was macht Sophie Carbonari also, wenn sie von Kundinnen gefragt wird, was sie korrigieren lassen sollten? „Ich kann sie natürlich nicht verurteilen, das sind meine Klientinnen“, sagt sie. „Aber ich versuche ihnen zu vermitteln, dass sie das nicht nötig haben. Und ich gebe ihnen Kontakte zu Ärzten, die eher zurückhaltend arbeiten.“ Eine Kundin suchte so einen Arzt auf. „Er sagte: An diesem Gesicht mache ich nichts“, erzählt Carbonari. „Dann ging sie woanders hin, und er verpasste ihr ein Facelift, das noch nicht einmal gelang. Die Frau war noch nicht einmal 60.“
Und auch das passiere: „Eine Kundin sagte mir, sie habe noch nie etwas machen lassen. Dabei konnte ich die Narben deutlich sehen.“ Wie diese Gesichter in einigen Jahren aussehen werden? Spätestens dann könnte die Wirksamkeit solcher Behandlungen angezweifelt werden. „Schauen Sie sich Bilder von Stars an, die nichts haben machen lassen. Sarah Jessica Parker zum Beispiel“, sagt Carbonari. „Ist sie nicht wunderschön, sexy und ausdrucksstark?“
Wenn die Stars zu den Ersten gehörten, die sich für die Schönheit operieren und spritzen ließen, dann könnten einige andere Prominente nun die Ersten sein, die es bleiben lassen. Bei Sophie Carbonari liegen sie schon auf der Behandlungsliege.





















